Mittwoch, Mai 01, 2024
»Eine Rückkehr auf ein früheres Preisniveau ist unmöglich«
Gerald Höninger, Geschäftsführer der Dywidag. (Credit: Dywidag)

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Dywidag-Geschäftsführer Gerald Höninger über einen sich zuspitzenden Wettbewerb, Preis­treiber und Trittbrettfahrer sowie den großen Stellenwert von Partnerschaftsmodellen bei Dywidag.

Die Bauwirtschaft kommt aus einer absoluten Boomphase, jetzt wird in vielen Bereichen aber fast eine Vollbremsung hingelegt. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation?

Gerald Höninger: Diese Phasen hat es früher auch schon gegeben, allerdings nicht in derart kurzfristiger Abfolge. Dazu kamen Covid und Ukraine-Krieg und nun ein plötzlicher Rückgang in manchen Bereichen. Diese raschen Veränderungen muss man erst bewältigen können. Die Folgen zeigen sich vor allem beim Wohnbau. Zu den sehr hohen Baukosten, die wir als ausführendes Unternehmen nur bedingt beeinflussen können, änderten sich auch die Rahmenbedingungen hinsichtlich Zinsen und Kreditvergaberichtlinien. Damit kam der Wohnbau massiv unter Druck. Bei Dywidag haben wir noch einen sehr guten Auftragsstand und konnten die Reduktionen im Wohnbau durch andere Sparten im Hochbau bisher gut ausgleichen.

Mit welcher kurz-, mittel- und langfristigen Entwicklung rechnen Sie für die Bauwirtschaft allgemein und für Dywidag im Speziellen?

Höninger: Kurzfristig ist eine Verdichtung des Wettbewerbes zu bemerken, da jene Unternehmen die fast ausschließlich auf dem Wohnbausektor tätig waren, nun in andere Sparten ausweichen. Ich rechne mit einer Entschärfung der Situation im Laufe des nächsten Jahres.

Leider trägt die massive Lohnerhöhung am Bau zu einer Befeuerung der Inflation bei. Diese Kostensteigerungen sind leider irreversibel. Daher ist eine Rückkehr auf ein früheres Preisniveau schon aus diesem Grund nicht mehr möglich. Ich glaube jedoch, dass sich bei den Materialpreisen Reduktionen ergeben werden, spätestes wenn die Nachfrage unter eine kritische Marke fällt. Das erwarte ich beginnend im kommenden Herbst. Zu Viele haben die Gunst der Stunde, den allgemeinen Trend zur Preiserhöhung, genutzt und auch ihre Preise unbegründet erhöht.

Ich denke, dass hier sehr viele Rädchen der ursprünglichen Preisspirale auch wieder Reduktionen ermöglichen. Aber der Leidensdruck ist noch nicht groß genug dafür. Auch halte ich weitere Korrekturen bei Kreditvergaben für wahrscheinlich, da es letztlich auch politisch nicht zu vertreten ist, den Wohnbau völlig abzuwürgen. Leistbarer Wohnraum wird dringend benötigt.

In einem Interview mit Kollegin Sonja Meßner von der Bauzeitung im letzten Sommer haben Sie erwähnt, dass ein Drittel Ihrer Projekte als Partnerschaftsmodelle ausgeführt werden. Das ist für Österreich erstaunlich viel. Warum dieser Fokus und welche Modelle bevorzugen Sie für welche Art von Projekten?

Höninger: Das ist ein sehr hoher Wert, der aus der Zeit des Baubooms stammt. Besonders in dieser Zeit konnten wir als Generalunternehmer unseren Stammkunden durch frühzeitige Einbindung bereits während der Planungsphase helfen, Projekte zu optimieren und damit wirtschaftlich baubar zu machen. Wir sind flexibel was die Modelle betrifft. Bewährt haben sich GMP mit Gewinnbeteiligung und cost and fee im Open-Book-Verfahren.

Asfinag und ÖBB haben gerade erst ihre ersten Pilotprojekte zum Thema Allianzvertrag gestartet. Wie viel Überzeugungsarbeit ist bei den Auftraggebern in Sachen Partnerschaftsmodelle noch zu leisten?

Höninger: Öffentliche Auftraggeber stehen am Beginn dieser neuen Denkweise. Es kann gar nicht genug Überzeugungsarbeit geleistet werden, da die Baubranche aus einer Zeit überbordenen Claim-und Anticlaimmanagements kommt und die Vertragspartner plötzlich hohes gegenseitiges Vertrauen haben sollen. Das ist naturgemäß schwierig und bedarf einer langen Phase der Annäherung. Erst wenn sich Erfolge messen lassen und auch große Skeptiker die Vorteile erkennen, wird ein Umdenken stattfinden. Die Denkweise mancher Auftraggeber, wonach Auftragnehmer zwar Gewinne machen sollen, um ein stabiler Vertragspartner zu sein, aber bloß nicht beim eigenen Projekt, muss endlich ein Ende haben. Ziel muss ein gemeinsames Gewinnen oder, falls nicht vermeidbar, auch ein gemeinsames Verlieren auf Augenhöhe sein.

