Donnerstag, März 28, 2024

Im »Grünbuch Energieeffizienz« verlangt die E-Control scharfe Maßnahmen zur Stabilisierung des Energieverbrauchs. Vor allem der Wohnbau und Wärmeauskopplung bei Kraftwerken soll der Energie-
effizienz auf die Sprünge helfen.

 

Unser Energieverbrauch wächst – und zwar jährlich um 1,5 bis zwei Prozent. Seit 1970 hat er sich damit von 567 auf knapp 1100 Peta-Joule (PJ) nahezu verdoppelt.

 Und das trotz diverser Maßnahmen auf Bundes-, Länder-, Verbände- und Unternehmensebene. »Wir wollen die bisherigen Bemühungen nicht herabwürdigen, aber wir müssen feststellen, dass der
Energieverbrauch trotzdem gestiegen ist«, meint Walter Boltz, Geschäftsführer des Energieregulators E-Control, und stellte das »Grünbuch Energieeffizienz« in der endgültigen Fassung vor, ein Bündel von Maßnahmen, mit deren Hilfe der Energieverbrauch, der bis 2020 auf bis zu 1500 PJ anzusteigen droht, bei 1000 PJ stabilisiert werden könnte, was einer Reduktion um rund 23 Prozent entsprechen würde. Der steigende Energieverbrauch sei zwar natürlich ein weltweites Phänomen, aber mehr als die Hälfte davon könnte national beeinflusst werden, ist die E-Control überzeugt. Die entsprechenden Maßnahmen seien einschneidend und würden in ihrer Umsetzung »eines enormen gemeinsamen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Willens bedürfen«, so Boltz.

 

Keine zusätzliche Energie im Wohnbau

 

Einschneidend sind sie in der Tat, die Vorschläge, die die E-Control und deren für Ökoenergie und Energieeffizienz zuständiger Leiter Christian Schönbauer vorlegen: Dazu gehört beispielsweise die Forderung an die Länder, Neubauten im Rahmen der Wohnbauförderung nur mehr dann zu fördern, wenn der dadurch ausgelöste Zuwachs an verbrauchter
Energie durch energieeinsparende Effekte in der thermischen Sanierung von bestehenden Gebäuden ausgeglichen werden kann. »Es darf im Wohnbau keinen zusätzlichen Energieverbrauch geben«, fasst Schönbauer die Forderung der E-Control pointiert zusammen. Darüber hinaus dürfe es für neu errichtete Wohnhäuser bis 2020 nur mehr den Passivhausstandard mit einem Wärmebedarf von 10 kWh/m2a geben.

Auch im Bereich der Gewerbe- und Dienstleistungsgebäude schlägt die E-Control Maßnahmen vor, mit denen der Energieverbrauch bis 2020 um 80 Prozent gegenüber dem heutigen Stand reduziert werden könne. Dazu gehört die Verpflichtung zur Energiebuchhaltung oder der Einführung von »Smart Metering«, der digitalen Verbrauchsmessung für Strom und Gas, bis 2015. Alle Haushalte sollten bis dahin mit den zeitnahen, intelligenten Messgeräten ausgestattet sein, allerdings müsse auch festgelegt werden, was mit den daraus gewonnenen Daten geschieht, ergänzte Boltz. Da in diesem Bereich die Wohnbauförderung nicht greift, müssten entsprechende Verpflichtungen in den Bau- und Gewerbeordnungen verankert werden. Als Anreiz zur Gebäudesanierung schlägt die E-Control das Modell Energieeinsparcontracting vor, um einen ökonomischen Ausgleich zwischen Nutzern und Eigentümern herzustellen. Der öffentliche Sektor müsse mit gutem Beispiel vorangehen und das Energiesparbewusstsein bei öffentlichen Gebäuden mit Selbstverpflichtungen demonstrieren, so Boltz.

