Samstag, April 27, 2024
Neue BIM-Plattform, neuer Fokus
Foto: BIM

Die neu gegründete buildingSMART setzt auf Ausbildung und einheitliche Datenformate. Eine Studie bestätigt die Dringlichkeit der digitalen Transformation.

Es ist rund zehn Jahre her, dass Anton Rieder, heute Landesinnungsmeister Bau Tirol, und Anton Gasteiger, heute BIM-Pionier, bei dem einen oder anderen Glas Wein über die Zukunft des Bauens sinnierten. Es könne doch nicht sein, dass die baubegleitende Planung der Weisheit letzter Schluss ist, da müsse es noch effektivere Methoden geben, so die Überlegung Rieders. Gasteiger berichtete daraufhin von einer Methode namens Building Information Modeling, die er in den USA kennengelernt hatte, in die er sich aber erst noch vertiefen müsse, bevor er mehr dazu sagen kann. Gesagt, getan – seither hat Gasteiger das Thema BIM nicht mehr losgelassen, und auch Rieder war rasch vom BIM-Virus infiziert. Heute zählen beide in Österreich zu den Vorreitern in Sachen BIM. Damit stehen sie zwar nicht allein auf weiter Flur, ein echtes Gedränge herrscht aber auch nicht. Für das Zögern vieler seine Kollegen hat Rieder aufgrund der eigenen Erfahrungen aber durchaus Verständnis. »Die Einführung von BIM in einem Baubetrieb ist ein relativ aufwendiger und auch kostenintensiver Prozess«, so Rieder, der aber auch überzeugt ist, dass sich der Prozess mittel- bis langfristig jedenfalls bezahlt macht. »Es ist davon auszugehen, dass BIM in den nächsten Jahren auch in Österreich Standard sein wird.«

Aktuell haben andere Länder, auch in Europa, aber noch deutlich die Nase vorn. In Großbritannien und Skandinavien ist BIM bei öffentlichen Aufträgen bereits gesetzlich vorgeschrieben, Deutschland zieht ab 2020 nach. »Dann ist BIM auch in Deutschland bei öffentlichen Aufträgen Pflicht, Österreich wird mit etwas Verzögerungen folgen. Die ÖBB orientieren sich etwa schon heute stark an der Ausschreibungspraxis der DBB«, erklärt Swietelsky-Geschäftsführer Karl Weidlinger. Um an Ausschreibungen zu gelangen, werden Unternehmen dann auf jeden Fall Referenzen vorweisen müssen. Deshalb müssten die Unternehmen jetzt die ersten Schritte setzen, bevor es zu spät ist.   

Neue Plattform
Hier setzt der neu gegründete österreichische Ableger der internationalen Plattform buildingSMART an. Ihr Ziel ist es, die »österreichische Bauwirtschaft durch die Etablierung von BIM ins digitale Zeitalter zu führen«. Damit unterscheidet sie sich auf den ersten Blick nicht sonderlich von anderen Vereinen und Verbänden. Die Plattform 4.0 Planen.Bauen.Betreiben oder auch die IG Lebenszyklus Bau verfolgten auch in der Vergangenheit schon ganz ähnliche Ziele. Folgerichtig ist die Plattform 4.0 Planen.Bauen.Betreiben auch bereits mit an Bord, mit der IG Lebenszyklus Bau gab und gibt es dem Vernehmen nach zwar Gespräche, aber noch kein Ergebnis.

»Die Digitalisierung revolutioniert alle Prozesse in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Von der Planung über die Ausführung, die Finanzierung und den Betrieb sind alle Beteiligten gleichermaßen betroffen. Daher können wir in der Sache nur etwas voranbringen, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Wir begrüßen alle Aktivitäten, die die Branche vorantreiben und freuen uns über jede Art der Zusammenarbeit«, zeigt sich IG-Sprecher Karl Friedl für eine Zusammenarbeit offen.

Für Alfred Waschl, Gründer von buildingSMART, hat zwar »jeder seine eigenen Stärken«, er bestätigt gegenüber dem Bau & Immobilien Report aber, dass die Gespräche mit der IG »natürlich fortgesetzt« werden. Die Chancen sind also intakt, dass zwei gewichtige Player in Sachen Digitalisierung der Bauwirtschaft bald mit einer gemeinsamen, umso lauteren Stimme nach außen sprechen.