»Beim Projekt Quadrill (oben) wird BIM seit Beginn eingesetzt«, sagt Gerald Höninger, der davon ausgeht, dass in der Verknüpfung mehrerer Disziplinen wie BIM, Lean oder KI die Zukunft der Bauwirtschaft liegt. (Foto: gregor_hartl_photography)

Ein aktuelles Trendthema ist Lean Construction. Ein prominenter Mitbewerber ist stolz, dass »jede Baustelle lean« ist. Wie lean sind die Baustellen der Dywidag?

Höninger: Lean Construction ist natürlich ein Hype geworden, der sich wunderbar verkaufen lässt. Wir bedienen uns ebenso dieser Form der Projektkoordination, die ihre Vorteile bietet. Wir haben in der Anwendung jedoch gesehen, dass der regelmäßige Soll/Ist-Vergleich im üblichen Wochenrhythmus in der Regel zu weitmaschig ist und die tägliche Detailkoordination es ist, die den Erfolg sicherstellt. So zu arbeiten, sind wir ohnehin seit jeher gewohnt.

Letztlich liegt der Projekterfolg wie immer in den Händen von qualifizierten Mitarbeiter*innen, ohne die auch das beste Lean Management den Erfolg nicht bewirken könnte. Die Zukunft von Lean muss jedoch weiter als nur bis zum reinen Ablaufmanagement gedacht werden und die gesamte Wertschöpfungskette beinhalten, z. B. auch das Ressourcenmanagement.

Ein weiteres Trendthema ist ESG/Nachhaltigkeit. Wo hat sich aus Ihrer Sicht das Bauen in den letzten Jahren durch den Nachhaltigkeitstrend am stärksten verändert?

Höninger: In den vergangenen Jahren wurde bereits eine Vielzahl an ESG-Kriterien aus den Bereichen Social und Governance umgesetzt. Ob das Arbeitssicherheit, faire Arbeitsbedingungen oder Compliance anbelangt, sind die Standards mittlerweile sehr hoch. Die größte Herausforderung ist der Bereich Environmental.

Uns begegnet dieses Thema – abgesehen von der bevorstehenden Umsetzung der EU-Taxonomie-Verordnung – in Form von Zertifizierungen der Projekte. Ein Zertifikat ist heute Voraussetzung für eine Projektfinanzierung bzw. wird auch von Investorenseite verlangt. Aber auch neue Technologien der Energieversorgung von Gebäuden bringen bemerkenswerte Veränderungen. Beispielsweise der Bau eines Eisspeichers für die CO2-neutrale Heizung und Kühlung einer Wohnanlage, wie wir sie gerade in München realisieren.

In den letzten Jahren war der Fachkräftemangel eines der zentralsten Themen der Branche. Wird der Druck durch die abflauende Baukonjunktur jetzt etwas herausgenommen?

Höninger: Das ist zu erwarten. Gerade im Bereich Wohnbau bzw. auf Seiten mancher Bauträger sind bereits Ressourcen frei geworden. Vielleicht ist mit der spürbaren Konjunkturentwicklung im Moment auch keine so große Bereitschaft mehr zum Jobwechsel gegeben und der Wert eines stabilen Arbeitgebers wird wieder hoch geschätzt. Von einer Trendumkehr kann man zwar nicht sprechen, aber die Chance, Mitarbeiter*innen zu finden, steigt. Dazu sind weiterhin große Anstrengungen notwendig – Stichwort Employer Branding.

Sie feiern heuer Ihr 50-jähriges Jubiläum. Was unterscheidet Dywidag von anderen Unternehmen?

Höninger: Wir blicken auf 50 Jahre Erfahrung zurück. Dywidag ist ein Unternehmen der Bauindustrie und als ehemalige Tochter eines deutschen Konzerns konzernstrukturiert aufgebaut. Wir hatten in den Jahren 2005 und 2020 Eigentümerwechsel. Heute gehören wir zur Tiroler Bodner-Gruppe, wobei Dywidag über die Jahrzehnte bis heute unverändert eigenständig geblieben ist.

Wir sehen die Partnerschaft, die wir unseren Kunden bieten, als sehr nachhaltig. Dazu zählt eine ausgeprägte Unternehmenskultur, die den Mitarbeiter*innen die Basis für ein angenehmes Arbeitsumfeld bietet. Das sehen wir beispielsweise in äußerst guten Arbeitgeberbewertungen. Das wiederum ist Voraussetzung für die qualitätsvolle und kompetente Abwicklung von komplexen Bauvorhaben. Wir verfügen über eine hohe Expertise in der Realisierung von mittleren und großen Projekten des Hochbaus, speziell als General- oder Totalunternehmer.

Welche Pläne haben Sie für die nächsten Jahre?

Höninger: In der Digitalisierung sehen wir ein enormes Potenzial für Prozessoptimierungen. Wir haben hier bereits große Schritte getätigt und die Entwicklung wird auch weiter voranschreiten, um den Anforderungen an ein modernes Unternehmen der Zukunft gerecht zu werden. Dazu zählt natürlich auch BIM. Da sind jedoch noch große Anstrengungen erforderlich, um einheitliche Standards für die Durchgängigkeit der Daten zu schaffen. Wir haben derzeit Pilotprojekte laufen, wie beispielsweise das Quadrill in der Linzer Tabakfabrik, ein Eigenprojekt der Bodner-Gruppe, wo BIM von Beginn an bereits hochprofessionell angewendet wird. Gerade die Verknüpfung mehrerer Disziplinen wie BIM, Lean und KI wird die Zukunft der Bauwirtschaft maßgeblich prägen.

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