Montag, April 29, 2024
SIGNA! ...wie konnte das geschehen?
Das Lamarr auf der Wiener Mariahilferstraße. Quelle: Wolffkran

Seit mehr als 25 Jahren ist Walter Senk ein aufmerksamer Beobachter der österreichischen Immobilienszene. Hier lesen Sie seine persönliche Betrachtung der Geschichte rund um die SIGNA und René Benko. Von seinen Anfängen im Jahr 1995 bis hin zu den Nachrichten der vergangenen Tage. Er beginnt bei den letzten Tagen, denn hier wird eines übersehen … 

Das war es also. Europas größter Immobilienkonzern ist insolvent. Wobei das so eine Sache ist, einen Konzern in dieser Größe abzuwickeln. Die SIGNA wird mehr oder weniger zerstückelt. Also, soweit man das bei einem Konglomerat von 1.000 Unternehmen überhaupt machen kann. Die Annahme, dass bis Ende des Jahres Klarheit bei allen Beteiligten herrscht und man den Konzern restrukturiert, wie anfangs gesagt wurde, war eher auf dem Prinzip Hoffnung aufgebaut. „Ich war bei einer ähnlichen Sache vor vielen Jahren beteiligt“, so ein österreichischer Bewerter: „Die war groß, aber nicht so groß wie diese, und wir haben eine riesige Wand gebraucht, um das gesamte Firmengeflecht auseinanderzudividieren.“ Meine Vermutung: bei der SIGNA unmöglich. Es ist wohl auch am besten, Teile des Unternehmens derzeit weiterlaufen zu lassen, denn in dem Tumult und dem Geschrei rund um René Benko wird eines vergessen: Da sind auch sehr viele Beschäftigte, Unternehmen und Angestellte in Mitleidenschaft gezogen worden. Das ist das eigentlich Traurige an der ganzen Sache und geht in dem ganzen Hype unter.

Zurück zu den Anfängen

Im Jahr 2000 tauchte René Benko erstmals größer in der Immobilienwirtschaft auf. „Können Sie sich noch an Ihre erste Immobilie erinnern, die Sie gekauft haben und die Sie nicht selbst nutzten?“ René Benko: „Das waren zwei Dachböden. Beide im selben Monat. Einer in Innsbruck und einer in Wien beim Naschmarkt. Das war im Jahr 2000, zu einem Zeitpunkt, an dem noch nicht jeder erkannt hatte, dass Penthäuser die luxuriösesten Wohnräume in einer Stadt werden“, sagte er 2012 in einem Interview mit mir auf der Immobilien-Redaktion. Was ich damals nicht wusste, war, dass es eines der letzten Interviews war, die er im deutschsprachigen Raum gab (Link: https://immobilien-redaktion.com/kategorie/unkategorisiert/artikel/René-benko-projektentwickler-und-investor), ehe er dann im Oktober 2018 dem deutschen „Handelsblatt“ wieder Rede und Antwort stand.

Den Zeitraum von 2012 bis 2018 finde ich sehr interessant, aber kommen wir zuerst noch zu den Anfängen. René Benko taucht in meinen Artikeln zum ersten Mal im Jahr 2001 auf. Sein Unternehmen hieß damals noch Immofina. Sehr originell, denn bei der Suche im Internet fand sich das Unternehmen des jungen Tirolers immer vor der IMMOFINANZ. Er hatte damals schon ein G’spür, wie Vermarktung funktioniert. Den Vorständen der mächtigen IMMOFINANZ gefiel das natürlich nicht, und sie luden René Benko am Wienerberg nicht ein, sondern vor. Dort wurde ihm rasch klargemacht, dass das so nicht geht, man drohte mit einer Klage. Damit war im Jahr 2006 die SIGNA geboren. 

Zu dieser Zeit hatte René Benko bereits einige große Geldgeber. Im Jahr 2001 stieg ein vermögender ehemaliger Tankstellennetzbetreiber als privater Investor mit rund 25 Millionen Euro ein. Mit diesem Geld wurde das damalige Kaufhaus Tyrol zu neuem Glanz geführt, und dadurch galt Benko in seiner Heimatstadt Innsbruck bereits als kleiner Held, der sagen konnte: „Das Kaufhaus Tyrol ist für uns ein großer wirtschaftlicher Erfolg.“ 
Richtig groß wurde die SIGNA aber erst 2007 dank der Zusammenarbeit mit einem griechischen Schiffseigner. Das wurde am Anfang noch etwas verdeckt kommuniziert, aber darum rankten sich die ersten Geschichten, und damit wurde in der Öffentlichkeit auch suggeriert, dass „Geld keine Rolle spielt“.

