- Details
- Bau | Immobilien
Starkes Fundament
Während der Holzbau vielfach als Königsweg zur Klimarettung gesehen wird, werden Massivbaustoffe als Klimakiller betrachtet. Traditionelle Baustoffe wie Beton und Ziegel haben aber längst nicht ausgedient.

Das Pantheon in Rom, das vor über 2.000 Jahren erbaut wurde, ist ein bemerkenswertes Beispiel für die Verwendung von römischem Beton. Bei archäologischen Grabungen in Jericho wurden die ältesten, schon 7500 v. Chr. für Lagerräume verwendeten Ziegel gefunden. Die lange Lebensdauer ist nur einer der vielen Vorzüge von Massivbaustoffen. Univ.-Prof. Markus Krüger vom Institut für Baustofftechnologie und Materialprüfung an der TU Graz nennt auch deren lokale Verfügbarkeit, den geringen Kostenaspekt und kurze Transportwege, die sich positiv auf die Ökobilanz auswirken, als wesentliche Aspekte für Massivbaustoffe.
Im massiven Hochbau kommen traditionell Ziegel und Beton zum Einsatz, die sich durch ihre bewährten Eigenschaften auszeichnen. Auch Holz gewinnt als Alternative mit hoher Vorfertigungstiefe zunehmend an Bedeutung, insbesondere auch im mehrgeschoßigen Wohn- und Objektbau. Stahl ist im Industrie- und Infrastrukturbau unverzichtbar, etwa bei großen Spannweiten oder anspruchsvollen Tragwerkslösungen. Generell geht der Trend aber hin zu hybriden Bauweisen, bei denen die spezifischen Stärken der einzelnen Materialien gezielt kombiniert werden und der Materialverbrauch insgesamt reduziert wird.
»Es braucht nicht immer nur Stahl und Beton, um in die Höhe zu bauen«, betont Johann Marchner, Country Managing Director von Wienerberger Österreich. »Noch heuer entsteht auf den Reininghausgründen im Quartier 17 in Graz ein neunstöckiger Wohnbau mit Ziegeln. Besonders hervorzuheben sind die weltweit ersten beiden achtgeschoßigen Gebäude in monolithischer Ziegelbauweise mit integrierter Wärmedämmung, bei denen die komplette Tragstruktur aus keramischem Mauerwerk besteht.« Für noch höhere Gebäude arbeitet Wienerberger derzeit an der Weiterentwicklung eines Fertigteil-Systems als Alternative für die Kombination von Betonskelett mit ausfachendem Ziegelmauerwerk.
Nachfragetrend Massiv
Beton ermöglicht laut Christian Wimberger, Geschäftsführer des oberösterreichischen Bauunternehmens Wimberger, die Umsetzung komplexer Bauformen, bietet hohe Stabilität und erlaubt eine effiziente Verarbeitung. Ziegel überzeugen durch ihre natürliche Herkunft, ihre wärmedämmenden Eigenschaften und den Beitrag zu einem angenehmen Raumklima. Das bestätigen in der Jahresanalyse von BauInfoConsult auch die rund 240 befragten Bauunternehmen und Architekturbüros auf die Frage, welche Baustoffe aus ihrer Sicht langfristig, d. h. bis 2028, zu den meistnachgefragten zählen werden. Beton gehört demnach für mehr als jeden zweiten (Neu-)Bauakteur zu den Wandbaustoffen mit dem größten erwarteten Potenzial. Ziegel werden von einem sehr deutlichen Drittel der befragten Bauakteure als Nachfragetrend erwartet und damit ähnlich häufig wie der Drittplatzierte, Massivholz, der für die nächsten Jahre das beste Zuwachsergebnis bei den Baustoffen im Neubau zu erwarten hat.
Bei der Wahl zwischen Holzbau und Massivbau geht es laut Stadtplanern nicht um ein »Entweder-oder«, sondern um eine möglichst sinnvolle Abwägung der jeweiligen Vorteile. Wer es künftig schafft, seine Herstellungsprozesse dahingehend umzustellen, dass die produktspezifische EPD seiner Massivbaustoffe das klimaneutrale Bauen fördert, werde auf der Gewinnerseite stehen. Denn künftig enthalten die Ausschreibungen von Bauprojekten Anforderungen an die EPD-Kernindikatoren, sodass neben den Kosten auch die Umweltwirkungen in die Verfahren eingepreist werden.
