Samstag, Dezember 14, 2024
Digitalisierung: Der Werkzeugkasten ist gut gefüllt

Andreas Dörner ist Gründer und Vorstand des Wiener IT-Beratungshauses CNT Management Consulting. Er spricht über die Chancen für Unternehmen mit dem neuen Werkzeugkasten bei SAP und bringt Beispiele für erfolgreich digitalisierte Geschäftsprozesse.

Report: Der Begriff Digitalisierung ist in aller Munde. Steckt dahinter gutes Marketing oder tatsächlich Optimierungsmöglichkeiten für Unternehmen?

Andreas Dörner: Es geht längst nicht nur um die Optimierung der Geschäftsprozesse, sondern über vieles darüber hinaus. Typisches Beispiel ist die Vernetzung von Produkten, die bereits im Markt sind und ihre Einbindung in die internen Systeme der Unternehmen – Autos, Automaten und jegliche Maschinen und Geräte, die instand zu halten sind.

Wir sind stark im Maschinen- und Anlagenbau tätig. Hersteller von Papier- und Kunststoff-Maschinen bauen in die Maschinen zunehmend Logik ein, über die sie Zugriff für vorbeugende Wartungsarbeiten oder auf Geschäftsprozesse für den Nachschub von notwendigen Bestandteilen für den Produktionsprozess bekommen. Apps können dabei Transparenz und Services bieten, die zuvor nicht möglich gewesen sind. Die Vernetzung birgt spezielle Herausforderungen an die Security, da der Maschinenpark entsprechend geschützt werden muss.

Wir sehen, dass SAP mit der vierten Generation – S/4HANA – enorme Digitalisierungsmöglichkeiten bietet. Viele unserer Kunden greifen dieses Potenzial auf und betrachten die SAP-Einführung oder den -Upgrade als Digitalisierungsprojekt.

Report: Geht die Vernetzung heute bis zur Steuerung von Maschinen? Wie weit ist dies fortgeschritten?

Dörner: So weit geht es nicht. Die Steuerung der Maschine erfolgt weiterhin vor Ort. Vernetzt werden aber die Überwachung und Optimierung. Tatsächlich gibt es bereits Unternehmen, die nicht mehr Eigentümer der eingesetzten Maschinen sind, sondern nur deren Nutzung – das Service – bezahlen. Ein Geschäftsmodell im Bereich Kompressortechnik sieht bereits so aus. Der Hersteller rechnet die Leistungen über den Wirkungsgrad der Maschinen ab.

Report: Aus welchen Gründen werden Mietmodelle eingegangen – aus Kostengründen oder um flexibler zu sein?

Dörner: Die Hersteller setzen damit auf eine stärkere Kundenbindung. Die Anwender nützen es, weil es billiger und einfacher ist. Die Unternehmen müssen sich so weder um Anschaffungskosten, noch um die technische Entwicklung kümmern. Es ist ähnlich wie bei modernen Cloud-Lösungen, die sehr nutzerfreundlich gestaltet sind.

Im Cloud-Bereich war SAP mit seiner ERP- und CRM-Software lange in der Defensive. In den letzten fünf Jahren hat man es aber geschafft, aus der alten Denkweise, sämtliche Systeme on-premise zu halten, auszubrechen. Zusätzlich wurden mit Ariba, Concur und ­SuccessFactors erfolgreiche Cloud-Portale zugekauft und integriert. Fieldglass ist hier ein weiteres Beispiel, es ist das größte US-Portal für Leiharbeit. Unternehmen können heute über das SAP-System, also direkt aus dem Bedarf heraus, Leiharbeiter ansprechen.

In der Bauwirtschaft wiederum können Unternehmen ihre Anforderungen in die Ariba-Plattform stellen, um dort alle ihre Ausgaben zu kontrollieren – ohne sich jedes Mal mit einer Vielzahl an Subunternehmen und Lieferanten extra verknüpfen zu müssen. Im Ariba-Portal arbeitet jeder nur mit exakt einer Schnittstelle.

Report: Aus Sicht des Softwareherstellers SAP ist es verständlich, die Wertschöpfungsbreite seiner Systemwelt zu erhöhen.

