Freitag, Mai 03, 2024
Wiener Bauordnung - Die Novelle 2023 im Entwurf
(Titelbild: iStock)

Die Intention der Novellierung ist es, eine Anpassung der Wiener Bauvorschriften an den Klimawandel vorzunehmen sowie Verfahren zu vereinfachen bzw. zu beschleunigen. Der Bau & Immobilien Report zeigt die wichtigsten Änderungen und ihre Auswirkungen.

Der Großteil der geplanten Änderungen dient der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen wie der Verbesserung des Mikroklimas, der Aufenthaltsqualität und der ökologischen Vielfalt im öffentlichen Raum. Durch die Neuregelung der Stellplatzverordnung wird diese nunmehr flexibler ausgestaltet und es werden Parkplätze in Gewerbegebieten geschaffen. Verantwortlich für die Gesetzesentwürfe zeichnet Vizebürgermeisterin und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál, die in ihrer Pressearbeit folgende inhaltliche Schwerpunkte der Novelle hervorhebt:

  • Klimaschutz, Klimaanpassung und Energiewende
  • Entsiegelung und Stärkung der Grüninfrastruktur als natürliche Klimaanlage
  • Altbautenschutz und Regelungen zur Kurzzeitvermietung zur Bewahrung von leistbarem Wohnraum
  • Infrastruktur für die Mobilität der Zukunft

Die Überarbeitung der Wiener Bauordnung im Überblick

Die neuen Spielräume für das Vorragen von Wärmedämmungen und Dachbegrünungen ermöglichen Fluchtlinienüberschreitungen bis 20 cm bzw. Überschreitungen der bestehenden Gebäudehöhe um nicht mehr als 30 cm. In den Stellungnahmen zu diesem Absatz wird mehrfach kritisiert, dass für Kombinationen von Wärmedämmung, Rankgerüst und Bauteilaktivierung nicht genügend Spielraum vorgesehen ist, weshalb erhöhte Überschreitungsmöglichkeiten gefordert werden.

Beim Einbau von Flächenwärmeabgabensystemen bei bereits bestehenden Gebäuden wird nunmehr die Anforderung an die lichte Raumhöhe in Aufenthaltsräumen als erfüllt angesehen, wenn diese mindestens 2,4 m beträgt. Kühlsysteme, wie etwa eine Deckenkühlung, sind trotz ihrer steigenden Wichtigkeit in dieser Bestimmung nicht genannt, weshalb in den Stellungnahmen deren Einbeziehung angeregt wird.



Die neuen Rechtsgrundlagen für städtebauliche Verträge ermöglichen jetzt auch die Beteiligung von Planern, Entwicklern und anderen Dienstleistern. Unter anderem werden der Erhalt des Straßen­baumbestands, der Bestandsgebäude und die Vermeidung von Neubauten bzw. die sanfte Nachverdichtung als zentrale Planungsziele festgelegt.

Energieraumpläne dienen der geordneten, vorausschauenden Entwicklung der Energiebereitstellung, insbesondere von klimaschonenden Energieträgern (erneuerbare Energieträger, Abwärmenutzung und Fernwärme). Es wird damit die Rechtsgrundlage geschaffen, Fernwärmeausbaugebiete mittels Verordnung auszuweisen.

Aufenthaltsräume in Wohnzonen dürfen u. a. dann anderen Verwendungszwecken zugeführt werden, wenn zugleich anderer im gleichen Bezirk befindlicher, vergleichbarer Wohnraum geschaffen wird, der zum Zeitpunkt seiner Schaffung hinsichtlich der Wohnungsgröße, Ausstattung und der hierfür durchschnittlich fiktiv erzielbaren Miete gleichwertig ist. In den Stellungnahmen dazu wird u. a. kritisiert, dass sich der Ersatzwohnraum im selben Bezirk befinden und an einer fiktiven Miete orientieren muss.

Die Schwellenwerte für Einkaufzentren werden von bisher 2.500 m² auf 1.600 m² gesenkt. Dies soll der Flächenversiegelung entgegenwirken bzw. Geschäftsstraßen sowie Betriebszonen stärken.

Eine Abbruchbewilligung von Bauwerken ist in Schutzzonen und für Gebäude, die vor dem 1.1.1945 errichtet wurden, u. a. nur zu erteilen, wenn der Erhaltungszustand eines Gebäudes derart schlecht ist, dass die Instandsetzung technisch unmöglich ist oder nur durch wirtschaftlich unzumutbare Aufwendungen bewirkt werden kann. (Vorkriegs-)Bestandsgebäude sollen damit möglichst erhalten bleiben.

Laut geltender Bauordnung wird bei der Bewilligungspflicht für Fotovoltaikanlagen aufgrund brandschutztechnischer Erwägungen an das Fluchtniveau von 11 m angeknüpft. Nunmehr soll darauf verzichtet werden, während an der Bewilligungspflicht für Anlagen im Grünland-Schutzgebiet oder in Gebieten mit Bausperren festgehalten wird. 