Zielvorgaben
»Zement präsentiert sich bereits als voller Kreislauf«, betont Claudia Dankl, Geschäftsführerin Zement und Beton. Es werde sehr viel Bauschutt verwendet, z. B. alte Ziegel und Baurestmassen. Im Brennprozess kommen mehr als 80 % Ersatzbrennstoffe zum Einsatz, etwa nicht rezyklierbare Kunststoffe wie Autoreifen. Da insbesondere die Herstellung von Portlandzementklinker mit hohen CO2-Emissionen einhergeht, werden zunehmend Klinker-Ersatzstoffe wie gebrannter Ölschiefer oder Kalksteinmehl sowie Hüttensand und Flugasche aus anderen Industrien zur Zement- und Betonherstellung eingesetzt. Dazu gibt es ein Forschungsprojekt an der Montanuni Leoben. Bewehrungsstahl bei aufgebrochenem Beton geht zurück an die Stahlindustrie. Wichtig sind laut Dankl die Zement-Rezepturen. »CEM II- und CEM III-Zemente tragen durch ihren geringeren Klinkeranteil wesentlich zur Reduzierung von CO₂-Emission bei.« Durch den Wechsel von CEM II/B zu CEM III/B können diese pro m³ Beton sogar um bis zu 25 % reduziert werden.
Bild: »Beton, effizient und intelligent eingesetzt, trägt entscheidend zum klimafreundlichen und nachhaltigen Bauen bei. Wichtig ist eine optimale Tragwerksplanung«, betont Claudia Dankl, Zement und Beton.
Die österreichischen CO₂-Klassen und ihre Verfügbarkeit sind im Merkblatt »CO₂-Klassen für Beton« der Österreichischen Bautechnik Vereinigung, Ausgabe März 2025, detailliert dargestellt und sollen als Entscheidungshilfe bei der gezielten Ausschreibung und Auswahl emissionsärmerer Betone dienen. Innovationen gibt es auch bei Ziegel. »Obwohl Ton nach wie vor die Grundlage des Ziegels bildet, ist seine Rezeptur doch sehr variabel. Unsere Ziegel werden individuell auf die jeweiligen Anforderungen angepasst, was eine kontinuierliche Weiterentwicklung und die Produktion neuer Ziegeltypen unterstützt«, betont Marchner und verweist auf das Werk in Uttendorf. »Hier steht eine besonders CO₂-arme Tonrezeptur zur Verfügung, die perfekt auf die neuen thermischen Anforderungen des elektrifizierten Produktionsprozesses abgestimmt ist.«
Massiv in die Zukunft
»Der am häufigsten verwendete Baustoff im Massivbau ist Beton, daran wird sich vorerst grundsätzlich nichts ändern«, betont Univ.-Prof. Markus Krüger. »Wir bauen heute allerdings mit Betonen, die es vor 20 Jahren nicht gab. Das hat sich signifikant verändert und wir optimieren und entwickeln laufend weiter.« Am Institut laufen viele Anstrengungen, um Beton auf eine nächste Ebene zu bringen. Er wird in seiner Zusammensetzung optimiert, es wird versucht, alternative Bindemittel wie kalzinierte Tone und anderweitige Geopolymere einzusetzen. »Wir befassen uns natürlich auch mit dem gesamten Ablauf des Baustoffrecyclings«, so Krüger. An der TU Graz laufen Forschungsprojekte wie z. B. zur Biokohle in Baumaterialien, zur Beständigkeit und Dauerhaftigkeit (Thaumasit-Verbund) sowie zu Entwurfsverfahren für nachhaltige Betone.
