Donnerstag, April 25, 2024

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report erklärt der Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Beton- und Fertigteilwerke (VÖB) und Vorsitzender des Vereins Betondialog Österreich (BDÖ), Anton Glasmaier, wie der BDÖ neu aufgestellt wird, wie er den VÖB stärker in den Unternehmen verankern will und welche Eingriffe der Politik es in der aktuellen Situation braucht.

Das erste Halbjahr 2022 ist für Ihre Mitgliedsunternehmen aufgrund der guten Auftragslage aus 2021 gut gelaufen. Aktuell fürchten aber viele auch am Bau eine Eintrübung, bedingt durch die hohen Energiekosten und steigenden Baupreise. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein?

Anton Glasmaier: Viel wird von den EU-Energieministern und ihrer Entscheidung über eine Preisdeckelung abhängen. Vor allem Strom ist in unserer Branche ein großes Thema, Gas weniger weil sich die Zementindustrie schon weitgehend von Gas verabschiedet hat. Aus der Sicht der Beton- und Fertigteilindustrie könnten außerdem Abgaswerte bzw. ihre Überschreitung in nächster Zeit zu einem Thema werden.

Sollte es zu weiteren Preissteigerungen kommen, wird es für die ganze Branche schwierig. Es ist mehr als fraglich, ob die gesamte Lieferkette die Kostensteigerungen weitergeben kann. Entweder es trifft jemanden in der Lieferkette, dann droht diese unterbrochen zu werden, die Belastungen werden auf mehrere Marktteilnehmer aufgeteilt oder aber der Bauherr muss letztendlich zahlen.

Wie bewerten Sie die einzelnen Bereiche? Hat etwa der Infrastrukturbau das Potenzial, den Abschwung abzufedern?

Glasmaier: Die einzelnen Bereiche gestalten sich tatsächlich sehr unterschiedlich. Der geförderte Wohnbau ist schon stark unter Druck. Auch bei privaten Bauträgern stellt sich die Frage, wie lange die Nachfrage noch anhält und sich etwa Vorsorgewohnungen noch veräußern lassen. Auch bei den Häuslbauern wird es mit Sicherheit Eintrübungen geben. Der Infrastrukturbau ist tatsächlich derzeit noch eine Konstante, das sind langfristige Projekte, die auf Schiene sind, dasselbe gilt für den Büro- und Industriebau. Auch Gemeinden und Länder investieren noch. 

Herausforderungen gibt es aktuell viele, von den steigenden Kosten über den Fachkräftemangel bis zu den gestiegenen Anforderungen in den Bereichen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Wo drückt der Schuh bei Ihren Mitgliedsunternehmen aus Ihrer Sicht am stärksten?

Glasmaier: Der Fachkräftemangel trifft uns glücklicherweise weniger als andere Branchen. Die Unternehmen bieten sehr attraktive Arbeitsplätze und innovative Arbeitszeitmodelle, bei denen etwa jede zweite Woche eine Viertagewoche ist. Die Nachhaltigkeit hingegen beschäftigt uns sehr stark. Wir haben deshalb im VÖB auch eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet, um Best Practices sichtbar zu machen und Quick Wins aufzuzeigen.

Im Bereich Energie und CO2 gibt es weitere Stellschrauben, an denen auch die Unternehmen drehen können. Da arbeiten wir auch eng mit der Zementindustrie zusammen, um die richtigen Hebel zu finden. Wir machen uns Gedanken, wie wir weniger Zement im Beton und weniger Beton im Fertigteil einsetzen können, ohne an Qualität zu verlieren. Damit bleiben wir auch in Zeiten der Ressourcenknappheit lieferfähig. Auch bei der Produktions- und Heizenergie sind sicher noch Optimierungen möglich.

Sie haben mit Anfang August die Geschäftsführung des VÖB übernommen. Was sind Ihre wichtigsten Pläne und Ziele? Woran soll man Ihre Handschrift erkennen?

Glasmaier: Mein Ziel ist, den VÖB breiter aufzustellen und noch stärker in den einzelnen Unternehmen zu verankern. In der Vergangenheit haben wir uns sehr auf die technischen Bereiche und Normen konzentriert. Da haben wir auch sehr viel weiter gebracht. Jetzt gehen wir weitere Themen an, etwa die Arbeitssicherheit. Da wollen wir neue Standards schaffen. Bis Ende des Jahres wird der VÖB 45 Schulungen gestaltet haben. Auch das Thema mineralische Restmassen soll einen noch größeren Stellenwert bekommen, Stichwort Kreislaufwirtschaft.

Sie haben auch den Vorsitz im Verein Betondialog Österreich übernommen. Wie sehen hier Ihre Pläne aus?

Glasmaier: Im BDÖ wird es eine zeitgemäße Neuausrichtung geben. Deshalb soll es in Zukunft einen Kommunikations­manager geben, der die Öffentlichkeitsarbeit koordiniert und mit den einzelnen Branchenvertretungen abstimmt. Dazu werden Sebastian Spaun als Geschäftsführer der Vereinigung der österreichischen Zementindustrie VÖZ, Christoph Ressler als Geschäftsführer des Güteverbands Transportbeton und ich als VÖB Geschäftsführer die Sprecherfunktionen je nach Thema übernehmen.

Wir wollen proaktiv und selbstbewusst Diskussionen gestalten. Beton ist auch für die Energie- und Mobilitätswende ein unverzichtbarer Baustoff, der mit seinen langlebigen und nachhaltigen Eigenschaften bei Staumauern und Eisenbahntunneln einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Wir wissen aber auch, dass die Dekarbonisierung des Bau­stoffs Beton in unserer Verantwortung liegt. Wir arbeiten intensiv an der CO2-Reduktion und auch an schlankeren Strukturen, ganz im Sinne der Materialeffizienz. Da müssen wir uns nicht verstecken. Hier gilt es, das Potenzial der gesamten Wertschöpfungskette Bau zu heben, wofür ein offener und ehrlicher Dialog die Basis ist.

(Titelbild: Stefan Seelig/VÖB) 


VÖB - Konjunkturbarometer

Die österreichische Beton- und Fertigteilindustrie blickt auf ein relativ stabiles erstes Halbjahr 2022 zurück. 54 % der vom VÖB befragten Unternehmen meldeten eine Umsatzsteigerung um durchschnittlich 14 %. Das Umsatzwachstum ist in erster Linie auf die Weitergabe der gestiegenen Rohstoff und Energiepreise (siehe Grafik unten) sowie auf den Zugewinn neuer Kunden und den Ausbau des Leistungs- und Produktportfolios zurückzuführen. Jedes sechste Unternehmen der Branche meldete aber Umsatzrückgänge um durchschnittlich 17 % . Als Gründe für den Umsatzrückgang werden eine schlechtere Auftragslage, Rohstoffknappheit sowie gestiegene Preise für Vorprodukte und Energie genannt. Das zweite Halbjahr wird sich für 58 % der Unternehmen »eher bis sehr zufriedenstellend« entwickeln. Mehr als ein Drittel der Befragten (35 %) spricht gleichzeitig von einer »weniger zufriedenstellenden« Entwicklung. Gleichzeitig rechnen 48 % der Befragten mit fallenden Umsätzen im zweiten Halbjahr 2022. 

 

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