Samstag, Mai 04, 2024

Lange war der Osten für die Immobilienbranche das gelobte Land.Dann kam die Ernüchterung. Aber was kommt jetzt? Warum die Ostfantasie weiter lebt, wie sich die Branche behaupten will.


Go east! Erst mit der EU-Osterweiterungsrunde rückte der Slogan in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit und wurde zum Schlachtruf und zur Verheißung. Dabei war vor allem die Finanzwirtschaft schon lange dort. Raiffeisen gilt als Early Bird unter den Ostpionieren und startete in Ungarn schon 1987. Mauerfall und Wende waren noch Zukunftsmusik. Als Erste-Chef Andreas Treichl zehn Jahre später den »erweiterten Heimmarkt« definierte und bei der Ostexpansion den Turbo zuschaltete, galt er fast schon als Nachzügler. Ebenso wie die Uniqa, die bedingt durch Fusionen und Konzernumbauten überhaupt erst seit 1999 im Osten so richtig Gas gibt. Mit dabei im Tross von Banken und Versicherungen: die heimische Immobilienwirtschaft. Diese ist im Osten schon so lange aktiv, dass die ersten Player fast vergessen oder Geschichte sind. Der Bauriese Maculan etwa, ein frühes Role-Model für wahnwitzige Expansion, überlebte schon die erste Russlandkrise nicht. Pech für Maculan, denn viele Ostpioniere verdienten wie im Goldrausch. Solitäre Einzelobjekte wechselten seit der Wende zum dutzendsten Mal ihren Besitzer – und jeder Investor machte den goldenen Schnitt. In Zeiten der Bonanza glühten die Erträge. Unter 15 bis 20 % Jahresrendite griffen die Developer ein Projekt nicht einmal an, die Immo-Fonds gaben es nicht viel billiger. Als sich 2007 in Vorahnung auf die Subprime-Krise die ersten Wolken über dem amerikanischen Immobilienmarkt zusammenbrauten, war der Goldrausch im Ostimmo-Business schon lange vorbei.

 


Die Spitzenrenditen im Büromarkt pendelten damals in einer Bandbreite von etwa 6 bis 8 % (siehe Grafik). Im Zuge der Bankenkrise rückte das starke Ost­engagement der heimischen Wirtschaft in den Fokus internationaler Beobachter. Aus der fernen und abgehobenen Perspektive des angelsächsischen Raums stand die Republik schon kurz vor dem Staatsbankrott. Der IWF leistete mit seinem »Global Financial Stability Report 2009« tapfer Schützenhilfe – und blamierte sich damit bis auf die Knochen. IFW-Chef Dominique Strauss-Kahn musste peinliche Rechenfehler eingestehen und trat den demütigenden Canossagang an. Was folgte, war eine öffentliche Entschuldigung bei Finanzminister Josef Pröll. Trotz aller durch die Bankenkrise ausgelösten massiven Verwerfungen lagen die Spitzenrenditen im Ost-Büromarkt 2009 schon wieder über denen aus 2007. Der Gesamtmarkt hinkt hier hinterher, aber es besteht schon wieder Hoffnung. Vor allem entwickelte Märkte wie Polen oder Tschechien sollten mittelfristig wieder an das Niveau von 2007 anschließen können.
Von Euphorie sind die Marktteiler aber meilenweit entfernt. »Sollte die Stabilisierung – ausgehend vor allem von Deutschland – greifen, sind steigende Mietpreise zu erwarten, da wenig Angebot am Markt ist und aktuell auch wenig entwickelt wird. Inwieweit die Renditen wieder fallen werden, hängt von der Finanzierungsfreudigkeit der Banken ab. Da derzeit viel Cash im Umlauf ist, stehen die Zeichen dafür aber gut«, sagt etwa CA Immo-Boss Bruno Ettenauer. Langfristige Fundamentaldaten machen Osteuropa nach seiner Einschätzung nach wie vor zu einem interessanten Markt.

Realismus pur
Auch Immofinanz-Sanierer Eduard Zehetner deutet in öffentlichen Äußerungen nicht mehr als zarten Optimismus an. Die Investoren werden es danken – und warten lieber darauf, wie sich die jüngst geglückte Verschmelzung von Immofinanz und Immoeast entwickeln wird. Von fieberhaften Ostfantasien der Marke Makulan oder Meinl hat das Anlegerpublikum die Nase ohnehin gestrichen voll. So sind auch die Markteinschätzungen der Immorent von Realismus getränkt. Der Ost-Immomarkt präsentiert sich demnach als nach wie vor volatil. Eindeutige Indikatoren, wohin die Reise gehe, gäbe es derzeit nicht. Aber das Stimmungsbarometer steht auf Grün. Verortet werden »Zuversicht und viel Hoffnung«. Dank der jahrzehntelang gewachsenen und intimen Marktkenntnis der Österreicher wird trotz Krise gepunktet. »Aufgrund der guten Qualität unserer Objekte gelingt es uns auch im zurzeit schwierigen Marktumfeld, attraktive Mieter zu finden und zu halten. Ein Beispiel ist der kürzlich abgeschlossene Mietvertrag mit dem polnischen Landwirtschaftsministerium im Warschauer Poleczki Business Park, der 2009 die größte Transaktion am polnischen Immobilienmark war«, kann etwa CA-Immo-Boss Bruno Ettenauer vermelden. Dass damit zwei Drittel der Gesamtfläche von 16.500 Quadratmetern noch vor Fertigstellung bereits fix vermietet sind, ist ein angenehmer Nebeneffekt. Und der Lohn für ein vernünftiges Maß an Risiko.