BitKOIN forscht an CO₂-reduzierten Bindemitteln durch thermochemische Umwandlung mineralwollhaltiger Reststoffkombinationen, das Projekt UpcycSlag-Binder am Upcycling von Schlackenresten zu neuen, nachhaltigen Bindemitteln im Baustoffkreislauf. An der Zukunftsagentur Bau läuft das Projekt CoolBRICK Ziegel Zukunft+. Der Schwerpunkt des Projekts liegt auf der Wechselwirkung zwischen Ziegelspeichermassen und der natürlichen, ventilativen Kühlung. »Ziegel ist ein durch und durch zukunftsfittes Produkt«, stellt Johann Marchner fest. »Neue Anwendungen der Zukunft wie beispielsweise Reuse – also die gezielte, ressourcenschonende Wiederverwendung von Wandelementen – werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen.«
Best Practice: Nachhaltige Wohnqualität mit Beton
Mit 295 Wohneinheiten auf 29 Geschoßen und einer Bruttogeschoßfläche von 34.000 Quadratmetern ist das Hochhaus Schneewittchen im Wiener Nordbahnviertel das höchste Mietwohngebäude Wiens. Im Schneewittchen und dem benachbarten Loftflügel mit zusätzlichen 32 Wohneinheiten sind die Betondecken in den Wohnungen thermisch aktiviert. Die Wärme- und Kälteversorgung erfolgt über die Fernwärme bzw. Fernkälte Wien. Beim Bau wurden rund 28.700 Kubikmeter Beton verbaut. Neben der thermischen Bauteilaktivierung stellte die Gebäudehöhe von 100 Metern eine besondere Herausforderung dar. »Ab dem 7. Obergeschoß wurde das Hochhaus im Windschildverfahren auf vier Ebenen errichtet – mithilfe von zwei Turmdrehkränen«, erklärt Peter Korec, Projektleiter der ARGE Schneewittchen bestehend aus Swietelsky AG und Östu-Stettin Hoch- und Tiefbau.
EPDs für alle Beton- und Zementprodukte
Bild: »Mit den EPDs für das gesamte Zement- und Beton-Sortiment schaffen wir eine wichtige Vergleichbarkeit für unsere Kund*innen«, sagt Haimo Primas, Holcim.
Im Rahmen des diesjährigen Austrian World Summit gab Holcim bekannt, als erstes Unternehmen in Österreich neben den bereits bestehenden Zement-Umwelt Produktdeklarationen ab Sommer auch EPDs für das gesamte Beton-Portfolio bereitzustellen. In Kooperation mit dem Umwelt-Startup Climate Earth wird Holcim ab Sommer für mehrere hundert bestehende Beton-Sorten, aber auch »on demand«, alle Betonprodukte auf Knopfdruck mit einem verifizierten und zertifizierten System in einer EPD abbilden. »Für unsere Kund*innen der Holcim Beton in Österreich schaffen wir damit eine wichtige Vergleichbarkeit für den Baustoff Beton für einen bestmöglichen Einsatz. Denn EPDs zeigen alle Umweltindikatoren transparent und sind für Projekte gemäß diverser nachhaltiger Gebäudezertifizierungssysteme, wie BREEAM, LEED oder DGNB schon heute erforderlich«, so Haimo Primas, CEO Holcim Österreich und Holcim CE Cement Holding.
Lesetipp
Anfang Juni präsentierten der Fachverband Steine-Keramik und die Zukunftsagentur Bau ZAB im Architekturzentrum Wien die Forschungsergebnisse der Initiative »Zukunftssicheres Bauen« aus den Jahren 2022–2025. Die Forschungskooperation von Industrie und Forschungseinrichtungen liefert wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse für die Weiterentwicklung nachhaltiger Bauweisen. Neben dem ZAB waren folgende Forschungseinrichtungen beteiligt: Economica, FH Salzburg (FHS), IIBW, STUDIA, Universität für Weiterbildung Krems (UWK), Technische Universität Graz und Technische Universität Wien. Der 4. Ergebnisband für den Zeitraum 2022–2025 ist ab sofort kostenlos unter www.baumassiv.at erhältlich.
Bild: Der mobile Bauroboter WLTR errichtet Ziegelmauern von über drei Metern Höhe mit einer Leistung von durchschnittlich 5–6 m²/Stunde.
- Details
ThemaThema
- Details
- Thema
Bauen außerhalb der Norm: Gebäudetyp E
- Christina Kober, Konstantin Pochmarski
- 26.Jun.2025
- Details
- Thema