 

Reduktion durch Gratistickets

 

Im Bereich Verkehr wünscht sich die E-Control eine Reduktion des Pkw-Verkehrs einerseits durch dichtere Siedlungsstrukturen und durch einen forcierten Ausbau des öffentlichen Verkehrs andererseits. Das berühmte Gratisticket für alle Öffis – außer den ÖBB – könnte den Pendlerverkehr mit dem Pkw um 30 Prozent reduzieren. Dass es sich um keine unrealistischen Beträge handelt, argumentiert die E-Control mit dem Hinweis, dass die Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel – wieder mit Ausnahme der ÖBB – rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr mit dem Ticketverkauf einnehmen, bei den Wiener Linien seien es nur 300 Millionen, die abgedeckt werden müssten.

Kein Augenmerk widmet die E-Control in ihrem »Grünbuch Energieeffizienz« übrigens dem Thema Elektromobilität. Ein Umstieg auf Elektroautos hätte bis 2020 auf den Energieverbrauch keinerlei Einfluss, meinen Boltz und Schönbauer. Denn die dafür zwangsläufig zusätzlich notwendige Energie könne kaum durch Photovoltaik alleine abgedeckt werden, sondern müsste konventionell erzeugt werden und bringe somit keine Energieeinsparung. Die thermische Sanierung habe im Gegensatz dazu ein ungleich größeres Potenzial, meint die E-Control.

 

Nur mehr Kraft-Wärme-Kopplung  Eine Schlüsselrolle bei der Steigerung der Energieumwandlung spielen laut dem »Grünbuch« aber die Energieunternehmen. Handlungsbedarf sieht die E-Control in diesem Zusammenhang bei den Umwandlungsprozessen von Strom und Wärme sowie bei der Energieeffizienz beim Endkunden. Die größte Energieverschwendung bei der Stromerzeugung passiert laut Boltz durch Kraftwerke ohne Wärmenutzung. In Österreich stammt noch rund ein Viertel des erzeugten Stroms aus thermischen Kraftwerken, deren Wirkungsgrad zwischen 29 und maximal 48 Prozent liegt. Mithilfe der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), die die bei der Stromerzeugung produzierte Abwärme nutzt, um damit Fernwärmenetze zu speisen, könnte dieser Nutzungsgrad auf über 70 Prozent gesteigert werden, so die Schätzung der E-Control. Zur besseren Ausnutzung der Primärenergieträger und damit zur höheren Energieeffizienz müsse die Wärmeauskoppelung zur Bedingung beim Neubau von Anlagen gemacht werden, fordert Boltz. Langfristiges Ziel müsse der Ersatz der ausschließlich stromproduzierenden, mit fossilen Energieträgern betriebenen Kraftwerke durch KWK-Anlagen bis zum Jahr 2025 sein. Damit könnten bis zu 31 PJ an Energie eingespart werden, so die Studie.
Im Bereich der Endkunden müsste die Vielzahl an Aktivitäten der einzelnen Energieunternehmen intensiviert und koordiniert werden. Parallel dazu müssen nach Meinung der E-Control die Energieberatungen österreichweit standardisiert und deren Kapazität ausgebaut werden. Mit 160.000 Beratungen pro Jahr, so die Berechnung, könnten bis 2020 die Hälfte aller Haushalte erfasst werden. Die Beratungen in den Haushalten sollten von den Netzbetreibern durchgeführt werden, da diese im Gegensatz zu Energielieferanten keine Eigeninteressen verfolgen und sich damit neutral verhalten würden, meint die E-Control.Koordinationsstelle Grundsätzlich sieht der Regulierer eine Menge an Einzelaktivitäten in Österreich, was das Thema Energieeffizienz, Einsparpotenziale und entsprechende Förderungen betrifft. Das sei aber alles unkoordiniert, was fehle, sei eine übergeordnete Stelle, die alle diese Aktivitäten koordiniert und überwacht. »Eine parteifreie, neutrale Institution könnte die Rolle übernehmen, Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz in Österreich systematischer zu gestalten«, meinte Boltz. Auf Nachfrage, wer denn diese Institution sein könnte, fiel Boltz die E-Control selbst als gutes Beispiel dafür ein. Schließlich sei sie ja im Jänner 2008 vom Ministerrat schon mit der Erstellung des »Grünbuchs« beauftragt worden, so Boltz.        

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