Sonntag, April 28, 2024
Wien will raus aus Gas
Michael Strebl (Geschäftsführer Wien Energie), Jürgen Czernohorszky (Klimastadtrat), Kathrin Gáal (Vizebürgermeisterin, Wohnbaustadträtin), Peter Hanke (Finanz- und Wirtschaftsstadtrat) und Stefan Gara (Neos Wien Energie-Sprecher). (Bild: Wien Energie/Christian Hofer)

Bis 2040 will die Stadt Wien 600.000 Haushalte von Gas auf alternative Heizsysteme umrüsten. Alles andere als einfach - darum startet Wien Energie nun in vier Gemeindebezirken Pilotprojekte, um praktische Ansätze für Fernwärme zu erproben. In den kommenden fünf Jahren steckt das Unternehmen rund 1,8 Milliarden in den klimaneutralen Umbau des Energiesystems.

Im dicht besiedelten Stadtgebiet ist die Wärmebedarfsdichte besonders hoch ist - darum soll dort vor allem Fernwärme zum Einsatz kommen. Aktuell wird Fernwärme in Wien aber nur dort ausgebaut, wo es wirtschaftschlich und strategisch sinnvoll ist. Bis 2026 wird nun zusätzlich in vier „Pioniergebieten“ ein flächendeckendes Fernwärmenetz errichtet: In Rossau (1090), Gumpendorfer Straße (1060), dem Alliiertenviertel (1020) und Huber-Block (1160). „Ein gut ausgebautes Fernwärmenetz und die Dekarbonisierung des Gebäudebestands sind die Voraussetzung, um den Gas-Ausstieg zu meistern“, betont Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke.

Testumgebungen

Um bessere Grundlagen für die Planungen zum Wiener Gas-Exit zu schaffen, wurden die vier Pioniergebiete so gewählt, dass sie sich in Bauart, Zusammensetzung und Größe wesentlich unterscheiden. Ziel ist es, hier so viele Erfahrungen wie möglich zu sammeln, um den weiteren Ausbauprozess im Anschluss zügig vorantreiben zu können. Neben Fernwärme, die bis 2040 komplett klimaneutral sein soll, können je nach Gebäudeart auch Wärmepumpen oder Erdwärmesonden zum Einsatz kommen.

Aktuell wird in allen vier Gebieten die Gebäudestruktur analysiert und die technische Umsetzung des Fernwärmeausbaus und des Trassenverlaufs geplant. In der ersten Ausbaustufe, die bis voraussichtlich Ende 2026 abgeschlossen sein wird, wird für mehr als 200 Gebäude in den Pioniergebieten ein Fernwärmeanschluss vorbereitet. Damit die Gebäude an die Fernwärme angeschlossen werden können, wird Wien Energie in den kommenden Monaten mit den Gebäudeeigentümer*innen in Kontakt treten. Die Bewohner*innen der vier Pioniergebiete werden über den Verlauf des Fernwärmeausbaus im Rahmen von Info-Veranstaltungen und Postsendungen informiert.

„Das Ziel bis 2040 die Wärmewende zu schaffen, ist für eine Weltstadt wie Wien eine enorme Kraftanstrengung. Am wichtigsten ist es aber, die Wienerinnen und Wiener an Bord zu holen. Das engagierte Team der Gebietsbetreuung-Stadterneuerung vertieft hier den Dialog mit der Bevölkerung, um neben der ökologischen Nachhaltigkeit auch die soziale Nachhaltigkeit sicher zu stellen“, betont Vizebürgermeisterin und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál.

