Samstag, April 27, 2024
Ein Blick in die Zukunft der Gebäudehülle

Ökologisch, klimafreundlich, recycelbar und möglichst lange haltbar. Mit diesen Schlagworten lassen sich die Anforderungen an eine moderne, zukunftsfitte Gebäudehülle am besten zusammenfassen. Doch was bedeutet das für die Produzenten von Fassadenmaterial, die Ziegel-, Holz- und Beton- sowie die Dämmstoffindustrie? Neue Materialien werden zum Einsatz kommen müssen ebenso wie neue Verarbeitungsmethoden.

Bauträger und Architekt*innen müssen sich plötzlich mit bisher unkonventionellen Rohstoffen wie Stroh, Lehm, Hanf oder Schafwolle auseinandersetzen. »Da gibt es natürlich viel Unsicherheit und Sorgen. Hält Schafwolle tatsächlich oder schimmelt sie etwa«, sagt Azra Korjenic, Leiterin des Forschungsbereichs Ökologische Bautechnologie an der Technischen Universität Wien.

Im mittlerweile zweiten Öko-Freiland-Prüfstand arbeiten Korjenic und ihr Team daher ständig an der Messung, Prüfung, Optimierung und Entwicklung neuer Baumaterialien und Konstruktionen. »Aktuell prüfen wir die Unterschiede in der hygrothermischen Qualität von Hanf, Seegras und Stroh zur Dämmung«, erklärt Korjenic. Die Innovation im Fassadenbau geht grundsätzlich in zwei Richtungen: Erstens muss die Gebäudehülle aus umweltfreundlichen, recycelbaren Materialen errichtet werden. Zweitens soll die Fassade begrünt sein. Beides soll dazu beitragen, den Energieverbrauch gering zu halten und das Raumklima für die Bewohner*innen möglichst angenehm zu gestalten.



Die Zukunft der Fassade wird laut Azra Korjenic von der TU Wien in einer Kombination der verschiedenen Baustoffe liegen.

»Die Gebäudehülle beeinflusst aber auch das Klima der Umgebung«, gibt die Bautechnikerin zu bedenken. Die Forscher*innen der TU setzen einen ihrer Schwerpunkte daher auf die Messung der thermischen Verteilung. Im Testgebäude der TU Wien, das vollständig aus Naturmaterialen errichtet wurde, wird ständig mittels Sensoren in verschiedenen Fassadenmodulen gemessen und geprüft: Wie verteilt sich die Wärme? Sammelt sich irgendwo Feuchtigkeit? Die Trägerkonstruktion dieses modular aufgebauten Gebäudes ist aus Holz. Ausgefacht wird mit verschiedenen ökologischen Modulen, die auf Herz und Nieren geprüft werden. Beispiel: NAWARO-Dämmungen.

Nicht ohne Beton

Wer nun glaubt, Beton im Fassadenbau sei passé, der irrt. Denn im mehrgeschoßigen Wohnbau kommt man nicht darum herum. »Ohne Beton geht es nicht«, sagt auch Korjenic. Es gehe darum, Beton richtig einzusetzen – als Stahlbeton-Trägerkonstruktion für hohe Bauten etwa oder für den Lichtschacht.

Doch auch die Betonindustrie ist nicht untätig. Die Klimaziele 2030 der Regierung und die EU-Taxonomie, die den Unternehmen »grüne Pflichten« auferlegt, haben Bewegung in die Branche gebracht. Das Thema Nachhaltigkeit des Baustoffes Beton steht in der Branche seit Jahren weit oben auf der Agenda. »Wir sprechen hier von Kreislaufwirtschaft«, betont Lukas Schleritzko, Sprecher des Beton Dialog Österreich. Die Ressourcen, aus denen Beton produziert wird, würden ja nicht verbraucht, sondern könnten jederzeit weiterverarbeitet werden.



Moderne Gebäudehüllen sollen aus umweltfreundlichen, recycelbaren Materialen errichtet werden. Die Kreislauffähigkeit ist eine der großen Stärken des Baustoffs Beton.

»Urban Mining« ist hier das Motto. Das heißt: Abgerissene Gebäude sind eine Quelle mineralischer Rohstoffe für Recycling und Herstellung von Beton. Und da Beton vor allem im Hochbau verwendet wird, schütze er auch vor allzu großer Verbauung von Wiesen und Grünflächen. Dass bei der Erzeugung von Zement, dem Bindemittel im Betont, CO2 anfällt, ist nicht gänzlich zu vermeiden. Die österreichische Zementindustrie aber hat ihre Emissionen bereits stark reduziert.

Traditionsreiche Ziegel

Auch wenn es in der Ziegelindustrie einiges an Innovation gibt, hat sich am Grundprinzip über Jahrtausende wenig geändert. »Ton und Wasser werden vermischt, in Form gepresst und luftgetrocknet oder gebrannt«, sagt Norbert Prommer, Sprecher des Verbandes Österreichischer Ziegelindustrie. So wie beim Beton ist die Hauptrichtung der Innovation durch die Klimaziele getrieben.

