Freitag, Mai 03, 2024

Das Kürzel »N6« macht einige Behörden derzeit nervös. Kein Wunder – die Republik sitzt auf einer explosiven Geheimstudie, die Steuerzahler auf Kosten von rund 200 Millionen Euro. Während verheimlicht und beschwichtigt wird, bedroht die Aluschlackendeponie »N6« Europas größtes Grundwasserreservoir.

Rund 15 Jahre lang hat die berüchtigte »Fischer-Deponie« Medien, Anwälte und die Republik beschäftigt – und die Sanierung hat letztendlich 130 Millionen Euro gekostet. Bedroht hat die Fischer-Deponie die »Mitterndorfer Senke«, wie Europas größtes Grundwasservorkommen im Wiener Becken genannt wird. Repariert hat den Schaden die Bundesaltlastensanierungs GmbH (Balsa) – ein Vehikel des Bundes, das auf Altlastensanierung spezialisiert ist. Jetzt stehen der Balsa wieder spannende Zeiten bevor. Diesmal geht es um die »Altlast N6«, wie die »Berger/Almeta-Deponie« westlich von Wiener Neustadt heißt. In den 70er- und 80er-Jahren wurde dort auf der Deponie von Helene Berger die Aluminiumschlacke der Firma Almeta entsorgt. Dass »N6« eine Zeitbombe ist, wird schon lange vermutet.
Die Balsa wollte es schließlich genau wissen und beauftragte die Montanuni Leoben mit einer Studie über das Gefährdungspotenzial. Die Ergebnisse der Studie sind brisant (siehe Kasten). So brisant, dass offensichtlich nur eine Handvoll Ministeriumsinsider über die Ergebnisse Bescheid weiß. Nervös macht das etwa den Wiener Neustädter Bürgermeister Bernhard Müller. Dieser forderte Mitte Oktober Umweltministerium und Umweltbundesamt auf, mit Details aus der ominösen Geheimstudie herauszurücken (siehe Faksimile). Müller gibt dazu keinen Kommentar ab. Neben dem Grundwasser dürften für den ungewöhnlichen Schritt auch Haftungsfragen eine Rolle gespielt haben. Auch Balsa-Chef Michael Zorzi ist nicht sehr gesprächig.

Finanzierung wackelt
Immerhin bestätigt Zorzi die Existenz der dem Report in Teilen vorliegenden Studie und erklärt die Geheimhaltung so: »Das ist ein Gebot der Vorsicht. Kommt es zur Sanierung, ist ein europaweites Vergabeverfahren durchzuführen.« Die Sanierungskosten kann er nicht beziffern, weil »mehrere Varianten im Gespräch sind«. Insider kolportieren Kosten von 200 bis gar 300 Millionen Euro. Sicher ist nur: das »Packerl« gehört dem Steuerzahler. Helene Berger ist verstorben, das Giftmüllgrundstück haben die Erben nicht angenommen, womit es als Heimfall an die Republik ging. Almeta, deren Aluschlacke vergraben wurde, existiert heute noch als veritable Holding. Zu holen wird aber auch dort nichts sein. Anno dazumals wurden Bescheide bisweilen etwas »formlos« ausgestellt, gültig sind sie dennoch.
Sorgen machen muss sich Balsa um die zukünftige Finanzierung. So monierten die Grünen bereits, dass im neuen Budget bis 2014 rund 48 Millionen Euro des Altlastenbeitrags aus der Zweckbindung fällt, womit die geförderte Altlastensanierung zum Erliegen komme. Wenig erfreut ist auch die Wirtschaft. »Dass der von der Abfallwirtschaft erbrachte Altlastensanierungsbeitrag teilweise in die Landwirtschaft fließen soll, ist skandalös und wird die Steuermoral sicher nicht heben«, warnt Kurt Stefan, Präsident des Vereins »Gesellschaft für Ökologie und Abfallwirtschaft«. Darüber hinaus soll der Finanzminister auch auf den Altlastensanierungsfonds – im Topf liegen derzeit rund 200 Millionen – spitzen.

 

Hintergrund: Explosive Geheimstudie
Die Auswirkungen der Aluschlacken-Deponie Berger/Almeta sind nur einer handvoll Behördeninsidern bekannt, die eine Studie der Montanuni Leoben wie ein Staatsgeheimnis hüten. Der Report Plus lüftet Details: »N6« verseucht das Grundwasser der Mitterndorfer Senke mit jährlich rund 77 t Chlorid, über 70 t Nitrat und Calium, 26 t Natrium und 22 t Ammonium. In Boden- und Umgebungsluft entweichen jährlich rund 600 t Methan und Ammoniak. Aluschlacke ist ein Teufelszeug. Schon beim Kontakt mit Luftfeuchtigkeit reagiert der Cocktail »extrem reaktiv«. Weiters sei »zu befürchten«, dass es zu einer »dramatischen Verschärfung« der Situation kommt. Daneben wird ein »enormes Langzeitproblem« für über mehr als 100 Jahre konstatiert. Das klingt doch anders als etwa die Aussagen des niederösterreichischen Umweltanwaltes Harald Rossmann, der zuletzt keine »unmittelbare Gefahr« erkennen konnte. Alleine das Monitoring von »N6« kostete bislang übrigens eine Million Euro.

 

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