Friday, July 04, 2025

Mehrwert für Manager

Bau | Immobilien

Anton Glasmaier ist Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Beton- und Fertigteilwerke VÖB. Außerdem ist er Vorstandsvorsitzender des Beton Dialog Österreich, ein Zusammenschluss des VÖB mit den Verbänden der Zementindustrie und der Transportbetonwerke. Im Interview gibt er Einblick in die Verbandsarbeit und zeigt, wie er die unterschiedlichen Interessen seiner Mitgliedsverbände unter einen Hut bringt. Außerdem spricht er über sein Verhältnis zur Holz-Lobby und erklärt, warum es sich Politik und Gesellschaft manchmal zu einfach machen.

(Bild: BDÖ/Stefan Seelig)

Bild: »Natürlich sind wir Teil des CO2-Problems, dieser Verantwortung stellen wir uns auch. Aber wenn uns auch das Thema Flächenverbrauch umgehängt wird, dann hört mein Verständnis auf«, sagt Anton Glasmaier.

Laut VÖB-Konjunkturbarometer berichten circa 50 Prozent der Hersteller über gesunkene Umsätze im Jahr 2024, die andere Hälfte meldete gestiegene oder gleich gebliebene Umsätze. Ist das Glas für die Branche halb leer oder halb voll?

Anton Glasmaier: Das lässt sich nicht klar beantworten. Wir machen diesen Konjunkturbarometer seit vielen, vielen Jahren. Aber noch nie war das Bild so uneinheitlich. Der Wohnbau in Wien ist eine Katastrophe, in den Regionen nicht. Auch die Infrastruktur ist außerhalb von Wien gut gelaufen.

Was die zukünftige Marktentwicklung der Fertigteilbauweise im Bereich Hochbau betrifft, blicken sogar über 63 Prozent der Unternehmen optimistisch in die Zukunft. Als Vorsitzender des BDÖ sind Sie aber nicht nur für den VÖB zuständig. Was bedeutet diese Einschätzung im Umkehrschluss etwa für die Transportbetonbranche?

Glasmaier: Die optimistische Einschätzung der Fertigteilhersteller beruht auf den Eigenschaften ihres Produkts, dazu zählen vor allem die Reduktion der Bauzeiten, höhere Vorfertigungsgrade, die Steigerung der Präzision und Qualität. Die Zyklen zwischen Fertigteil und Transportbeton sind unterschiedlich. Die Umsatzsteigerungen setzen beim Transportbeton früher ein. Wenn sich die Auftragslage bei den Bauunternehmen bessert, wird erst noch mit eigenen Kapazitäten gearbeitet. Davon profitiert das Transportbetongeschäft. Erst wenn die Kapazitäten ausgeschöpft sind, wird an Fertigteile gedacht. Das Wachstum beginnt später, hält dann aber länger an. Der Transportbeton reagiert unmittelbarer, auch in die entgegengesetzte Richtung. Der Umsatz bei den Fertigteilen kann nur im Zusammenspiel mit den Bauunternehmen anspringen. Wenn die Bauunternehmen die Wertschöpfung im Betrieb halten wollen und glauben, die Eigenschaften eines Fertigteils auch vor Ort zu schaffen, dann ist das Hemd näher als der Rock. Es ist aber unbestritten, dass Fertigteile höhere Qualitäten liefern.

Wie bringen Sie als BDÖ-Vorstandsvorsitzender die teils doch unterschiedlichen Interessen der einzelnen Mitgliedsverbände unter einen Hut?

Glasmaier: Die Verbände sind ganz unterschiedlich strukturiert. Da gibt es natürlich auch unterschiedliche Befindlichkeiten. Der Zementverband hat zwölf Standorte, die Fertigteile 63 und der Transportbeton 330. Das sind extreme Unterschiede. Während sich Zement und Fertigteile eher als Industriebetriebe sehen, hochtechnologisiert mit viel Maschineneinsatz, steht der Transportbeton für die flächendeckende Nahversorgung. Bei vielen Bauteilen gibt es kaum Überschneidungen, eine Bodenplatte macht man nicht als Fertigteil. Aber natürlich gibt es auch Bereiche, bei denen wir im Wettbewerb stehen. Wir konkurrieren aber nicht direkt, sondern über die Bauunternehmen und deren Entscheidung. Dafür ist zum Glück nicht immer nur der Preis entscheidend, sondern eine Fülle an Kriterien. Als BDÖ-Vorsitzender muss ich mich natürlich mit den jeweiligen Verbänden abstimmen und evaluieren, ob es bei bestimmten Themen einen Konsens gibt.

Geht es dabei um den kleinsten gemeinsamen Nenner?

