Freitag, April 26, 2024
Politik und Wirtschaft fordern konkrete Anreize zur Sanierung
Robert Schmid, Obmann des Fachverbands Stein- und keramische Industrie, Wolfgang Amann, Geschäftsführer des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen, und Jürgen Schneider, Sektionschef im Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation & Technologie (Bildquelle: APA-Fotoservice/Juhasz)

Derzeit liegt die Sanierungsrate in Österreich bei 1,5%, das ist die Hälfte der im aktuellen Regierungsprogramm angepeilten 3%. Die Renovierung bestehender Gebäude anzukurbeln, ist für die Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 unerlässlich und sichert zudem Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Spitzen aus Ministerium, Forschung und Wirtschaft trafen sich daher zur Diskussion und fanden gemeinsame Ansätze.

Der kürzlich zu Ende gegangene UNO-Klimagipfel zeigte deutlich: Der bisherige Pfad der Dekarbonisierung der Gebäude reicht nicht. Vor diesem Hintergrund luden das Klimaministerium und die Baustoffindustrie zur gemeinsamen Pressekonferenz. Ein symbolischer Hinweis, dass das nationale Sanierungsziel nur gemeinsam und mit effektiven Maßnahmen erreicht werden kann. „Selten verbinden sich die Benefits für Klima und Wirtschaft so gut wie beim Sanieren“, stellte Sektionschef Dr. Jürgen Schneider aus dem Klimaministerium fest. Er bezog sich damit auf eine Studie zur Gebäudesanierung in Österreich, die das Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW) gemeinsam mit dem Umweltbundesamt erstellt und vor Ort präsentiert wurde.

Sanierungen im geförderten Bereich stagnieren auf niedrigem Niveau
„Die Ergebnisse zeigen, dass Fördern allein zu wenig ist, um bei der Wohnhaussanierung in die Gänge zu kommen“, analysierte Dr. Wolfgang Amann, der Geschäftsführer des IIBW. Es brauche darüber hinaus bau- und wohnrechtliche Regelungen, noch mehr Fachkräfte für alle Sanierungsphasen und viel Kommunikation. Schaffte man im geförderten Bereich vor zehn Jahren Spitzenwerte von 40.000 umfassend sanierten Wohnungen, waren es 2018 nur noch 13.000 – und waren 2020 nur unwesentlich mehr. Im gleichen Zeitraum verminderten sich die geförderten Einzelmaßnahmen, wie zum Beispiel Fenster- oder Heizungstausch, von 50.000 auf 20.000. Insgesamt sank die Sanierungsförderung der Länder zwischen dem Höchstwert 2009 und dem Tiefstwert 2018 um mehr als zwei Drittel und legte seither nur geringfügig zu.
Auch die Zahl ungeförderter Generalsanierungen halbierte sich von jährlich 8.000 vor zehn Jahren auf zuletzt nur noch 4.000. Dafür entwickelten sich die Einzelbauteilsanierungen positiv: Wurden Mitte der 2010er Jahren in rund 60.000 Wohnungen thermisch-energetische Einzelmaßnahmen durchgeführt, waren es zuletzt 110.000.

Anhebung der Sanierungsrate auf 2,5% bis 2025 möglich
Amann zeigte sich jedoch optimistisch, was die Potenziale der Sanierung angeht: Es sei möglich, die Sanierungsrate bis 2025 um 1 Prozentpunkt auf 2,5% zu heben. Dies sei wesentlich am Weg zur Klimaneutralität bis 2040. In den Jahren von 2005 bis 2012 wurden die Treibhausgasemissionen im Sektor Gebäude um ein Drittel gesenkt, das sind 4 Millionen Tonnen CO2. „Wir brauchen dieselbe Performance in den kommenden sieben Jahren. Was schon einmal ging, ist wieder möglich“, so Amann.

Kompetenzzentren schaffen, Wertschöpfung aufzeigen, Informationskampagne starten
Mag. Robert Schmid, der Obmann des Fachverbandes der Stein- und keramische Industrie, hakte hier ein: „Wir sehen ja, dass großes Interesse an Sanierungen besteht. Dieses Potenzial gilt es zu aktivieren“. Schmid zeigte zudem auf, wie dies erreicht werden kann: „Die zur Verfügung gestellte Sanierungsförderung ist nur die Basis, im nächsten Schritt müssen weitere attraktive Anreize geschaffen werden.“ Dazu gehöre in erster Linie der Aufbau von Kompetenzzentren, als Anlaufstelle für Sanierungswillige – ein One Stop Shop, wie etwa die Sanierungsberatung ‚Hauskunft‘ der Stadt Wien.
Zudem brauche es dringend eine breite Informationsoffensive in Richtung Endkonsumenten, damit die Fördergelder auch tatsächlich abgeholt werden. Die Gesellschaft müsse von der Notwendigkeit der Gebäudesanierung überzeugt werden – nur dann kann die Sanierungsrate umgehend erhöht werden. Andererseits bedeuten die genannten Maßnahmen allein in der Hochbausanierung eine Steigerung des Produktionsvolumens um 60% von derzeit rund 10 Mrd. Euro auf rund 16 Mrd. Euro bis 2025 – „das nützt nicht nur dem Klima, da entstehen Arbeitsplätze für Fachkräfte“, so Schmid.

Mehr Bundesförderungen – Sanierungen steuerlich begünstigen
Dazu ergänzte Sektionschef Schneider, dass derzeit entsprechende Qualifikationsprogramme vom Arbeitsmarktservice ausgearbeitet würden. Zur hohen Zahl der ungeförderten Sanierungen kommentierte Schneider: „Hier zeigt sich ganz klar das Interesse, die Bereitschaft und nicht zuletzt das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger. Dass bisher so viele ohne Förderungen sanieren, zeigt die Notwendigkeit der Vereinfachung“. Zugleich sollen die Bundesförderungen aufgestockt werden, zusätzlich zu der mit 650 Mio. Euro dotierten Sanierungsoffensive 2021/2022. Schneider konnte hier auch schon ins Detail gehen: „Es wird 2022 und 2023 jeweils 90 Mio. Euro mehr geben für den Umstieg von fossilen auf klimafreundliche Heizsysteme, die Mittel für soziale Abfederung für einkommensschwache Haushalte werden ebenfalls 2022 und 2023 von jährlich 50 auf 90 Mio. Euro erhöht. Dazu kommen 2022 zusätzlich 60 Mio. Euro für den mehrgeschossigen Wohnbau.“ Zudem werden als Teil der Öko-Steuerreform Sanierungen künftig steuerlich begünstigt.

Gemeinsames Vorgehen von Wirtschaft und Politik, um Sanierungen anzukurbeln und Klimaziele zu erreichen
„Dass die Menschen bezüglich Gebäudesanierung derzeit mit ihrer Bereitschaft und all dem Aufwand in Sachen Förderung alleingelassen werden, hemmt Wirtschaft und Klimaschutz“, stellte Obmann Schmid abschließend fest, „umso mehr freuen wir uns über die gemeinsame Anstrengung von Politik und Wirtschaft, um alle Möglichkeiten in diesem Bereich anzukurbeln“. Bei der Umsetzung der Sanierungen sei die gesamte Baubranche gefordert, vor allem auch was die notwendige Ausbildung von Fachkräften angeht.

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