Sonntag, Mai 05, 2024

Eine Wärmebildkamera macht genau sichtbar, wie energetisch gut ein Gebäude dasteht und wo man Energieverluste weiter reduzieren kann.  Der Dauerbrenner Energieausweis erregt wieder die Gemüter der Branche. Dabei schaut es ganz danach aus, dass die Umsetzung des Bundesgesetzes in Landesrecht länger dauern wird als angepeilt.

Von Clemens Rosenkranz

Als Weihnachtsgeschenk an die Immobranche sollte die neue EU-Gebäuderichtlinie landesrechtlich finalisiert werden. Das wird sich nicht überall pünktlich ausgehen, aber die Republik (die für Umsetzungsversäumnisse der Länder gerade steht) dürfte an einem EU-Vertragsverletzungsverfahren vorbeischrammen. Besser wäre es, den Ländern noch mehr Zeit zu geben und dafür bis Jänner 2013 Nägel mit Köpfen zu machen, meinen viele in der Branche. Als Argument nennt man die heute in den Ländern (besonders Wien) geltenden Ausnahmebestimmungen. Geschäftsführer Rainer Mikulits vom für das Regelwerk maßgeblichen Österreichischen Institut für Bautechnik (OIB) hält eine Verzögerung für keinen Beinbruch. Andere meinen, man sollte die Frist gleich bis Anfang 2013 ausdehnen, schließlich müsse die EU-Gebäuderichtlinie bis 9. Jänner 2013 geltendes Recht sein.

Laut Mikulits ist es auch kein Problem, wenn der Entwurf zur Änderung des Wort­ungetüms Energieausweisvorlagegesetz (EAVG – wurde bereits im Sommer vom Justizministerium vorgelegt) vor den Landesbestimmungen Gesetzeskraft erlangt. Denn beide Materien berühren einander zwar, aber müssten zeitlich nicht synchron in Kraft treten, so der OIB-Präsident. Dieses Institut für Bautechnik (OIB) ist in Sachen baurechtliche Bestimmungen nämlich nur Koordinierungsplattform der Bundesländer. Und die entsprechenden OIB-Richtlinien sind schon im Oktober abgenickt worden. Das bisherige Gesetz verweist bei den Ausnahmen auf landes- bzw. bundesgesetzliche Baubestimmungen. Dies hat zu einer sehr unübersichtlichen Situation mit zahlreichen Ausnahmen geführt. Die Änderungen sollen ein sinnvolle rechtliche Flurbereinigung bringen.
Und einer der größten Aufreger bei den Novellen zu den Landesbaubestimmungen ist eigentlich ein Detail am Rande, aber ein sehr plastisches. Es geht nämlich um die erneuten Änderungen beim Energieausweis, auch wenn sich an der äußeren Gestaltung des Ausweises nicht viel ändert, sprich, der Endenergieverbrauch nach wie vor wie ein Kühlschrankpickerl (mit Balken) gestaltet ist. Je grüner die Kategorie eines Gebäudes, desto besser ist seine Energieeffizienz. Aber dazu kommen noch der Primärenergiebedarf und die spezifischen CO2-Emissionen, die aber nicht als farbliche Balken ausgeführt werden, sondern wie in einem Maßstab oder Schieber dargestellt sind.

