Dienstag, April 30, 2024
Nur rauchen kann man ihn nicht

Hanf verfügt nicht nur über eine überzeugende Dämmleistung, sondern kann seine Stärken auch im Hagel- und Schallschutz ausspielen. Eine passende Antwort hat man auch für Kritiker, die die Ökobilanz von Hanf anzweifeln.

Schon im Jahr 2003 brachte Synthesa das erste Wärmedämmverbundsystem aus Hanf auf den Markt. Nachhaltiger Erfolg war dem skeptisch betrachteten Ökodämmstoff damals allerdings noch nicht vergönnt. Partner wie die Bioinnova gingen pleite und das Know-how musste mit neuen Partnern mühsam wieder aufgebaut werden. Im Jahr 2014 hat man schließlich beschlossen, Nägel mit Köpfen zu machen und das Thema Hanfdämmung nicht mehr nur so nebenbei so betreiben. Mit 76 Prozent stieg man bei Naporo ein, einem Braunauer Unternehmen, das sich seit 2009 mit ökologischen Baumaterialien beschäftigt. Der Schwerpunkt lag in der Verarbeitung von Rohrkolben-Schilf, produziert wurde im benachbarten Tschechien.

Gemeinsam entschied man, sich künftig auf das Thema Hanfdämmung zu konzentrieren und die Produktion dorthin zu verlagern, wo der Rohstoff wächst. Im Mai 2015 wurde in Haugsdorf der neue Produktionsstandort eröffnet, heute ist man mit 22 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber im Ort.  

70 Prozent des in Haugsdorf verarbeiteten Hanfs kommen aus biologischem Anbau. Der größte Teil wird direkt vor der Haustüre angebaut, die durchschnittlichen Transportwege vom Feld bis zur fertigen Dämmplatte liegen unter 25 Kilometern.

Ausweitung des Einsatzgebietes

Die ganz großen wirtschaftlichen Erfolge erzielt die Synthesa-Tochter Capatect, die für die Vermarktung der Hanfdämmung verantwortlich zeichnet, auch heute nicht. Bei etwas über zwei Millionen Euro liegt der jährliche Umsatz, vom Massenprodukt ist man immer noch ein Stück weit entfernt. Aber die Anwendungsgebiete werden mehr, wie Naporo-Geschäftsführer Robert Schwemmer berichtet. »Hanf kommt nicht mehr nur als Fassadendämmung zum Einsatz sondern verstärkt auch bei Akustikdecken.« In Villach wurde eben eine Schule komplett mit Akustikdecken aus Hanf ausgestattet.

Der Schallschutz zählt auch zu den unbestrittenen Vorteilen der Hanfdämmung. Weil Hanf elastisch ist, wird die Energie nicht weitergeleitet, das bringt auch Vorteile beim Hagelschutz an der Fassade. Messungen haben ergeben, dass die Hanfdämmung den Schallschutz um bis zu zehn Dezibel verringert. »Das entspricht einer Halbierung des wahrgenommenen Lärms«, erklärt Schwemmer. Gemeinsam mit der TU Graz laufen zudem aktuell Versuche, Hanf auch als Schallschutz bei Zwischenwänden einzusetzen.   

Überzeugende Kernkompetenz

Der Hagel- und Schallschutz sind aber nur – sehr willkommene – Nebenerscheinungen, von denen man ursprünglich auch gar nichts wusste. »Diesen Zusatznutzen haben wir eher zufällig entdeckt«, erzählt Schwemmer. Die zentrale Aufgabe bleibt die Wärmedämmung. Und auch da weiß Hanf durchaus zu überzeugen. Die Dämmleistung wird mit 0,040 W/mK angegeben. Damit schneidet man deutlich besser ab als andere Naturdämmstoffe und liegt in etwa im Bereich konventioneller Dämmstoffe. Hanf ist diffusionsoffen und langlebig.

Foto: Mit 22 Mitarbeitern ist Naporo-Geschäftsführer Robert Schwemmer der größte Arbeitgeber in Haugsdorf.  

Natürlich muss auch die Hanfdämmung vor anhaltender Nässe geschützt werden, eine kurzfristige Feuchtebelastung übersteht Hanf laut Schwemmer aber ohne Stabilitätsverlust. Entgegen der landläufigen Meinung haben auch Nagetiere, Holzschädlinge, Motten oder andere Insekten keine Freude an Hanf. Und dann schickt Capatect natürlich eine hervorragende Ökobilanz ins Rennen, die Kernkompetenz und Grundidee der Hanfdämmung. Die Capatect-Hanffaserdämmung besteht zu 89 Prozent aus Hanfstroh und zehn Prozent aus Bindefasern.

Der Rest ist mineralisch und dient in Form von Ammoniumsalz, wie es auch in Backpulver verwendet wird, dem Brandschutz. Seine Stärken spielt Hanf in Sachen CO2 aus. Eine Hanfdämmplatte bindet deutlich mehr CO2, als bei Anbau und Produktion verursacht wird. Die Bilanz wird durch die kurzen Transportwege und der Verwendung von heimischem Ökostrom noch einmal verbessert. Den immer wieder aufkommenden Zweifeln am Wahrheitsgehalt der vorgelegten Ökobilanz kontert Naporo mit dem Verweis auf das IBO. Das Ergebnis liegt dem Bau & Immobilien Report vor und bestätigt ein »globales Erwärmungspotenzial von -2,85 kg CO2 equ./FE« bei einer Rohdichte von 92 kg/m³ und einer Wärmeleitfähigkeit von 0,040 W/mK. Übersetzt: Bei einem Einfamilienhaus werden ca. 3 Tonnen CO2 gebunden.


Wissenswertes über Hanf

Hanf zählt zu den vielseitigsten und meistverwendeten Pflanzen der Menschheitsgeschichte. Schon 5.000 vor Christus wurden aus Hanf Bogensehnen gemacht, auch die gefürchteten englischen Langbogenschützen im Mittelalter verdankten ihre Durchschlagskraft den Hanfsehnen. Auch in der Seefahrt hatte Hanf immer schon einen festen Platz, dank der hohen Reißfestigkeit und Widerstandskraft gegen Salzwasser wurden Seile und Segel aus Hanf gefertigt. Einen Fixplatz hatte Hanf in der chinesischen und römischen Medizin, dazu wurden bedeutende Schriftstücke wie die Gutenberg-Bibel oder die amerikanische Unabhängigkeitserklärung auf Hanfpapier gedruckt bzw. geschrieben.

Auch aus der Kleiderproduktion ist Hanf nicht wegzudenken. Die erste Jeans von Levi Strauss war aus Hanf. Aber schon Ägypter, Griechen und Römer hüllten sich in Hanf. Je feiner der Hanf verarbeitet wurde, desto teurer das Kleidungsstück. In der billigsten Variante waren die sogenannten Schäben, die verholzten Pflanzenteile, gut sichtbar, woraus sich der Begriff »schäbig« ableitet. Und natürlich spielt Hanf in der THC-haltigen Version seit jeher als Rauschmittel eine bedeutende Rolle.

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