In den vier Pioniergebieten forciert Wien Energie bis 2026 Ausbau und Anschluss des Fernwärmenetzes. (Bild: Wien Energie)

Investition in Millionenhöhe

„In nur 17 Jahren wollen wir die Fernwärme komplett klimaneutral erzeugen und das Fernwärmenetz massiv ausbauen. Das gleicht einer Herkulesaufgabe“, sagt Michael Strebl, Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung. „Wir investieren sowohl in den Ausbau und die Nachverdichtung der Fernwärme als auch – und das ist ganz wesentlich – in die Dekarbonisierung der Fernwärmeerzeugung, damit auch diese 2040 keine fossile Energie mehr nutzt.“ Insgesamt steckt Wien Energie rund 50 Millionen Euro in die Beschleunigung des Fernwärmeausbaus -  und finanziert den Ausbau vorerst auf eigenes Risiko.

Aktuell schließt Wien Energie jährlich durchschnittlich Wohn- oder Gewerbebauten mit einer Leistung von 70 Megawatt neu ans Fernwärmenetz an. Das entspricht umgerechnet dem Wärmebedarf von rund 20.000 Haushalten pro Jahr. Ziel ist es, im Jahr 2040 insgesamt 56 Prozent des Wärmebedarfs über Fernwärme abdecken zu können, heute sind es gut 40 Prozent - darin 440.000 Wiener Haushalte und 7.800 Großkunden. Damit ist das Wiener Fernwärmenetz mit über 1.300 Kilometern Länge bereits eines der größten in Europa.

Rechtlicher Rahmen notwendig

Damit ein Umstieg der Stadt von fossilen auf erneuerbare Energien bis 2040 Realität werden kann, müssen wesentliche Aspekte in einen entsprechenden rechtlichen Rahmen gegossen werden. Eine flächendeckende Sanierung des Altbaus wird die Grundvoraussetzung für die Umstellung auf ein zentrales Wärmesystem wie Fernwärme oder eine Wärmepumpe sein. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG), das den Ausstieg aus fossilen Heizsystemen regelt, funktioniert als Hebel für die gesamte Wärmewende: Mit dem Gesetz soll nicht nur geregelt werden, welche Heizsysteme in neuen Gebäuden errichtet werden dürfen, sondern auch eine erste Grundlage für die Umstellung auf umweltfreundliche Heizsysteme in Bestandsgebäuden gebildet werden.

Dekarbonisierung durch Abwärme und Geothermie

Klimaneutral wird das Wiener Fernwärmesystem vor allem durch Großwärmepumpen und Geothermie. Aktuell stammt aber noch gut die Hälfte der Fernwärme aus erdgasbetriebenen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Etwa ein Drittel kommt aus der Müllverbrennung, und erst der Rest - rund 20 Prozent - stammt aus industrieller Abwärme, Biomasse und Erd- und Umgebungswärme.

Um die Fernwärme zu dekarbonisieren, plant Wien Energie bereits einige Projekte: Noch in diesem Jahr wird eine Großwärmepumpe in Betrieb genommen, die die Abwärme aus der Kläranlage in Simmering nutzen und in der ersten Stufe bereits Fernwärme für umgerechnet 56.000 Wiener Haushalte erzeugen wird. Damit ist sie eine der leistungsstärksten Wärmepumpen Europas. Im Vollausbau ab 2027 wird die Anlage Fernwärme für umgerechnet bis zu 112.000 Haushalte erzeugen. Allein mit diesem Projekt steigt der Anteil erneuerbarer Fernwärme um bis zu 14 Prozent.

Eine genauso wichtige Rolle spielt die Nutzung von Geothermie. Bis 2030 plant Wien Energie, bis zu 125.000 Wiener Haushalte mit Fernwärme aus der Tiefengeothermie zu versorgen. In Summe sollen bis 2040 dann 55 Prozent der Wärme mithilfe von Großwärmepumpen und Geothermie erzeugt werden. „Die nachhaltigste Lösung der Energiekrise ist der Weg raus aus Gas: Deshalb investieren wir in den kommenden fünf Jahren mit 1,8 Milliarden Euro so viel wie noch nie in den Umbau unseres Energiesystems“, so Strebl abschließend.

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