Die Schwerpunkte
Ganz oben auf der Agenda von buildingSMART stehen die Themen Aus- und Weiterbildung sowie vor allem die Entwicklung eines einheitlichen Datenformats für BIM-Projekte. »Neben entsprechend ausgebildetem Personal sowie innovativen Projekten und progressiven Projektverantwortlichen tragen vor allem passende Datenformate und eine hohe Kommunikationsfähigkeit aller Stakeholder zum Erfolg bei«, ist Waschl überzeugt.

Ein Datenaustausch im herkömmlichen Sinn findet bei BIM-Projekten nicht mehr statt, vielmehr werden alle Informationen von Beginn an in ein digitales Gebäudemodell eingearbeitet. Dafür braucht es ein einheitliches, herstellerunabhängiges Datenformat. Deshalb sieht building­SMART in der laufenden Weiterentwicklung des seit 2013 als ISO-Standard spezifizierten IFC-Formats seine Hauptaufgabe. Dabei soll auch eng mit den Schwes­ternorganisationen in Deutschland und der Schweiz zusammengearbeitet werden.

Studie: digitale Transformation
Im Rahmen des Gründungsevents von buildingSMART in  der Wiener Wirtschaftskammer stellten zahlreiche nationale und internationale Experten fest, dass die Zeit für die digitale Transformation  auch abseits von BIM mehr als reif ist. Dass diese Einschätzung nicht nur für Österreich gilt, bestätigt eine neue Studie des Global Industry Council GIC. Die Studie zeigt auf, wie die Bauindustrie die Herausforderungen durch die Digitalisierung in Erfolgschancen umwandeln kann, geht aber auch auf kulturelle und technische Hindernisse ein, die der Digitalisierung entgegenstehen und mit denen viele Unternehmen derzeit konfrontiert sind (siehe unten).
 
»Erst wenn wir beide Seiten dieser Gleichung angehen, wird unsere Branche in der Lage sein, die Vorteile, die die nächs­te Welle digitaler Technologien verspricht, voll auszuschöpfen«, erklärt Kate Nelson, GIC-Mitglied und Leiterin der Abteilung Business Technology & Innovation bei Lendlease Building. Die Studie stellt aber auch fest, dass die Baubranche eine der letzten ist, die digitale Technologien für ihre Geschäftspraktiken einführt. »Viele Unternehmen in diesem Sektor haben Schwierigkeiten, verschiedene Plattformen zu konsolidieren, Prozesse zu vereinheitlichen oder technologieversierte Fachkräfte zu finden, was zu verminderter Produktivität geführt hat«, heißt es. Dabei seien die Vorteile der Einführung einer digitalen Projektabwicklung vielfältig und reichen vom Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit über Senkung der Kosten, Steigerung der Produktivität und Gewährleistung der Sicherheit bis zur fristgerechten Fertigstellung von Projekten ohne Kostenüberschreitungen.


Digitale Transformation des Bauwesens
Zentrale Herausforderungen und Lösungsvorschläge:

1. Integration über das gesamte Ökosystem hinweg: Unternehmen mühen sich mit komplexen digitalen Ökosystemen mit verschiedenen Systemen ab, die Daten erstellen und vervielfältigen.
2. Rationalisierung und Standardisierung: Komplexe und nicht standardisierte Prozesse und Systeme müssen über Projekte hinweg rationalisiert werden.
3. Aufbau digitaler Fachkräfte: Unternehmen mangelt es nicht nur an IT-Experten, sondern generell an technologieversiertem Personal.
4. Sicherung der Akzeptanz der Digitalisierung: Mitarbeiter haben Bedenken aufgrund von kulturellen und technischen Herausforderungen.
5. Wertschöpfung und Rentabilität: Unternehmen haben Schwierigkeiten, große Investitionen in Technologie zu rechtfertigen.

