Montag, Mai 13, 2024
Eine Untersuchung von 20 Energieausweisen hat ­gezeigt, dass die deutliche Mehrzahl fehlerhaft war – mit ­ungewissen Konsequenzen. Einen möglichen Ausweg bietet ­Qualitätssicherung.
Von Johann Kaiser

Der 1.1.2009 war die Geburtsstunde unzähliger Tretminen und Zeitbomben, die jederzeit hochgehen können. Während Verwalter und Eigentümer mit dem von der EU aufgezwungenen Stiefkind Energieausweis überhaupt nichts zu tun haben wollen, erstellte ein ganzer Wirtschaftszweig mit unterschiedlichen Professionen, Wissen und Qualifikationen in Windeseile massig sogenannte Häuserpickerl. Diese finden sich dann in Form eines Sachverständigengutachtens als Vertragsbestandteil eines Kauf- oder Mietvertrages wieder. Ab diesem Zeitpunkt wartet die Büchse der Pandora nur mehr darauf, geöffnet zu werden. Und es wird einige mit Spannung zu erwartende Gerichtsurteile geben. Ausschlaggebend dafür sind schlicht und ergreifend Fehler, die im Zuge der Erstellung des Energieausweises derzeit noch gemacht werden. Die Folgen liegen auf der Hand. So wie ein Autohändler mit Konsequenzen rechnen muss, wenn er ein Auto mit 18 Litern Verbrauch als 9-Liter-Auto anpreist, wird es auch für Hausverwalter Konsequenzen geben, wenn ein Haus mit einem HWB 78 KWh/m²a verkauft wird, das jedoch nur mit einem tatsächlichen HWB 168 KWh/m²a aufwarten kann. Diese Dinge passieren tatsächlich und sind auch kein Einzelfall (siehe Kasten). Die Anzahl der mangelhaft ausgestellten Energieausweise übersteigt die Anzahl der richtigen. Letztendlich geht es nur um die Form des Schadenersatzes, etwa das Verlangen nach Erfüllung der Werte, die Rückabwicklung oder auch nur Preisminderung. Eine Haussanierung mit einer HWB-Verbesserung von 90 KWh/m²a kostet jedenfalls eine gute Stange Geld, die in irgendeiner Form bezahlt werden muss. Es wird mit ziemlicher Sicherheit versucht werden, den Schwarzen Peter auf den Energieausweis-Aussteller abzuwälzen, jedoch dürfte auch das im Detail dann zu einer spannenden Diskussion führen, wie zum Beispiel in der Frage nach den zur Verfügung gestellten Unterlagen oder der im Detail vereinbarten Leistung.

Was macht den Energieausweis zur Zeitbombe?
Vor allem in der Anfangsphase machen sich die Verwalter und Eigentümer relativ wenig Gedanken über Haftung, Schadenersatz sowie eine mögliche Qualitätssicherung des Energieausweises. Und der Endkunde ist noch völlig unbedarft. In diesem Zeitraum entstehen unzählige Ausweise, die mit unterschiedlichsten Standards und ohne Qualitätssicherungsmaßnahmen zu tausenden  auf den Markt geworfen werden. Die Überprüfung von 20 Energieausweisen hat gezeigt, dass die Mehrzahl der ausgestellten Zertifikate mangelhaft war. Das hat bislang kaum Folgen. Der Energieausweis hat aber eine Lebenserwartung von zehn Jahren, deshalb ist davon auszugehen, dass Arbeiterkammer, Mietervereinigung, Anwälte und die Schlichtungsstellen den Mietern und Käufern sehr rasch ein Gefühl dafür vermitteln werden, wie und wo man noch etwas Geld aufgrund mangelhafter Energieausweise zurückholen kann.

Warum kommt es zu Mängeln?
Der Energieausweis erscheint zwar auf den ersten Blick sehr simpel, stellt sich beim genaueren Hinsehen jedoch als äußerst komplex und fehleranfällig heraus. Haben die Haustechniker eher mit den Hochbaudaten zu kämpfen, tragen die Hochbautechniker mit den haustechnischen Anlagen ihre Kämpfe aus. Verstärkend zu dieser fachlichen Differenzierung entstehen Mängel meist durch menschliche Fehler oder ganz einfach nur durch unzureichende Kompetenz.

Schutz vor Mängeln – Qualitätssicherung
Deshalb gilt die Devise: Lieber im Ausweis weniger versprechen, denn gekauft oder gemietet wird ohnedies eher wegen der Lage oder der Ausstattung. Qualitätssicherung wird gewährleistet durch:
qualifizierten Erfahrungsaustausch
intensive Weiterbildung
Standardisierung der Prozesse
durchdachte Kontrollmechanismen
Vergleichsobjekte: Ein großes Portfolio von »richtigen« Ener­gieausweisen stellt eine der wirksamsten Maßnahmen dar. Wenn Sie Ihr Ergebnis mit ähnlichen Objekten vergleichen können, dann wissen Sie zumindest, dass Sie nicht sehr falsch liegen können.

Fehlerhafte Energieausweise
Bürogebäude südlich von Wien: Um komfortabler im EA-Programm Fenster in entsprechenden Maßen einzugeben, werden ganz einfach Fenster und Türen im Ausmaß von 1x1 m definiert und dann als Stückzahl multipliziert. Im konkreten Fall waren es letztendlich in Summe 150.000 Fenster zu je 1 m². Dies hätte aber zur Folge, dass der Wärmebrückenzuschlag 150.000-mal zur Anwendung gekommen wäre. Da der Ausweis aber ungefähr richtig sein dürfte, wurde der Wärmebrückenzuschlag vom Programm pauschal berücksichtigt oder u.U. vernachlässigt. Von unterschiedlichen Programmen werden die Berechnungen unterschiedlich durchgeführt.
Villa im 13. Bezirk: Durch falsche Massenermittlung und Berechnungsfehler wurden ein HWB von 78 KWh/m²a statt 168 KWh/m²a sowie eine falsche Heiztechnik angegeben.
Zinshaus in Wien 10: Es wurde vergessen, die Nutzeinheiten einzutragen, was zur Folge hatte, dass das ganze Objekt von einer statt 54 Gaskombithermen versorgt wurde. Als Folge wurde der Endenergiebedarf (EEB) statt 466 mit 241 ausgewiesen. Durch Prüfen anderer EA und die eigene Erfahrung liegt der Verdacht sehr nahe, dass dieser Fehler sehr häufig vorkommt. Manchmal muss dieser Wert doppelt eingetragen werden, manchmal ist ganz einfach Wissensmangel die Ursache und manchmal wird aufgrund der vielen Dateneingaben auch ganz einfach nur mal darauf vergessen. Oft liegen falsche Kennzahlen zu den Nutzungseinheiten vor, wodurch es sich empfiehlt, bei der Begehung die Anzahl der Postkästen und Gegensprechanlagestellen zu erfassen. Dann hat man schon mehrere Vergleichswerte.  
Zinshaus Wien: Untere Geschoßdecke als Außenfläche wurde vergessen.
Programmfehler: In diesem konkreten Fall wurden die Fensterflächen in den Bauteilen korrigiert, jedoch wurden diese Änderungen aufgrund eines Programmfehlers nicht in die Gebäudehüllendatenbank nachgezogen.

Johann Kaiser ist Architekt und Geschäftsführer von ARCHINOA, einem Netzwerk von Spezialisten aus allen Bereichen rund um die Immobilie.  Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

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