Freitag, April 26, 2024
Klebstoffe aus Restholz, Biosprit aus Stroh

Abfälle aus Land- und Forstwirtschaft könnten in Zukunft als Basis für umweltfreundliche Baumaterialien, Dämmschäume oder Treibstoffe dienen. Ein EU-Projekt hat in den vergangenen 4,5 Jahren das Potenzial solcher Produkte ausgelotet. Die Ergebnisse zeigen aber auch, wie wichtig ein ganzheitlicher Blick ist, um unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden. 

Holz, Rinde, Stroh und andere natürliche Abfälle eignen sich als Basis für neuartige Materialien. So könnten in der Baubranche künftig »grüne« Dämmschäume, Klebstoffe oder Betonzusätze zum Einsatz kommen, während Biotreibstoffe eine von mehreren Komponenten zur Transformation in eine grüne Mobilität sind. Das EU-Projekt REHAP hat in den vergangenen Jahren untersucht, wie es um das ökonomische und ökologische Potenzial solcher Produkte bestellt ist. Beteiligt waren 16 Partner aus sieben EU-Ländern.

»Wir haben unter anderem untersucht, wo in der EU derartige Reststoffe in welcher Menge anfallen und welche Konsequenzen ihre Nutzung hätte«, erklärt Lars Wietschel vom Projektpartner Universität Augsburg. Der Wirtschaftsingenieur promoviert am Lehrstuhl für Production & Supply Chain Management. Dabei beschäftigt er sich unter anderem mit der Ökobilanz von Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen. »Der Ersatz herkömmlicher Materialien durch grüne Alternativen hat Konsequenzen in unterschiedlichen ökologischen Bereichen – wir sprechen auch von Wirkungs- und Schadenskategorien«, sagt er. »Wenn man versucht, in einer dieser Kategorien ein optimales Ergebnis zu erzielen – etwa möglichst wenig Treibhausgase auszustoßen –, dann läuft man Gefahr, sich an anderen Stellen unerwünschte Nebenwirkungen einzukaufen.«

Vor- und Nachteile

Ein Beispiel sind Biotreibstoffe aus Energiepflanzen wie Raps: Ihr massenhafter Anbau hat zwar die Verbrennung klimaschädlicher Treibstoffe verringert. Gleichzeitig benötigte ihr Anbau aber Ackerland, das nicht mehr für die Agrarproduktion zur Verfügung stand. Als Folge stiegen die Agrar-Importe aus Ländern wie Brasilien, mit negativen Folgen für den Regenwald im Amazonasgebiet. »Reststoffe wie Stroh oder Holzabfälle konkurrieren nicht mit der Nahrungsmittelproduktion«, erklärt Wietschel. »Sie gelten daher als umweltverträgliche Ausgangsstoffe für Biotreibstoffe der zweiten Generation. Dennoch bringt auch ihre Nutzung Nachteile mit sich.«

Denn dass der Bauer nach der Maisernte die Stoppeln stehen lässt und später unterpflügt, hat einen guten Grund: Die Maßnahme trägt dazu bei, die Nährstoff- und Humusbilanz im Boden aufrechtzuerhalten. Würden alle Pflanzenreste für Biokraftstoffe verwendtet werden, würde die Bodenqualität abnehmen; zudem müssten Landwirte mehr düngen. »Das ist nur eine von vielen Wirkbeziehungen, die zu bedenken sind«, erklärt Andrea Thorenz, die an der Universität Augsburg das »Resource Lab« leitet. »Wir suchen nach Sweet Spots, an denen wir uns möglichst große Vorteile in einem Bereich durch möglichst geringe Nachteile in einem anderen Bereich erkaufen.«

Dazu nutzen die Forscher Computerprogramme, mit denen sie die Wechselbeziehungen algorithmisch abbilden können. Auf diese Weise lässt sich sichtbar machen, wie sich die Optimierung eines Parameters – zum Beispiel des Kohlendioxid-Ausstoßs – auf einen anderen Parameter – beispielsweise die Landnutzung oder die Bodenqualität – auswirkt. Auf diese Weise lassen sich die Sweet Spots identifizieren. »Die Abwägung der Schadenskategorien gegeneinander kann die Software allerdings nicht übernehmen«, betont Thorenz. »Auf Basis der Informationen gegebenenfalls Prioritäten zu setzen, bleibt Aufgabe der Politik.«

Konkurrenzfähige Alternativen

Die Augsburger Wissenschaftler haben auch die ökonomischen Rahmenbedingungen untersucht, unter denen nachhaltige Materialien gegenüber ihren konventionellen Pendants konkurrenzfähig sind. Im Moment können sie in Punkto Preis nämlich meist nicht mit Produkten auf fossiler Rohstoffbasis mithalten. Durch Steuererleichterungen auf die umweltfreundlichen Alternativen oder eine CO2-Steuer ließe sich das aber ändern. Der technologische Fortschritt dürfte zudem dazu beitragen, dass die neuen Materialien künftig deutlich günstiger werden.

Meistgelesene BLOGS

Firmen | News
01. März 2024
Unter dem Motto „Mission Zukunft - Transformation der Wirtschafts- und Energiesysteme" veranstalten die Deutsche Handelskammer in Österreich in Kooperation mit Fraunhofer Austria Research das Deutsch-...
Nicole Mayer
26. Jänner 2024
Der Bewerb um die höchste staatliche Auszeichnung für Unternehmensqualität in Österreich ist eröffnet. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) sucht Quality Austria wieder...
Alfons A. Flatscher
02. Jänner 2024
... das Alte geht. Die Welt ist im Wandel. Wir wandeln uns mit. Der REPORT ist im Wandel und erscheint in neuem Kleid: Mit neuem Layout, auf besserem Papier und mit einer Weiterentwicklung des inhaltl...
Firmen | News
25. März 2024
Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel und Künstliche Intelligenz (KI) spielt dabei eine entscheidende Rolle. Unternehmen weltweit erkennen zunehmend die Bedeutung von KI für ihre Produktivität und W...
Katharina Bisset
07. Februar 2024
Ab 14. Februar 2024 müssen alle Pflichten des Digital Services Act von betroffenen Unternehmen umgesetzt werden – aber was bedeutet dies konkret? Der Umfang der Pflichten hängt davon ab, welche Dienst...
Alfons A. Flatscher
26. Jänner 2024
Ganz oben auf der Agenda unserer Leser*innen steht: Neues schaffen! Wir haben gefragt, 150 Leser*innen haben uns qualifizierte Antworten geliefert. (Zum Artikel: Chancen überall, nicht erst ab 2025) D...
Firmen | News
14. März 2024
Bereits zum dritten Mal verleiht die auf Informationssicherheit spezialisierte Zertifizierungsinstanz CIS - Certification & Information Security Services GmbH die begehrte Personenauszeichnung „CI...
Mario Buchinger
22. Jänner 2024
In der Consulting- und Coaching-Branche gibt es sicher einige Leute, die kompetent Organisationen unterstützen können. Aber viele der Coaches und Consultants nützen meist nur sich selbst. Worauf Unter...

Log in or Sign up