Quelle: Global Industry Council (GIC)


Unsicherheit 1: BIM und Vergütung
Von Thomas Hayde, HD Architekten

BIM führt zu einer höheren Planungsgenauigkeit, da aufgrund der 3D-Planung am virtuellen Prototyp des Gebäudes sich wesentlich früher Detailproblematiken erkennen lassen, die sinnvollerweise in dieser Projektphase gelöst werden. Ein nachhaltiger Fehler in der gelebten Praxis ist es, in dieser Phase der Planung Zurückhaltung zu üben, um den Stundenaufwand, entgegen der Honorarmodelle, nicht ausufern zu lassen, aber auch um Terminvorteile zu lukrieren.
Gesunderweise befindet sich die Ausführungsplanung in der HOA, als auch in den LM.VM.OA vor der Ausschreibungsphase. Heute wird ein Gebäude vor der Ausschreibung jedoch nicht durchgeplant, sondern lediglich ein Teil der »Ausführungsplanung« – zumeist rund 30 Prozent – nach Beauftragung als Grundlage für die Ausschreibung geleistet. Durch den Technologiesprung in der CAD-Planung besteht die Chance, diesen Prozess endlich gerade zu rücken. Von unseren BIM-Projekten können wir ablesen, dass sich rund 30 Prozent der Ausführungsplanung vor die Einreichung verschieben und weitere 20 Prozent der Ausführungsplanung vor der Ausschreibung verbleiben, wo sie in der Praxis nie angesiedelt waren, allerdings als »Detailplanung« bezeichnet wurden. Daher beschränkt sich die Polierphase nur mehr auf das Erzeugen und Nachführen von Polierplänen, zusätzliche unterstützende Planunterlagen, Planungsprüfung sowie -freigaben und Datenpflege, etc.
Die hybride Übergangsphase bei der Anwendung von BIM  sollte daher mit den gängigen Planungsphasennamen brechen und dem durch BIM in frühere Phasen verschobenen Planungsaufwand mittels Honorarerhöhungen gerecht werden. Demgegenüber werden für BauherrInnen nachhaltige Vorteile stehen.


Unsicherheit 2: BIM als Ende der Kreativität
Von Tim Westphal

Mit BIM verbinden immer noch viele Architekten und Ingenieure den Verlust der kreativen Leistung in Entwurf und Planung. Deshalb hat Graphisoft, Hersteller der BIM-Planungssoftware Archicad, Architekten zu ihren Erfahrungen im Umgang mit der digitalen Planungsmethode befragt. Sie zeichnen ein differenziertes Bild, in dem sich BIM und Kreativität keinesfalls ausschließen.
Titus Bernhard, Titus Bernhard Architekten, vertritt einen klaren Standpunkt: »BIM und Kreativität schließen sich nicht aus. Im Gegenteil, ich verstehe BIM als Werkzeug, um ein Projekt zu strukturieren. Um es in der Abwicklung mit den Planungsbeteiligten zu vereinfachen und das Handling mit dem Bauherrn zu erleichtern. Durch die höhere Effizienz bekommen wir mehr Zeit für die Gestaltung.“ Dass viele Architekten trotz eines positiven Grundtenors mit der BIM-Einführung zögern, liegt laut Torben Wadlinger, Graf + Partner Architekten, vor allem an der Unkenntnis der Arbeitsprozessen: »Viele reden am Thema vorbei: BIM und Entwerfen sind zunächst zwei getrennte Dinge. Wenn ich konventionell entwerfe, also mit meinem 6B-Bleistift zum Beispiel, dann wird aus einer Skizze in der Folge trotzdem ein räumliches Gebilde. Und wenn dieses Gebilde real möglich ist, kann ich es auch komplett virtuell planen und bauen. Bin ich nicht dazu in der Lage, beherrsche ich mein Werkzeug BIM einfach nicht. Ich höre oft von Kollegen: BIM nimmt dem Architekten die Kreativität. Das sagen aber jene, die nicht mit dem Werkzeug arbeiten.« Und Florian Kraft, Stefan Forster Architekten, erinnert daran, dass es vor 25 Jahren, mit der Einführung von CAD in den Büros die gleichen Diskussionen über den Verlust von Freiheit und Kreativität gab. »Nichts dergleichen ist passiert. Ich bin gelernter Zimmermann. Wenn ich ein neues Werkzeug in die Hand bekam, habe ich mir immer überlegt: Was kann ich damit tun und wie wird meine Arbeit damit effektiver und noch besser? Genauso ist es mit BIM. Es ist unser Werkzeug als Architekten.«

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