Zwischen Wunschmodell und Rechtsrealität
- Markus Androsch-Lugbauer
- 26.Jun.2025
- Details
- Thema

Standards mit Milliarden-Effekt für Österreichs Wirtschaft
- Redaktion
- 26.Jun.2025
- Details
- Thema

"Bauen außerhalb der Norm"
- Redaktion
- 18.Oct.2024
Bau & Wirtschaft
- Details
- Bau | Immobilien

Hallmann verkauft SÜBA AG
- Redaktion
- 04.Jul.2025
- Details
- Bau | Immobilien

»Beton kann nicht die Ausrede einer ganzen Gesellschaft sein«
- Bernd Affenzeller
- 04.Jul.2025
- Details
- Bau | Immobilien

Starkes Fundament
- Karin Legat
- 04.Jul.2025
- Details
- Bau | Immobilien

IG Lebenszyklus Bau: Neuer Vorstand, klare Richtung (Video)
- Redaktion
- 02.Jul.2025
- Details
- Bau | Immobilien

Die Größten der Branche
- Redaktion
- 02.Jul.2025
- Details
- Bau | Immobilien

Fulminantes erstes Börse-Halbjahr 2025
- Redaktion
- 02.Jul.2025
- Details
- Bau | Immobilien

»Strategisch muss KI auf Top-Ebene angesetzt werden«
- Bernd Affenzeller
- 01.Jul.2025
- Details
- Bau | Immobilien

Vorsprung durch Forschung
- Karin Legat
- 01.Jul.2025
Office & TalkView all
- Details
- Officetalk

Die nachhaltige Transformation von Wiener Zinshäusern
- Gerhard Popp
- 01.Jul.2025
- Details
- Officetalk

Event: Ist Österreich fertig gebaut?
- Redaktion
- 30.Jun.2025
- Details
- Officetalk

Die Zukunft der Büroimmobilie
- Gerhard Popp
- 25.Jun.2025
- Details
- Officetalk

Kreislaufwirtschaft als Standard im Bauwesen
- Gerhard Popp
- 23.May.2025
Leben & StilView all
- Details
- Leben & Stil

Mit Zufall erneuern
- Redaktion
- 04.Jul.2025
- Details
- Köpfe

Canon: neuer Geschäftsführer in Österreich
- Redaktion
- 04.Jul.2025
- Details
- Köpfe

Österreich-Geschäftsführer neuer Partner in der Drees & Sommer-Gruppe
- Redaktion
- 01.Jul.2025
- Details
- Leben & Stil

Neuer CEO bei R&M
- Redaktion
- 30.Jun.2025
Produkte & ProjekteView all
- Details
- Projekte

Blick auf Österreichs höchste Staumauer
- Redaktion
- 20.Jun.2025
- Details
- Projekte

Immer verbunden – Services für das Gewerbe
- Redaktion
- 11.Jun.2025
- Details
- Projekte

Best of ... Microsoft in der Praxis
- Redaktion
- 15.May.2025
- Details
- Projekte

BBG: Von Daten zu Taten
- Redaktion
- 14.May.2025