Es gibt neue Ausnahmen von Bewilligungspflichten und Bauanzeigen, die vor allem Klimaanpassungsmaßnahmen betreffen, wie etwa den Schutz gegen sommerliche Überwärmung sowie die Begrünung der Bauwerke. Insbesondere wird geregelt, dass Erdwärmesonden außerhalb vom Grünland-Schutzgebiet sowie von Gebieten mit Bausperre auch genehmigungsfrei gestellt werden. Allerdings sind Erdbohrungen, die das Grundwasser beeinträchtigen können, jedenfalls wasserrechtlich zu genehmigen.

Fassaden- und Dachbegrünungen werden nunmehr gefördert, indem Rankhilfen über die Fluchtlinie bzw. Gebäudehöhe hinausragen dürfen.

Zur Verfahrensbeschleunigung und Verfahrenseffizienz soll für gewisse Bauführungen im bzw. über dem öffentlichen Raum im Sinn der Verfahrenskonzentration nunmehr eine Behörde alle rechtlichen Aspekte prüfen und einen Bescheid ausstellen. Welche Magistratsabteilung dafür im Einzelnen zuständig ist, wird in den Materiengesetzen sowie in der Geschäftseinteilung festgelegt.

Neue Regeln gibt es für die bauliche Ausnützbarkeit. Zukünftig sollen 15 vH statt 10 vH der Fläche des Bauplatzes, die 500 m² übersteigt, unverbaut bzw. unversiegelt bleiben. Nicht bebaute Flächen eines Grundstücks sind automatisch gärtnerisch auszugestalten und müssen zu zwei Dritteln unversiegelt bleiben. Auf einem Drittel sind Ausnahmen für befestigte Wege, Zufahrten und Rampen, Müllplätze, Fotovoltaikanlagen etc. möglich. 

Zukünftig darf der zulässige Gebäudeumriss durch technische Infrastruktur von hocheffizienten alternativen Systemen überschritten werden. Damit soll ermöglicht werden, möglichst viele Dächer für die Installation von Fotovoltaik zu nutzen. Die Einschränkung, dass »durch sie das örtliche Stadtbild nicht beeinträchtig wird«, engt allerdings den Anwendungsbereich dieser Regelung erheblich ein.



Die neue Bauordnung regelt, dass jede Maßnahme der Einzelbauteilsanierung oder Änderung am gebäudetechnischen System die Anforderungen an größere Renovierungen erfüllen muss. Maßnahmen der Einzelbauteilsanierung oder Änderung am gebäudetechnischen System sind von jedem Miteigentümer eines Gebäudes zu dokumentieren. Wenn für das Bauwerk ein Bauwerksbuch angelegt ist (§ 128a), hat die Dokumentation im Bauwerksbuch zu erfolgen.

Die Regelungen von Kurzzeitvermietungen wurden konsequent weiterentwickelt, um so kostbaren Wohnraum dem Wohnungsmarkt nicht dauerhaft zu entziehen. Bis zu 90 Tage im Jahr kommt es zu keinen Einschränkungen, um beispielsweise bei einer urlaubsbedingten Abwesenheit die Wohnung mittels Home-Sharing weiterhin zu nutzen. Darüber hinaus sind Kurzzeitvermietungen nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

Novellierung des Wiener Garagen­gesetzes

Die Genehmigungsfreistellung für Ladepunkte unter 23 kW Ladeleistung sowie die Möglichkeit, Flugdächer mit PV-Anlagen ausgestalten zu können, sind wesentliche Beiträge zur Verfahrensvereinfachung. Auch der Umfang der Stellplatzverpflichtung wird neu geregelt. Es wird eine sachlich differenzierte Stellplatzverpflichtung gemäß einem Zonenmodell eingeführt. Darüber hinaus kommt es zu einer teilweisen Herabsetzung der Stellplatzverpflichtung auf Grundlage der Erreichbarkeit der Liegenschaften mit öffentlichen Verkehrsmitteln, ohne dass dafür Änderungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes notwendig sind.

Die Stellplatzverpflichtung gilt zukünftig auch dann als erfüllt, wenn die erforderliche Anzahl von Pflichtstellplätzen in entsprechendem Ausmaß außerhalb des Bauplatzes in einem Umkreis von zirka 500 m errichtet wird und die Einstellmöglichkeit vertraglich sichergestellt ist.

Der Weg zur Umsetzung der Novelle

Der Entwurf zur Bauordnungsnovelle 2023 wurde über den Sommer zur öffentlichen Begutachtung ausgegeben und wird im Herbst 2023 mittels Regierungsvorlage dem weiteren Gesetzgebungsverfahren zugeführt. Bis Ende des Jahres sollen die Novellen zur Wiener Bauordnung und zum Garagengesetz im Landtag beschlossen werden.

(Fotos: iStock)

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