»Der Haupttrend ist, den im Sinne des Green Deals der EU vorgegebenen Weg zu erfüllen«, erklärt Prommer. Dazu kämen Themen wie Biodiversität, Recycling und Kreislaufwirtschaft. In diesem Bereich hätten Ziegel kein Problem. Denn sie würden aus nachhaltigen Rohstoffen in der Region hergestellt. Unnötige Energie- und Transportkosten würden vermieden.

Doch ist das schon das Ende der innovativen Reise der Ziegelindustrie? Nein. Denn geforscht wird intensiv – vor allem an der Fähigkeit der Gebäudehülle, Wärme gut zu verteilen, aber auch Schutz vor zu viel Sonneneinstrahlung oder Kälte zu bieten. Energieeffizienz ist das Thema. Hier kommt die Albedo-Gestaltung der Fassade ins Spiel. Albedo, das heißt so viel wie die Fähigkeit eines Materials, einfallende Strahlung zu reflektieren. Durch helle Glasuren auf Dächern und Wänden soll das vor allem im urbanen Bereich zum Einsatz kommen. Ein Dach mit hellem Anstrich etwa kommt der Rückstrahlfähigkeit von Schnee schon sehr nahe.



»Ziegelproduktion basiert auf sehr alter Tradition. Moderne Fertigungstechnik hat die Qualität optimiert«, sagt Norbert Prommer.

Bei Ziegeln geht die Innovation verstärkt in die Art der Verbauung. So verweist Prommer auf ein Vorzeigeprojekt der Branche in Lustenau, Vorarlberg. Dort haben die Architekten Baumschlager Eberle für ihren neuen Firmensitz ein Gebäude errichtet, das ohne viel Technik und künstlich erzeugter Wärme auskommt. Trotzdem wird eine relativ konstante Raumtemperatur von 22 bis 26 Grad erreicht. Verantwortlich für die Temperaturstabilität sind vor allem die Ziegel bzw. die Art der Verbauung der Ziegel. Die Außenwände teilen sich in 38 cm statisches und 38 cm isolierendes Ziegelmauerwerk. Dieses Kernstück der thermischen Masse sorgt für relativ gleichbleibende Wärme im Gebäude. Ausgelegt ist dieses Gebäude auf eine Haltbarkeitsdauer von zumindest 200 Jahren.

Trend zu Holzfassaden

Über Nachfragemangel kann sich die österreichische Holzindustrie nicht beklagen. »Holzbauten liegen im Trend und Holzfassaden ganz besonders«, sagt Wolfgang Leitinger, Präsident des Verbandes der Europäischen Hobelindustrie. Holzfassaden, fachgerecht gebaut, seien sehr langlebig. »Wir sehen aber, dass meist nicht das Produkt selbst, sondern die Verarbeitung das Problem ist«, erklärt Leitinger. Die Fehler seien meist in falschen Profilen und schlechter Oberflächenbehandlung zu finden. Gerade in diesen beiden Bereichen – bessere Profile und Oberflächen – werde in der Holzbranche geforscht und immer wieder Innovationen auf den Markt gebracht.

Als eine der jüngsten Innovationen nennt Leitinger den 3D-Fassadenbau. Dabei werden Holzprofile liegend und stehend verbaut. Das schaffe nicht nur eine spannende Optik, die sich im Tagesverlauf ändere, sondern auch einen Schutz vor zu starker Sonneneinstrahlung. Kreatives Design steht bei der 3D-Holzfassade allerdings im Mittelpunkt. Geforscht wird zudem an verbessertem Oberflächenschutz und auch an Anstrichen, die das Holzhaus von Anfang an grau erscheinen lassen. »Auch das ist trendig«, so Leitinger. Der Vorteil gegenüber der allmählichen »Vergrauung« durch die Witterung: Das Gebäude bleibt gleichmäßig grau und wird nicht fleckig.



Holzfassaden werden stark nachgefragt, die größte Fehlerquelle liegt in der Verarbeitung. An besseren Profilen und Oberflächen wird geforscht.

Eine andere Technik, die sich unter den Holzbaufans breit macht, ist zwar keine Innovation, sondern eine Jahrhunderte alte Tradition – allerdings nicht in Europa, sondern in Japan. Von dort kommt die Yakisugi-Technik. Massivholz wird dabei so geschickt verkohlt, dass es witterungsbeständig und langlebig wird. Ist die Holzfassade fertig, soll sie nicht leicht brennen.