Dörner: Wir sehen diese Erweiterung auch auf Anwendungsebene als sinnvoll, da die Effizienz steigt. So unterstützen wir den Onboarding-Prozess für solche Lieferantenplattformen. Auch kleine oder mittelständische Anbieter können dort nicht nur mit dem einen Auftraggeber, sondern auch mit anderen kommunizieren – man erspart sich das komplizierte Organisieren des Datenaustausches mit jedem Einzelnen.

Report: Wie sieht es mit der Verknüpfung von SAP-Daten mit den »Operational Technologies« draußen in den Einsatzfeldern aus? Was wäre ein Beispiel hier?

Dörner: Mit Bilderkennung oder Sensoren werden Paletten gescannt, identifiziert und mit den Stücklisten im SAP verbunden. Der Anwender sieht dann sofort den Inhalt. Üblich sind hier natürlich Barcodes oder QR-Codes, nicht immer aber ist das möglich. Ein feuerfester Ziegelstein etwa kann über ein bestimmtes Muster in seiner Struktur – das auch nach dem Brennen erhalten bleibt – identifiziert werden. Dadurch lassen sich auch diese Produkte auf ihre Zusammensetzung rückverfolgen. Bei einem Bruch zum Beispiel möchte man die Herkunft und die Verarbeitung erfahren, bis hin zum Weg der Lieferchargen.

Report: Geht es zunächst um Piloten? Wie weit ist dieses Thema bereits entwickelt?

Dörner: Mit der neuen Generation des SAP S/4-Systems sehen wir zahlreiche neue Projektmöglichkeiten – von der Einsatzbreite her und auch von den Investitionen bei den Unternehmen. Es gibt derzeit kein Unternehmen, das bereits SAP im Haus hat, das sich jetzt nicht damit beschäftigt. Wir hatten Glück, mit ­Hoerbiger bereits 2015 eines der allerersten S/4-Projekte im DACH-Raum einführen zu können. Mittlerweile haben wir mehrere produktive Referenzen und sind mit dieser Erfahrung im gesamten DACH-Raum führend – wir sind also über die Pilotphase weit hinaus.

SAP stellt eine gut gefüllte Werkzeugkiste zu Verfügung. Die Unternehmen können damit ihren digitalen Geschäftsprozess entwickeln und sich überlegen, was den Kunden nützt. Es geht auch darum, eine neue Story zu erzählen. Ein Hersteller von Brustpumpen für Muttermilch ist ein großartiges Beispiel. Der Marktführer in diesem Bereich hat eine App entwickelt, mit der über Barcodes auf den Fläschchen der Abfülltag und weitere Informationen gespeichert werden. In Asien reißen sich die Leute darum. Mit diesem Zusatzfeature verkauft sich das ursprüngliche Produkt wesentlich besser.

Report: Ihre Expertise ist nun der übergreifende Blick über Unternehmensgrenzen hinaus?

Dörner: Wir entwickeln gemeinsam mit den Kunden Ideen und bieten mit Design Thinking Workshops, zu denen auch Experten für die jeweilige Sensortechnik hinzugezogen werden. Damit bekommen unsere Kunden einen Blick auf die technologischen Möglichkeiten. Wir überlegen, wie die erarbeiteten Prozesse ins SAP integriert und daraus ein geschlossener Geschäftsprozess gemacht werden kann. Im Prinzip erarbeiten wir digitale Geschäftsprozesse und bringen diese auf den Boden.

So zum Beispiel derzeit für ein Unternehmen, das mit einer SAP-Anwendung seinen Fuhrpark von Baumaschinen besser verwalten wird. Das Problem dort war die Latenzzeit zwischen der Rückgabe einer Maschine von einer Baustelle bis zu ihrem nächsten Einsatz. Es dauerte Tage, bis die notwendigen Informationen im System waren, die Maschine gereinigt, mitunter repariert und wieder verfügbar war.

Mit einer App soll dies in Zukunft vereinfacht werden, ähnlich einer Rückgabe eines Mietwagens. Formulare werden nicht mehr ausgefüllt. Alles Notwendige wird augenblicklich digital und ohne Medienbruch erfasst sowie ins System eingespielt. Das geht soweit, dass auch die Disposition optimiert wird. Die Maschinen müssen nicht mehr unbedingt in eine Zentrale zurückgeführt werden, sondern können gleich zur nächsten Baustelle.