Und tatsächlich. Ab diesem Zeitpunkt wurde massiv in Österreich investiert. Unter anderem wurde das BAWAG-Immobilienpaket gekauft, ebenso zwei Topimmobilien der Bank Austria, nämlich die Vordere Zollamtsstraße und das Gebäude „am Hof“. Benko galt als Visionär, weil er als „Käufer der beiden Immobilien ein schlüssiges und für den Standort Wien attraktives Konzept vorlegt“, wie es in der Pressemeldung hieß. Bei einigen Immobilienkäufen, wie dem ehemaligen Patentamt in der Wiener City, schüttelten manche aus der Branche den Kopf, weil die Immobilien so teuer gekauft wurden. Aber die Preise stiegen, und letztendlich war es ein Schnäppchen. So meinte René Benko im Interview mit der Immobilien-Redaktion: „Es gibt immer wieder Objekte in absoluten Toplagen, die zu Spitzenpreisen gekauft wurden, und wenn man ein Jahrzehnt später über den Preis nachdenkt, dann kommt man zur Erkenntnis, dass es ein Schnäppchen war. Ein Beispiel ist das Patentamt am Kohlmarkt.“

2008 verkaufte SIGNA Property Funds unter anderem in Prag weitere Gebäude des Immobilienkomplexes „The Park“. Da hatte Benko wirklich den richtigen Riecher, CEE/SEE den Rücken zu kehren: „Wir sind rechtzeitig vor der Lehman-Pleite aus CEE/SEE rausgegangen.“
Mit diesen Aktionen festigte sich sein Ruf. 2008 war René Benko bei der „Cäsar“-Wahl „Shooting Star des Jahres“. 2011 war er bereits „Immobilienmanager des Jahres“, weitere Ehrungen folgten. Dazwischen errichtete er in Österreich unter anderem noch das Büroprojekt „Rivergate“ und kaufte im Mai 2010 gemeinsam mit einer deutschen Versicherung den IZD Tower für 212,25 Millionen Euro. Im Jahr 2012 erwarb das Unternehmen auf dem Areal des Wiener Hauptbahnhofs das Baufeld A.01 – später in The Icon Vienna umbenannt – von den ÖBB.   

Tatsache war, dass die SIGNA am Wiener Projektentwicklungs- und Investmentmarkt eine Machtposition erreichte, die es in dieser Form noch nie gegeben hatte. „Wenn alles in der gleichen Ecke landet“, wie es ein Marktteilnehmer damals ausdrückte, „dann stellt sich auch die Frage, wie gut das für die Wettbewerbsfähigkeit des Markts selbst ist.“ Die SIGNA erwarb nämlich nicht nur die entsprechenden Immobilien, sondern in vielen Fällen auch die dazugehörenden Projektentwickler und Verantwortlichen gleich mit. Am Unternehmen kam damals kaum jemand vorbei.

Alles war möglich, und René Benko setzte zu einem Höhenflug an. Sagen die einen. Andere meinen, er habe ab 2012 den Boden unter den Füßen verloren. Politiker hatte er schon längst in seinen Reihen, die ihm auch den einen oder anderen Deal erleichterten – sagen wir einmal so –, und es scharten sich immer mehr um ihn. Die Verflechtung mit der Politik ist allemal zu hinterfragen. Und zwar nicht bei Benko, sondern bei den Politikern. Alle aus der Branche wissen, dass es einige seltsame Transaktionen gab, die ohne politischen Rückenwind so nicht hätten stattfinden können. Das ist definitiv etwas, was neben der Insolvenz der SIGNA aufgeklärt gehört. Dies wäre nicht nur ein Thema in Österreich sondern sehr wohl auch bei unseren deutschen Nachbarn.

Mittlerweile war Benko nicht länger der große Investor, sondern wurde zum großen Unbekannten, der bei der EXPO REAL schnell und unerkannt zu seinem Messestand hetzte und im abgesperrten Bereich verschwand oder bei der MIPIM die Gäste auf seiner Jacht empfing. Er hatte eine Kernaussage aus seinem Interview von 2012 beiseitegeschoben: „Wenn man erfolgreich sein will, muss man seine Entscheidungen ständig überprüfen und analysieren, damit man auch die Gesamtperformance bei weiteren Investments verbessern kann – und man darf nicht so überheblich werden zu glauben, alles zu können.“

Richtig aufhorchen ließ er in den darauffolgenden Jahren immer wieder durch große Deals oder Konzepte wie den Elbtower in Hamburg oder den Kauf des Chrysler Building 2019 in New York. „Wir erwerben eine Legende – für uns ist dies mehr als nur ein erster, strategisch wichtiger Schritt in den US-Immobilienmarkt: Es ist ein Meilenstein“, sagte ein damaliger Vorstand der SIGNA-Gruppe kurz nach dem öffentlichkeitswirksamen Deal. Heute scheint das Landmark in New York das zu sein, was man landläufig einen Bastlerhit nennt, und inwieweit es 2019 schon in einem entsprechenden Zustand war, lässt sich nicht genau sagen. Aber es symbolisiert wohl wie kein anderes Gebäude die aktuelle Situation rund um die SIGNA.

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Mehr Artikel von Walter Senk gibt es bei der Unabhängigen Immobilien-Redaktion 

 

 

 

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