Dank der jahrzehntelangen Marktkenntnis wird dieses von den Österreichern zumeist auch richtig eingeschätzt. Man kennt die speziellen Usancen, Fallstricke und Entscheidungsstrukturen der jeweiligen lokalen Märkte und weiß, wie sie funktionieren. Die Immobranche hat so selbst die aufregenden Zeiten der 90er umschifft, als der Osten wirklich noch der »Wilde Osten« war. Wer sich, wie etwa die zwangsverstaatlichte Hypo Alpe-Adria, zu sehr in zweifelhafte Immo-Deals verstrickte, tat das wohl sehenden Auges. Und bekommt dafür früher oder später die Rechnung präsentiert. Die wirklich wilden Zeiten sind aber ohnehin vorbei. Ganz ausgestanden sind der Nervenkitzel und die Nebenwirkungen jedoch noch nicht. Die Immorent-Mann Karl Brückner beschreibt das so: »Durch die Krise und andere Faktoren hat die Rechtssicherheit in diversen Märkten leider auch nicht an Vertrauenswürdigkeit gewonnen.« Details spart Brückner aus. Innerhalb der EU-Grenzen gelten etwa die Balkanstaaten als »Problembären«. Wohl nicht ganz umsonst wurde die designierte bulgarische Neo-Kommissarin Rumjana Schelewa wegen vermuteter mafiöser Verstrickungen ihres Ehemannes vom EU-Parlament rundweg abgelehnt – ein beinharter Affront gegenüber dem von Korruption gebeutelten Mitgliedsstaat. Hinter den EU-Grenzen ist der Osten noch wirklich wild. Wer zwischen Kiew, Moskau und Kasachstan bestehen will, muss sich den »Marktgegebenheiten anpassen«. So umschreibt das nobel ein Insider, der lieber nicht genannt werden will.

Uneinheitlicher Osten

So etwas wie den »Osten« gibt es nicht. Verschuldung, Nachholbedarf, Preise und Marktlage sind je nach Land verschieden. Die aktuellen Eckdaten für die wichtigsten Länder:
Ungarn: Eine Finanzspitze von 20 Milliarden Euro durch EU und IWF haben den Staatscrash gerade noch verhindert. Nach einem harten Sparkurs kann sich das Land wieder regulär finanzieren, aber Euphorie sieht anders aus. Die Sparprogramme drücken den Konsum, was sich wiederum auf den Retailsektor auswirkt. Bei Büromieten rangiert Budapest noch immer im Spitzenfeld, bei den Leerständen freilich auch.
Polen: Eine vergleichsweise restriktive Wachstumspolitik und der Verzicht auf Kreditexzesse haben sich für das sechstgrößte EU-Land gelohnt. 2009 wird Polen als einziges EU-Land ein BIP-Wachstum verzeichnen, das mit geschätzten 1,7 % noch über den Erwartungen liegt. Die Nachfrage im Immo-Bereich sollte mittelfristig wieder das Niveau von 2007 erreichen.
Tschechien: Wie sein Nachbar Polen zählt auch Tschechien zu den »etablierteren« Immo-Märkten. Und ebenso wie dort hört man von einem positiven Trend, der in den letzten Monaten bereits spürbar geworden ist. Die Situation in billigeren Bürolagen bleibt angespannt, Top-Lagen erzielen weitgehend stabile Spitzenmieten.
Russland: Russland, und hier vor allem Moskau, bleibt ein heißes Pflaster. Wie »normale« Moskowiter bei den Mondpreisen überleben können, ist ohnehin ein Rätsel. Da können die Nächtigungszahlen noch so sehr zurückgehen, der Hotelmarkt lukriert nach wie vor einen Durchschnittsertrag von 84 Euro pro Zimmer. Doppelt so viel wie im auch schon teuren Prag. Krise hin, Rubelschwäche her: In Moskau oder St. Petersburg explodierten die Renditen auch 2009.

Büromarktentwicklung
    Spitzenmiete    Leerstand    Spitzenrendite    Spitzenrendite
    (in /m²)        Dez. 2009    Dez. 2007
Moskau     30-40     19 %     12,00 %     7,5 %
St. Petersburg     25-30     25 %
Warschau     21-23     7 %     6,75 %     6,25 %
Prag     19-21     11 %     7,00 %     5,4 %
Budapest     20-22     16 %     8,00 %     6,75 %
Bukarest     18 -22     13 %     9,50 %     6,75 %
Sofia     14-21     19 %     9,50 %     8 %
Belgrad     16-18     22 %     9,50 %     8,25 %
Bratislava     15 -17     12 %     7,50 %     6,25 %

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