Dienstag, Mai 07, 2024
Zwei Welten

Die Superreichen und die vollkommen Verarmten – beides findet man in den USA. Sie leben oft in unmittelbarer Nähe zueinander, aber meiden sich, wo es nur geht. Sie leben in verschiedenen Welten. Mit dem Konzept der »Opportunity Zones« sollen jetzt Investitionen dorthin fließen, wo sie sonst nicht landen. Vieles davon fließt in Wohnprojekte, der Nutzen ist aber umstritten.

Der Graben, der zwischen den sozialen Schichten klafft, ist tief und ausgerechnet im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gelingt der Wechsel von der einen auf die andere Seite nur äußerst selten. Wer im falschen Schulbezirk zu Welt kommt, geht in miserable öffentliche Schulen und hat damit nur geringe Chancen, Bildung als Aufstiegshilfe zu nutzen.

Jeder fünfte Schwarze in den USA lebt in Armut. Das ist ein erschreckender Befund, sechs Jahrzehnte nachdem unter dem demokratischen Präsidenten Lyndon B. Johnson massive Wohlfahrtsprogramme etabliert wurden, die die Ungleichheit beseitigen helfen sollten. Es hat nicht funktioniert. Die anhaltenden Unruhen in den amerikanischen Metropolen Seattle, Portland, Chicago, Dallas und New York machen klar: Die Gesellschaft droht an ihren sozialen und ethnischen Konflikten zu zerbrechen.

Tom Sowell, Wirtschaftswissenschafter des Hoover- Institutes und einer der führenden afroamerikanischen Intellektuellen, macht klar: »Die Wohlfahrtsprogramme seit den 60er-Jahren haben das Problem nicht gelöst, im Gegenteil. Es ist sogar schlimmer geworden.«

Strukturen verfestigt

Staatliche Transferzahlungen – so die These von Sowell – verfestigen Strukturen, anstatt sie zu überwinden. Der Einfluss von Sowell ist spürbar in einem neuen Programm, das im Jahr 2017 in Washington beschlossen wurde und das gezielt Investitionen in verarmte Zonen – sogenannte »Opportunity Zones« (OZ) – bringen soll.

Bisher haben Kapitalgeber die Gegenden großräumig gemieden, mit dem »Tax Cuts and Jobs Act of 2017« wurde aber ein neuer Anreiz geschaffen. Wer Gewinne vergangener Jahre in Zukunftsprojekte  in »Opportunity Zones« investiert, zahlt darauf keine Steuer, wenn er die Beteiligung zumindest zehn Jahre hält.  
Der Sinn ist, wirtschaftliche Aktivitäten in den benachteiligten Zonen auszulösen, also müssen zumindest 50 Prozent der Umsätze der neu geschaffenen Einheit tatsächlich in der OZ erwirtschaftet werden.

Neuer Zugang

Markeze Bryant von Acumen America erklärt dazu: »Das Problem in unserem Land ist, dass Kapital sich auf bestimmte Regionen und bestimmte Bevölkerungsschichten konzentriert hat – und das seit mehr als 100 Jahren. Genau deshalb sind einzelne Regionen weit zurückgeblieben. Das Konzept der ›Opportunity Zones‹ schafft jetzt Anreize, Kapital dorthin zu bringen, wo es traditionell nicht gelandet ist.«

Mittlerweile sind 8768 Zonen definiert und rund 75 Milliarden an Investitionen ausgelöst – vieles davon in Wohnprojekte, die vielversprechende Renditen abwerfen.
In Hall County, Texas bringt eine Investition in eine im Durchschnitt 125.000 Dollar teure Wohnung eine Cash-on-Cash-Rendite von 10,5 Prozent, in Lafayette County in Florida wirft die Investition von 191.250 USD noch sechs Prozent jährlich ab – die Steuerersparnis noch nicht eingerechnet.
Bauprojekte haben einen Multiplikatoreffekt, schaffen regionale Beschäftigung und helfen, aus der Spirale der Armut auszubrechen.

Markeze Bryant dazu gegenüber Forbes: »In den vergangenen 50 Jahren konzentrierten sich Hilfsmaßnahmen auf Kredite – für leistbares Wohnen, für Kleinunternehmer, für Studenten. Die Leute haben dann gekämpft, um ihre Raten abzuzahlen. Diesmal geht es um Eigenkapital, das ist ein völlig anderes Spiel. Deshalb ist es so wichtig, dass wir es diesmal richtig hinkriegen.«

Cui bono?

Kritiker des Konzept bezweifeln die Nachhaltigkeit und sehen darin mehr Nutzen für Immobilieninvestoren als für bestehende Kleinunternehmen in den betroffenen Regionen.

Schließlich sind nur rund vier Prozent der bisherigen Investitionen außerhalb der Bauwirtschaft in lokalen Unternehmen gelandet. Die Politik fördere die Gentrifizierung und schade der lokalen Bevölkerung, meinen Kritiker. Während die Befürworter einen Nachzieheffekt erwarten: Zuerst kämen die Immobilien-Investments, dann das Wachstum bei den lokalen Geschäften.

Das Gesetz ist rund drei Jahre in Kraft, Zeit genug, um erste positive Trends zu erkennen, aber viel zu wenig für ein abschließendes Urteil.
Für Präsident Donald Trump ist das Projekt der »Opportunity Zones« im Wahlkampf jedenfalls ein ganz großes Thema und er nimmt für sich in Anspruch: »Ich habe mehr für die schwarze Bevölkerung gemacht als jeder andere Präsident – mit Ausnahme von Abraham Lincoln.«

Tatsächlich gelingt es Trump, seinen afroamerikanischen Stimmanteil auszuweiten – was nicht besonders viel heißt, denn 2016 haben gerade einmal acht Prozent der Afroamerikaner republikanisch gewählt.

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