Samstag, Juli 27, 2024

Mehr als die Hälfte der Energie in EU-Haushalten wird für die Raumwärme benötigt, auch der Aufwand für Kühlung nimmt zu. Gefragt sind innovative Lösungen rund um Heizung, Lüftung und Klimatisierung. 

Ohne passive Maßnahmen könnte sich der Kühlbedarf laut Klima- und Energiefonds bis 2050 beinahe verzehnfachen. Schon mit wenigen Handgriffen lässt er sich um zwei Drittel senken, dazu zählen Gebäudebeschattung, Bauteilaktivierung und Nachtlüftung. Es gibt bereits großflächige Anwendungen – Hochdruck-Wärmespeicher entkoppeln Wärmeerzeugung und -verbrauch, Großwärmepumpen versorgen Haushalte mit umweltfreundlicher Fernwärme, hochmoderne Power-to-Heat-Anlagen koppeln Strom- und Fernwärmenetz. Wien Energie nennt die Firma Manner, die ihre Abwärme aus Backprozessen in das lokale Fernwärmenetz einspeist.

HLK immer aktuell

Angesichts der steigenden Betriebskosten für Gebäude ist das Thema Energieverbrauch von größter Bedeutung. »Durch die smarte Vernetzung aller Gewerke im Gebäude kann eine bedarfsgerechte Steuerung des gesamten Komplexes realisiert und deutliche Einsparungen für alle Wohneinheiten erzielt werden«, spricht Stefan Kleinhans, Leiter des Geschäftsbereichs Electrification der ABB in Österreich, Herausforderungen der HLK an. Sanierung brauche besonders durchdachte Lösungen, um der meist hohen Komplexität der individuellen Gegebenheiten gerecht zu werden.

»Vaillant bietet hier z. B. mit der Mini-Wärmepumpe geoTherm 3kW für Wohnungen eine dezentrale Warmwasser-Heiz-Lösung«, informiert Christian Buchbauer, Leiter Produktmanagement in der Vaillant Group Austria und führt als Projektbeispiel den großvolumigen Altbau Fennerstraße in Innsbruck an. Eine große Wärmepumpe am Dach leitet zunächst Sole mit rund 20 °C Vorlauftemperatur in einem Kreislaufsystem in die einzelnen Wohnungen. Dort sorgen Mini-Wärmepumpen mit geringem Energieaufwand dafür, dass Heizungs- und Brauchwasser auf die individuelle Nutzungstemperatur gebracht werden. Hohe Temperaturverluste bei der Zirkulation können damit vermieden werden.

Mit einem fünf Hektar großen Erdwärmesondenfeld wird Wien Energie ab 2027 rund 2.000 Wohnungen, Gewerbeflächen und Nahversorgungs- sowie Kinderbetreuungs- und Bildungseinrichtungen im Village in Wien mit Wärme und Kälte versorgen. (Bild: Wien Energie)

Seit 15 Jahren baut Wien Energie seine Fernkälte aus, ein System beruhend auf Kompressions- und Absorptionskältemaschinen sowie Bauteilaktivierung und Gebläsekonvektoren, sogenannten Fan Coils. Bis 2025 soll in der Wiener Innenstadt ein Kältering entstehen, wo Kompressions- und Absorptionskältemaschinen zum Einsatz kommen.

Gekühltes Wasser wird zu den Gebäuden transportiert und über hauseigene Kühlsysteme verteilt. Bauteilaktivierung bzw. Gebläsekonvektoren temperieren die Räume. Bauteilaktivierung ist auch ein Stichwort für Pipelife. »Damit lassen sich Grundheiz- und Kühllasten abdecken«, betont Geschäftsführer Frank Schneider und verweist auf die Systeme CDP 400 und Bluebee, die vor allem in abgehängten Decken, in Neubau wie Sanierung, Wohn- wie Bürobau eingesetzt werden.