Günther Zowa, Chef der Österreich-Tochter des deutschen Normungsriesen TÜV, sieht das Gesetz entspannt, geht aber doch von größeren Folgen aus. Und in einem Punkt werden die Zähne des Dokumentes höchstwahrscheinlich deutlich angespitzt: Wer ein Immobilieninserat in Print- oder Online-Medien schaltet, muss in der Annonce den entsprechenden Endenergieverbrauchswert auf seinem Ausweis angeben. Dabei sind laut Zowa künftig saftige Strafen bei der Nichtvorlage vorgesehen: »Das kann einen Mieter oder Eigentümer bis zu 1.450 Euro kosten. Im Vergleich dazu betragen die Kosten für die Erstellung bei einem Eigenheim je nach Größe und Aufwand 300 bis 500 Euro.« Zowa rät künftig von der Ausweis- bzw der Vorweisungspflicht Betroffenen, den Ausweis schon jetzt zu machen, bevor das neue Gesetz in Kraft trete. »Danach wird der Ausweis teurer und auch unsere Kapazitäten enger«, so der Experte von TÜV nicht ganz uneigennützig.
Änderungen kommen jedenfalls auch auf die Betreiber öffentlicher Gebäude zu, sie sind schon heute verpflichtet, das Energiepickerl sichtbar auszuhängen. Im neuen Regime müssen auch öffentliche Gebäude mit bis 250 m2 Gesamtnutzfläche den Ausweis sichtbar aushängen, bis dato waren es 1.000 m2 . Diese Senkung des Grenzwerts würden neben der Bundesimmobiliengesellschaft BIG besonders ländliche Kommunen bei Schulen, Gemeindeämtern und anderen öffentlichen Einrichtungen erheblich fordern, so Kenner der Verhältnisse. Sie können anderes als Private nicht unter dem Motto »Brauchen S’ eh ka’ Rechnung« operieren.

Es wäre aber kein österreichisches Gesetz, wenn es keine Ausnahmen geben würde: So ist bei denkmalgeschützten Objekten und jenen, die in sogenannten Schutzzonen stehen, kein Ausweis nötig. Generell und bundesweit ausgenommen sind unter anderem Kirchen und unbeheizte Gebäude. Und eines darf man nicht außer Acht lassen: Der Ausweis ist auch künftig nur eine nackte Zustandsbeschreibung des energetischen Gebäudezustands. Praktische Auswirkungen hat die Verordnung nicht. Allerdings indirekte: Laut Experten ist der größte Nutzen des Energieausweises für Immobilienbesitzer und Mieter die energetische Vergleichbarkeit von Gebäuden. Er hilft auf hochpräzise Weise, gute von schlechten Gebäuden zu unterscheiden. Gleichzeitig soll der Druck auf die Sanierung energetisch schlechterer Gebäude über den Markt erhöht werden, denn die energetische Verbesserung steigert den Wert eines Objekts. »Ob sich der Energieausweis am Markt auswirkt, sprich funktioniert oder nicht, wird sich zeigen«, so Mikulits.

>>Von der Rolle:

Eine Erhebung in Deutschland hat ergeben, dass die Auswirkungen des Ausweises zu vielen Immobilienbesitzern und Mietern noch nicht durchgedrungen sind. Dort erfüllt der Energieausweis laut Stephan Kippes vom Lehrstuhl für Immobilienmarketing und Maklerwesen an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nüttingen (Baden-Württemberg) noch lange nicht die ihm vom Gesetz zugedachte Rolle. Weniger als die Hälfte der Kauf- und nicht mal ein Drittel der Mietinteressenten fragen nach dem Energieausweis, und das trotz seiner rechtlichen Verbindlichkeit.

Paradox: Zugleich werde eine positive Energiebilanz bei Wohnungen und Häusern von Käufern und Mietern zunehmend vorausgesetzt, so Kippes: »Interessenten gehen bei einem Kauf eines Neubaus davon aus, dass eine gewisse Energieeffizienz vorhanden ist und stellen daher kaum Fragen zur Energiesituation.« Kippes zitiert eine Befragung von Maklern, derzufolge bei Besichtigungen nur noch 48 Prozent der Interessenten (nach 55 Prozent im Vorjahr) nach dem Energiestandard gefragt hatten. Noch geringer sei der Anteil bei potenziellen Mietern gewesen. 2010 hätten noch sechs von zehn Maklern einen hohen energetischen Standard als preissteigernden Faktor betrachtet, heuer seien es nur noch 44 Prozent. Bestehe allerdings der Eindruck eines Sanierungsstaus, wirke sich das zunehmend negativ auf den Preis aus.

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