Sonntag, Mai 05, 2024
Rendite Arbeitskraft
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Die Auftragsbücher sind voll. Aber den Unternehmen im Bauwesen fällt es immer schwerer, ausreichend qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Es braucht konkrete Maßnahmen, um die Berufsbilder attraktiver zu machen. Ein Umdenken ist gefragt.

Prozent der österreichischen Mittelstandsunternehmen finden laut einer Studie von Ernst&Young keine geeigneten Fachkräfte, 40 Prozent beklagen bereits Umsatzeinbußen. Der Mangel ist nicht auf Bau und Technik beschränkt. Stark betroffen sind ebenso Transportunternehmen, Medizin und Tourismus. Als Manko bezeichnen Arbeitgeber neben fachlichen Kenntnissen wie IT und Mathematik auch mentale Stärken. Hier zählen vor allem Kommunikationsfähigkeit, schriftlich wie mündlich, dicht gefolgt von Beziehungsmanagement und Problemlösungsfähigkeit. Verschärft wird der Mangel an qualifiziertem Personal durch sinkende bzw. stagnierende Zahlen an BerufseinsteigerInnen sowie durch die steigende Zahl an Pensionierungen.

Die Lage am Bau

Der Trend zur Matura an allgemein bildenden höheren Schulen hält ungemindert an. »Das ist das entscheidende Problem der Lehre«, zeigt Harald Kopececk, Geschäftsführer der Bauakademie Oberösterreich, auf. In der Sonntagsrede der Politik werde noch engagiert für die Lehre gesprochen, am Montag die Erhöhung des Uni-Budgets auf 1,3 Milliarden Euro beschlossen. Für die Politik sei die Wertigkeit von Bildung und Ausbildung noch immer nicht auf gleichem Niveau.

»Wir müssen es schaffen, dass junge Menschen, ihre Eltern und Meinungsbildner der Lehrlingsausbildung als das Zukunftsmodell wieder vertrauen, indem wir die ­Baulehre als KARO-Karrieremodell präsentieren und nicht als Y-Sackgassenmodell.« Umso wichtiger ist es, dass die Facharbeiterausbildung nicht unterdurchschnittliche Schüler anspricht, sondern jene Schüler, die jetzt zum Großteil in die höheren Schulen streben. Als Führungskraft einer Baustelle braucht es Intelligenz, Umsetzungsstärke, wirtschaftliches Denken, fachliches Know-how sowie Entscheidungs- und Durchführungskompetenz. Aus diesem Grund hat die Bauwirtschaft die Lehre komplett modernisiert und die Baukaderlehre geschaffen:

Baulehre 2020/Baukaderlehre

Mit der Baulehre 2020 wird die Ausbildung am Bau neu ausgerichtet und an das digitale Zeitalter angepasst. Beschritten werden neue Wege im Software- und im Hardwarebereich, u.a. fließen neue Arbeitstechniken wie digitale Vermessung und elektronisches Daten-Management in die Lehre ein. Ergänzend wird eine vierjährige Kaderlehre mit einer vertieften baubetriebswirtschaftlichen Ausbildung sowie einem technischen Schwerpunkt eingeführt. Die Baukaderlehre ist ein besonderes Ausbildungsangebot der Bauwirtschaft an jene Schüler, die in die allgemein bildenden höheren Schulen streben. Zusätzlich startet ab Herbst 2019 das digitale Lernportal E-Baulehre, mit vielen Onlinekursen zur Bautechnik, Arbeitssicherheit, Fachrechnen und Fachzeichen sowie einem umfassenden Portfolio an Lehrfilmen, mit dem Ziel, die Lehrlinge, Berufsschulen und BAUAkademien in der Ausbildung zu unterstützen.