Report: Wie geht es Ihnen mit dem herrschenden Fachkräftemangel?

Dörner: Wir sehen, dass unser Dienstleistungsbereich in den kommenden Jahren sehr stark sein wird, der Markt aber zu wenige ausgebildete SAP-Berater zu Verfügung hat. 2018 haben wir in Summe 50 junge Berater eingestellt und sind jetzt über 250 Berater stark. Durch die neue Softwaregeneration müssen aber auch die guten R/3-Berater weitergebildet werden – wir haben dazu ein eigenes internes Enablement-Programm. Unser Ansatz ist, die Kollegen in Förder- und Nachwuchs­programmen intern aus- und fortzubilden. CNT ergreift sehr viele Maßnahmen, sodass unsere Mitarbeiter langfristig bleiben – wir haben eine sehr geringe Fluktuation.


Über das Unternehmen

Die SAP-Beratungsgesellschaft CNT Management Consulting wurde 1999 in Wien gegründet und betreut derzeit mit rund 250 BeraterInnen an den Standorten Wien, Innsbruck, Linz, München, Mainz sowie Bozen rund 180 Unternehmen in über 50 Ländern Europas, Südamerikas und in den USA mit etwa 300 produktiven SAP-Installationen. Das Unternehmen zählt mit 50 Mio. Euro Umsatz (2018) zu den Marktführern für SAP-Beratung in Österreich und peilt weiteres Umsatz- und Mitarbeiterwachstum an. 2018 wurde CNT in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.

Info: www.cnt-online.com


Was macht SAP bei S/4 anders als bei R/3?

1. Geschwindigkeit: S/4HANA bietet mit der In-Memory-Technologie eine neue Datenbankarchitektur, die Daten nicht mehr spaltenweise in relationalen Datenbanken hält, sondern zeilenweise. Dadurch wird die Geschwindigkeit der Verarbeitung massiv erhöht, was sich vor allem bei analytischen Aufgaben auswirkt. War früher eine Simulation einer betriebswirtschaftlichen Planung aufgrund der Geschwindigkeit und fehlenden Features kaum möglich, ist dies mit HANA kein Problem mehr. Auch Kassendaten beispielsweise sind in »real time« in einem Datensatz von Millionen Belegen auffindbar.

2. Einfachheit: SAP hatte in den vergangenen 20 Jahren kleinere kosmetische Eingriffe an seiner Benutzeroberfläche vorgenommen. Gegenüber den Lösungen von Microsoft und anderen Anbietern hatte man, so es nicht rein um Funktionalitäten ging, oft das Nachsehen. Das hat sich durch die neue Fiori-Technologie und die Trennung von Frontend- und Backend-Entwicklung geändert. Nutzer steigen dank Fiori über ein Launch-Pad ins System ein, das dem Kacheldesign auf Smartphones ähnelt. Eine Kachel zum Thema Einkauf zeigt eine beispielsweise Kennzahl. Je nach der Rolle des Anwenders bedeutet diese Zahl so viele Bestellungen, Lieferungen oder Rechnungen. Klickt man auf die Kachel, erscheinen weitere Details. Trotzdem können Anwender weiterhin auch mit dem klassischen GUI (»Graphic User Interface«) arbeiten – wenn beispielsweise in der Buchhaltung Rechnungen schnell eingegeben werden müssen.

3. Homogenität: Historisch hatte SAP aufgrund der Beschränkungen seiner Datenbank-Technologie stets eigene Lösungen hinzugebaut: ein SRM-System für das Supplier Relationship Management, CRM für die Kundenverwaltung, ein APO-System für die Prozessoptimierung in der Fertigung (»Advanced Planning and Optimization«), ein Reporting-System und vieles mehr. Diese Zusatzprodukte hatten ihre eigenen Datenbanken, mussten aber mit dem ERP-System über eine »Master Data Governance«-Lösung kommunizieren. Die Koordinierung unterschiedlicher Stammdaten funktionierte zwar, brachte aber den Nachteil zahlreicher Schnittstellen im SAP-Verbund. Die gesamte Systemlandschaft von SAP wird mit S/4HANA nun auf einer zentralen Plattform vereinheitlicht. Dazu kommen neue Features wie etwa »SAP Connected Goods«, mit dem Daten zu Millionen Gütern ins System eingebunden werden können.

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