Glasmaier: Bis vor wenigen Jahren war das tatsächlich so. Dann haben wir aber einen Strategiewechsel vollzogen. Als Beton Dialog behandeln wir jetzt auch Themen, die nicht alle gleich betreffen, etwa Re-Use von Fertigteilen. Wichtig ist, dass die Kommunikation nicht in Richtung Konkurrenz zum Ortbeton geht. Wenn wir über Re-Use reden, reden wir aber auch immer über Recycling, da holen wir den Transportbeton ins Boot. Mit Kreislaufwirtschaft und Reststoffverarbeitung holen wir den Zement ins Boot. Es geht also nicht um den kleinsten gemeinsamen Nenner bei jedem Thema, sondern darum, die jeweiligen Stärken zu kommunizieren, ohne dem anderen weh zu tun.

Ein Mitbewerber ist definitiv der Holzbau. Eine aktuelle Konzeptstudie von TU Graz, Uni Innsbruck und Boku kommt zu dem Schluss, dass es im Sinne des Klimaschutzes besser wäre, das Holz im Wald zu belassen, anstatt es in Häuser zu verbauen. Ein Ergebnis, das Sie wahrscheinlich freut. Wie gehen Sie mit solchen Studien und Informationen um?

Glasmaier: Natürlich sind solche Studien hilfreich. Vor allem dann, wenn sie nicht von uns angestoßen wurden. Natürlich freuen wir uns, wenn unsere Argumentation von unabhängiger, wissenschaftlicher Seite bestätigt wird. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass es nicht sinnvoll ist, dem Wald mehr Holz zu entnehmen, als nachwächst. Da gibt es auch Nachhaltigkeitskriterien. Deshalb verstehe ich auch Jubelmeldungen über Exportsteigerungen nicht. Da fließen österreichische Fördergelder mit dem Argument der Nachhaltigkeit in die Forst- und Sägeindustrie, die das Produkt dann exportieren. Aber bitte nicht falsch verstehen: Ich habe gar kein Problem damit, wenn die Forstwirtschaft Unterstützung bekommt. Aber die Unterstützung sollte ganz gezielt in Richtung Wiederaufbau der CO2-Senke Wald gehen.

Ich begleite die Baubranche mittlerweile seit vielen Jahren. Die jeweiligen Bau­stoff-Lobbys betonen immer, nicht schlecht über den Mitbewerb sprechen zu wollen. Gibt es einen Dialog zwischen den Bau­stoff-Lobbys?

Glasmaier: Ich sehe ihn nicht. Es gibt ein Nebeneinander, aber kein Miteinander. 

Dafür aber oft ein Gegeneinander.

Glasmaier: Sicher auch ein Gegeneinander. Wir fühlen uns schon stark in ein Eck gedrängt. Natürlich sind wir Teil des CO2-Problems, dieser Verantwortung stellen wir uns auch. Aber wenn uns auch das Thema Flächenverbrauch umgehängt wird, dann hört mein Verständnis auf. Da sind aus meiner Sicht schon die Politik, die Raumordnung und Raumplanung in die Pflicht zu nehmen und nicht ein Baustoff. Und zum Thema CO2: Es ist immer schön, einen Buhmann zu haben, der für alles herhalten muss. Dann muss man selbst nichts ändern. Dann kann ich weiter in China meine Produkte bestellen oder eine Kreuzfahrt machen. Da fühlen wir uns schon schlecht und falsch behandelt. Wir können nicht die Ausrede einer ganzen Gesellschaft sein.

Damit sind wir beim Thema Politik. Die Baustoffneutralität ist Ihnen seit jeher ein großes Anliegen. Vor allem die Grünen haben sich in der letzten Regierung massiv für eine Bevorzugung des Baustoffs Holz eingesetzt. Haben Sie dank der neuen Regierung Hoffnung auf eine echte Gleichstellung?

Glasmaier: Die Hoffnung besteht, ja! Allerdings sind einzelne Akteure immer noch der Meinung, dass wir den CO2-Ausstoß quasi über Nacht reduzieren müssen. Diesen Personen dauern unsere Lösungsansätze zu lange. Und wenn wir mit der langen Lebensdauer unserer Gebäude argumentieren, bekommen wir als Antwort: Das senkt aber heute und morgen kein CO2! Das kann ich noch verstehen, aber dass man dann auf Holz verweist und die Hoffnung, dass Holz 2050 CO2-neutral verwertet werden kann, das verstehe ich nicht. Es wissen auch viele Entscheidungsträger, dass die Bauteilaktivierung ideal für die Heizung und Kühlung wäre, aber lieber hofft man, dass in Zukunft so viel CO2-neutrale Energie vorhanden ist, dass man auch Klimaanlagen in Holzhäusern sinnvoll betreiben kann. Dafür fehlt mir das Verständnis. Und wenn dieses Denken vorherrschend bleibt, dann schwindet auch die Hoffnung auf Bau­stoffneutralität.

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