Umdenken ist gefordert

IT-Unterstützung ist ein Zukunftsweg der Mitarbeitermotivation und -bindung. Andreas Ruby von der Landesinnung Wien spricht die Notwendigkeit zum Umdenken am Bau an. »Die Jugend tickt anders. Finanzielle Anreize sind heute für sie nicht mehr so entscheidend, vielmehr Freizeit und geordnete Arbeitsplätze.«

Bleiben Unternehmer im alten Denken, verlieren sie gute Kräfte, in der Technik wie auch im Führungsbereich. Wer zu Hause zwei Kinder hat, möchte nicht jeden Tag erst um 20 Uhr nach Hause kommen. Es brauche geregelte Arbeitszeiten, Baustellen müssten anders organisiert werden. Harald Kopececk berichtet von einem Mühlviertler Baumeister, der kein Problem mit Facharbeiternachwuchs hat. »Bei ihm gibt es keine einzige Überstunde, er ist toporganisiert, hat keinen Mangel an Lehrlingen, bei den ausgelernten Kräften gibt es keine Fluktuation.« Der gesamte Bau müsse sich an der Nase nehmen, »auch ich«.

Die Top-5-Strategien der Arbeitgeber zur Bekämpfung des Fachkräftemangels

1    Zusätzliche Fortbildungs- und Entwicklungsressourcen: 54 %
2    Anpassen der Anforderungen in den Bereichen Ausbildung und Erfahrung: 36 %
3    Rekrutierung auch außerhalb der herkömmlichen Fachkräfte-Pools: 33 %
4    Zusätzliche Benefits wie Firmenpension, Auszeiten oder Gesundheitsförderungen: 32 %
5    Alternative Arbeitsmodelle: 30 %

Personalpolitik erweitern

Das Umdenken am Bau betrifft nicht nur flexiblere Arbeitszeiten, es bezieht sich auch auf die Erweiterung des Fachkräftekreises mit ausländischen Arbeitskräften. Bereits 19 Prozent der mittelständischen Unternehmen in Österreich beschäftigen asylberechtigte Flüchtlinge, eine Mehrheit von 52 Prozent befürwortet Lehrstellen für Asylwerber. Jobbörsen für Asylberechtigte, die sich in Österreich aufhalten, sollen helfen, qualifizierte Mitarbeiter an Unternehmen zu vermitteln. Nach positiven Erfahrungen in Wien, Linz und Graz sind weitere Jobbörsen für Asylberechtigte vorgesehen. Zudem ist geplant, die Austrian Business Agency auch in Richtung Fachkräfte-Anwerbung auszubauen. Auch bei der Einbindung älterer Arbeitskräfte gibt es laut WIFO noch Potential.

Schwerpunkt Weiterbildung

In ihrem aktuellen Beschäftigungsausblick 2019 bewertet die OECD neben arbeitsrechtlichem Schutz, sozialer Sicherung, sozialem Dialog die Weiterbildung als wesentlichen Aspekt. In Österreich kommt ihr ein sehr hoher Stellenwert zu. Die Bauakademien qualifizieren jährlich mehr als 30.000 Fach- und Führungskräfte aus der Bauwirtschaft und bieten zielgruppengerechte Ausbildung an, von Bautechnikkursen über Arbeitssicherheit bis zu Baubetriebs- und Rechtskursen. Bauingenieurwissenschaften, Baumanagement, Green Building u.v.a. sind auch Themen an FHs und technischen Universitäten. Die Donau-Uni Krems bietet berufsbegleitende Ausbildungen in Bauphysik, Gebäudeautomation, Sanierung und z.B. Baurecht.


Personalumbau

- Einbindung älterer Arbeitskräfte: flexible Arbeitszeitmodelle, altersgerechte Arbeitsorganisation, Gesundheitsmanagement, Qualifizierung.

- Mitarbeiterbindung: familienorientierte Serviceleistungen (z.B. Betreuung), flexible Arbeitszeitmodelle, familienfreundliche Arbeitsorganisation.

- Qualifizierung: Geringqualifizierte weiterbilden, Mehrfachqualifikationen fördern.

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