HLK im Hintergrund

Der intelligente Ablauf von HLK ist wesentlich für Christian Buchbauer. Es sei entscheidend, dass ein ganzheitliches System eingebaut wird, das automatisiert auf die verschiedenen Bedürfnisse der jeweiligen Nutzer*innen eingeht und das optimale Energiesetup fast schon unbemerkt im Hintergrund regelt, laufend optimiert sowie überwacht. »Wir sind heutzutage schon beinahe gewohnt, dass diese Dinge ohne unser Zutun automatisch funktionieren.« Vielfach unbemerkt erfolgt die Einbindung smarter Gewerke.

Stefan Kleinhans spricht unter anderem eine Kooperation mit Samsung an, um auch deren Geräte in die typische Gebäudeautomatisierung einbinden zu können. Kooperationen ermöglichen, ein breites Spektrum an Energieverbrauchern anzusteuern und auszuwerten, von der AC-Wandladestation für das Elektroauto über die klassische Installation bis hin zu Jalousie, Heizung, Kühlung, Multimedia und smarten Haushaltsgeräten.

Die Vernetzung aller Gewerke ist entscheidend für Stefan Kleinhans, denn erst das bedarfsgerechte Zusammenspiel der Gebäudeautomation ermöglicht eine erhebliche zusätzliche Einsparung von Energie und damit auch von CO2. »Mit ABB Cylon bieten wir eine skalierbare Gebäudeautomation, um den heutigen Anforderungen nach leistungsstarken und ressourcenschonenden kommerziellen smarten Systemen gerecht zu werden. Dabei arbeiten wir mit offenen Protokollen und cloudbasierten Werkzeugen für die Energieanalyse.« Daneben verweist er auf die Einbindung von BrainBox AI in das Portfolio für smarte Gebäude. Die Deep-Learning-Software senkt Energiekosten um bis zu 25 Prozent und CO2-Emissionen um bis zu 40 Prozent.

Die CDP 400 Paneele von Pipelife vereinen Heizen und Kühlen. (Bild: Pipelife)

Komfort hinsichtlich Temperatur und Luftfeuchtigkeit schafft zudem der FusionAir Smart Sensor von ABB. AI erwähnt auch Frank Schneider, Pipelife. »Ein Beispiel ist unser neuer Stellantrieb EGO für Flächenheizungen, der bis zu 17 Prozent Energieeinsparung ermöglicht und die Energieeffizienz von bisher schlecht hydraulisch abgestimmten Heizsystemen verbessert.« Möglich mache das der Einsatz von KI, da der Stellantrieb die Vorlauf-, Rücklauf- und Raumtemperatur des jeweiligen Heizkreises permanent berücksichtigt. 

Agieren ist gefragt

»Effiziente Gebäudetechnik zu betreiben ist wichtig, aber entscheidend ist das Verhalten der Nutzer«, nennt Alexander Redlein, Leiter der Forschungsgruppe Immobilien und Facility Management an der TU Wien, einen Punkt, der bei Gebäudetechnik nie vergessen werden darf. Gemeinsame Versuche mit der Universität Stanford haben bewiesen, dass intelligentes Mitdenken die Grundlage für Wohlfühlen in Wohn- und Büroraum sowie nachhaltiges Leben ist. Gebäudeleittechnik dürfe den Menschen nicht regulieren, es sei keine Lösung, sich auf kontrollierte Wohnraumbelüftung zu verlassen.

Redlein bezieht sich auf Schimmelbildung ebenso wie z. B. Überhitzung. Menschen geben Feuchtigkeit ab, mit intelligentem Lüften können sehr einfach optimale Luftkonditionen im Raum geschaffen werden. Nachtlüftung ist dabei eine wirkungsvolle Maßnahme gegen überhitzte Räume. Es sei sehr wichtig, den Menschen einzubeziehen und auf seine Intelligenz zu bauen. In Bürogebäuden sei es dagegen manchmal schon so, dass angesichts der Mitarbeiterdichte und der Wärme des Equipments sogar im Winter bereits die Klimaanlage läuft. »Das wird im Sommer immer schlimmer werden.«

(Titelbild: iStock)

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