Brandschutz ist im Holzbau auch ein großes Thema, an dem intensiv weitergeforscht wird. Hier kommt es vor allem auf den Anstrich an. Farben auf Silikonbasis, die nicht brennen sind eine Möglichkeit. In innovativen Bauten werden Anstriche ausprobiert, die im Falle eines Brandes aufschäumen und auf diese Weise eine Art Isolationsschicht bilden. Oberflächenbehandlung ist auch beim Schutz vor Pilz- oder Ungezieferbefall das Thema. Mineralisierung, also das Einpressen von Salzen bietet da Abhilfe. Geforscht wird auch an biologischen Mitteln wie einem Abrieb von den Pilzen selbst. 

Fazit

Die Lösung für die Fassade der Zukunft wird wohl in einer Kombination liegen. »Beton für die Trägerkonstruktionen, vor allem im Hochbau, Ziegel und Holz – nach modernen Erkenntnissen verarbeitet – für die Fassade«, zieht Öko-Bauexpertin Korjenic das Resümee.


Anleitung zur EPS- und XPS-Entsorgung

Ein Leitfaden und ein Merkblatt des Klimaschutzministeriums sollen Orientierung bei der Einstufung von EPS- und XPS-Dämmstoffabfällen geben.

Die korrekte Beurteilung von alten Dämmstoffplatten aus expandierten Polystyrol-Hartschaumstoffen 
(EPS) oder Polystyrol-Extruderschaumstoff (XPS), die Heimwerker*innen, Häuslebauer*innen aber auch Fassadenprofis loswerden wollen, ist für die Mitarbeitenden von Entsorgungsbetrieben und kommunalen Bauhöfen nicht immer einfach. Zu groß ist immer noch die Verwirrung um optische Erkennungsmerkmale, Brandschutz- und chemische Inhaltstoffe. Nicht selten bekommt man zu hören, es handle sich um einen Problemstoff, oder man solle das Material zerkleinern und in den Hausmüll werfen. Damit soll mit dem eben veröffentlichten Leitfaden und 
einem Merkblatt nun Schluss sein.

»Mit der Veröffentlichung von Leitfaden und Merkblatt durch das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie steht der Branche seit kurzem ein profundes Nachschlagewerk zur Verfügung, das – Anwendung vorausgesetzt – uns viel Ärger und leere Kilometer ersparen und einen entscheidenden Beitrag zur Aufbereitung von Dämmstoffabfällen leisten wird,« freut sich Clemens Demacsek, Geschäftsführer der GPH Güteschutzgemeinschaft Polystyrol-Hartschaum über das gelungene Endprodukt.

Behandlungsverfahren für EPS-Dämmstoffabfälle:

Für alte, HBCDD-haltige EPS-Abfälle stehen zwei Behandlungsverfahren zur Verfügung:
- Verbrennung als nicht gefährlicher Abfall.
- Lösemittelbasiertes Recycling – Erlaubt die Abtrennung von Verunreinigungen und des HBCDD.

Für neue, HBCDD-freie EPS-Abfälle stehen zusätzlich folgende Möglichkeiten zur Verfügung:
- Wiederverwendung von EPS-Platten.
- Mechanisches Recycling – Gemahlene EPS-Abfälle können als wärmedämmender Leichtzuschlag für Beton, zementgebundene Ausgleichsschüttungen, Mörtel und Putze sowie als Porosierungsmittel bei der Herstellung von Ziegelsteinen eingesetzt werden.

Behandlungsverfahren für XPS-Dämmstoffabfälle:

Für die Behandlung von HBCDD-haltigen XPS-Dämmstoffabfällen ohne Treibmittel wie FCKW/HFCKW sind folgende Verfahren zulässig:
- Verbrennung als nicht gefährlicher Abfall unter Einhaltung der Vorgaben der Abfallverbrennungsverordnung und der BVT-Schlussfolgerungen* für die Abfallverbrennung.
- Stoffliche Verwertung nur nach quantitativer Entgasung und Erfassung fluorierter Treibmittel sowie quantitativer Abtrennung von HBCDD auf einen Wert von maximal 100 mg/kg.

Für die Behandlung von HBCDD-haltigen XPS-Dämmstoffabfällen mit Treibmitteln wie FCKW/HFCKW sind folgende Verfahren zulässig:
- Verbrennung als gefährlicher Abfall in dafür genehmigten Anlagen unter Einhaltung der Vorgaben der Abfallverbrennungsverordnung und der BVT-Schlussfolgerungen* für die Abfallverbrennung.
- Verbrennung als nicht gefährlicher Abfall nur nach vollständig quantitativer Entgasung von FCKW/HFCKW in geeigneten Anlagen zur Behandlung gefährlicher Abfälle mit Erfassung dieser Treibmittel.
- Stoffliche Verwertung nur nach quantitativer Entgasung und Erfassung der Treibmittel sowie quantitativer Abtrennung von HBCDD auf einen Wert von maximal 100 mg/kg.

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