Josef Muchitsch, Chef der Gewerkschaft Bau-Holz und Sprecher der Initiative Umwelt+Bauen, über die Alltagsmühen der Lobbyingarbeit, die reine Farbenlehre und warum es manchmal nötig ist, Mitglieder mit dem Lasso einzufangen.
(+) Plus: Im aktuellen Koalitionspapier wird der Bauwirtschaft viel Platz eingeräumt. Vor allem der Bereich »Leistbares Wohnen« ist sehr eng an das Positionspapier der Initiative Umwelt+Bauen angelegt. Sind Sie stolz, dass die Politik den Empfehlungen der Initiative zu folgen scheint?
Josef Muchitsch: Ich bin sehr zufrieden, dass die überparteiliche Arbeit der letzten Jahre jetzt zu so einem positiven Ergebnis geführt hat und sich viele Positionen im Arbeitsprogramm der Bundesregierung wiederfinden. Ich kenne kein Regierungsprogramm, das je so viele sozialpartnerschaftliche Vorschläge aufgegriffen hat wie das Papier der neuen Regierung.
(+) Plus: Noch vor wenigen Wochen waren Sie selbst skeptisch, ob die neue Bundesregierung Ihren Vorschlägen folgen wird. Worauf führen Sie diesen Erfolg zurück?
Muchitsch: Lobbying ist ein Prozess, von dem man nie genau weiß, wie er ausgeht und ob die Anstrengungen belohnt werden. Wir haben aber natürlich im Hintergrund immer wieder den Kontakt zu Mitgliedern der Bundesregierung gesucht. Nicht nur unmittelbar vor der Wahl, sondern auch in den letzten zwei bis drei Jahren. Damit ist es uns gelungen, zu den für uns wichtigen Personen ein Naheverhältnis aufzubauen. Dieser Kontakt ist auch nie abgerissen. Deshalb konnten wir auch unsere Vorschläge und Ideen immer wieder den aktuellen Rahmenbedingungen und politischen Überlegungen anpassen und aktualisieren. Dadurch hatten wir verhältnismäßig »leichtes Spiel«. Aber selbst bei den Regierungsverhandlungen war es nötig, bei allen 26 Verhandlern vorstellig zu werden.
(+) Plus: Gilt bei diesen Gesprächen die reine Farbenlehre? Der Gewerkschaftschef Muchitsch spricht mit den Roten, Bundesinnungsmeister Frömmel mit den Schwarzen – oder gibt es da Überschneidungen?
Muchitsch: In der ersten Phase gilt die Farbenlehre. Ist ein erster Kontakt hergestellt, treten wir verstärkt gemeinsam auf, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Das passiert aber nicht bei offiziellen Anlässen, sondern auf inoffizieller Ebene. Hinter den Kulissen, bei verschlossenen Türen, wird deutlich offener und ernster kommuniziert als vor dem Vorhang. Es ist wie ein Theaterstück. Da sieht man auch nur das, was auf der Bühne passiert, nicht aber die vielen Rädchen, die hinter der Bühne ineinandergreifen müssen, damit alles funktioniert.
(+) Plus: Welche Rolle spielt es Ihrer Meinung nach, dass die Bau-Lobbyisten oft gemeinsam auftreten – dass nicht der Gewerkschaft alleine kommt oder die Wirtschaftskammer, sondern beide offensichtlich an einem Strang ziehen?
Muchitsch: Wir sind zwar eine der ältesten Gewerkschaften, aber im Denken und Handeln zählen wir sicher zu den modernsten. Wir haben uns verabschiedet von Klassenkampf mit Trillerpfeife und Transparenten. Wir gehen davon aus, dass vernünftige Menschen bei gemeinsamen Zielen auch gemeinsame Wege und Lösungen finden. Und auch wenn es unterschiedliche Interesse gibt, kann auf Krawalle verzichtet werden, wenn sich Menschen gegenübersitzen, die die Grenzen des anderen kennen.
(+) Plus: Die Initiative Umwelt+Bauen hat mittlerweile 16 Mitglieder, deren Interessen sich nicht immer decken. Wie schwierig ist, alle dazu zu bringen, an einem Strang zu ziehen?
Muchitsch: Das ist tatsächlich nicht immer einfach, entsprechend wichtig ist die Kommunikation. Natürlich gibt es unterschiedliche Standpunkte, die gilt es zu erörtern und dann Kompromisse zu finden. Denn am Ende des Tages muss immer die gemeinsame Lösung stehen. Sonst hat eine Gruppierung wie Umwelt+Bauen keinen Sinn. Aber natürlich ist es ab und zu nötig, das Lasso auszupacken und einzelne Mitglieder wieder einzufangen, damit niemand die Herde verlässt (lacht).