Montag, Mai 06, 2024

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Sozialminister Alois Stöger über die nötigen Maßnahmen gegen unlauteren Wettbewerb in der Baubranche, flexible Arbeitszeiten und seine Pläne zur Stärkung des Arbeitsmarktes. Außerdem erklärt er, warum er von den Plänen für eine europäische Dienstleistungskarte in der jetzigen Form wenig hält.

Report: In der Plenarsitzung vom 29. Juni wurde das Ziel formuliert, Lohn- und Sozialdumping am Bau den Kampf anzusagen. Einzelne Maßnahmen wie das Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz (LSD-BG) oder das neue Vergaberecht gelten als Schritte in die richtige Richtung, bringen aber noch nicht ganz den erhofften Erfolg. Welche Schritte sollen jetzt konkret gesetzt werden?

Alois Stöger: Die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping funktioniert nur mit strengen Gesetzen, engmaschigen Kontrollen und effektiver Vollstreckung. Die rechtlichen Grundlagen haben wir bereits geschaffen. Österreich hat das strengste LSD-BG in ganz Europa. Jetzt geht es darum, die Wirksamkeit der Kontrollen weiter zu steigern. Da würde ich mir mehr Personal bei den vollziehenden Behörden wünschen.

Report: Sie forderten zudem individuelle Regelungen für Bauarbeiter. Wie sollen diese aussehen?

Stöger: In der Baubranche gibt es immer wieder Verdachtsmomente, die auf unlauteren Wettbewerb hinweisen. Darauf deuten auch die knapp 10.000 Arbeitsverhältnisse mit Teilzeitbeschäftigung hin. Die bisherigen Kontrollen haben gezeigt, dass es Unternehmen gibt, die einen beträchtlichen Anteil ihrer Arbeitskräfte mit einem geringen Stundenausmaß beschäftigen. In vielen Fällen hat sich der Verdacht auf Sozialbetrug und Unterentlohnung bestätigt.

Deshalb haben wir für den Baubereich erst kürzlich eine Meldevorschrift für Teilzeitbeschäftigungen beschlossen. Wird den Behörden nicht gemeldet, dass es sich um eine Teilzeitbeschäftigung handelt, wird eine Vollzeitbeschäftigung angenommen, für die auch die entsprechenden Zuschläge entrichtet werden müssen. Das ist ein weiterer Schritt zu effektiveren Kontrollen. Die Unternehmen haben dabei natürlich die Möglichkeit, die Vermutung über das Beschäftigungsausmaß richtigzustellen.

Report: Kritiker beklagen, dass durch den bürokratischen Aufwand, den Maßnahmen wie das LSD-BG mit sich bringen, vor allem ehrliche Unternehmen bestraft werden, die versuchen, alles korrekt umzusetzen, wohingegen sich die schwarzen Schafe darum gar nicht erst bemühen. Gibt es Überlegungen zu bürokratischen Erleichterungen?

Stöger: Durch das LSD-BG werden ehrliche Unternehmen geschützt, nicht bestraft. Lohn- und Sozialdumping trifft ja nicht nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch ehrliche Unternehmen, die gegen schwarze Schafe im Wettbewerb oftmals nicht bestehen können. Wer sich bemüht, alles korrekt umzusetzen, hat nichts zu befürchten. Bei minimalen Verstößen wird nicht sofort gestraft.

Im Fokus stehen ganz klar die schwarzen Schafe. Also jene Unternehmen die sich erst gar nicht bemühen. Das sind die Fälle, in denen gestraft wird, um zu verhindern, dass ein Unternehmen Vorteile aus der Missachtung der Vorschriften schlägt.

Report: Die Europäische Kommission plant aktuell die Einführung einer digitalen Dienstleistungskarte. Befürworter sehen darin ein Instrument, um den grenzübergreifenden Dienstleis­tungsverkehr zu erleichtern, Kritiker einen Freibrief für Briefkastenfirmen und Scheinselbstständigkeit. Wie bewerten Sie die Pläne der Kommission?

Stöger: Ich sehe die Vorschläge der Kommission kritisch. Mit der Einführung der Dienstleistungskarte würden nur noch die Vorschriften der Herkunftsländer maßgebend sein. Dadurch besteht die Gefahr, dass durch die Einführung der Dienstleistungskarte Scheinselbstständige – gerade im Baubereich – Lohn- und Sozialdumping betreiben könnten. Gleichzeitig wären den österreichischen Behörden die Hände gebunden. In der Form würde die Dienstleistungskarte unsere Erfolge unterwandern, die wir mit dem LSD-BG erzielt haben.

Report: Bei Entsendungen haben ausländische Unternehmen durch die oft geringeren Lohnnebenkosten im Herkunftsland einen legalen, aber nach Ansicht vieler unfairen Wettbewerbsvorteil. Was kann Österreich gegen die Schieflage tun? Sehen Sie Spielraum bei einer Senkung der Lohnnebenkosten? Was muss Brüssel tun?

Stöger: Es stimmt, das ist ein enormer Wettbewerbsvorteil – insbesondere für unsere östlichen Nachbarländer. Daher setzen wir uns auf europäischer Ebene dafür ein, dass die Lohnnebenkosten auf Basis österreichischer Löhne bezahlt werden müssen und nicht aufgrund eines fiktiven Niedriglohns, wie das in der Praxis oft der Fall ist. Das wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Report: Der Facharbeitermangel wird mehr und mehr auch in der Bauwirtschaft ein Problem. Welche Maßnahmen müssen gesetzt werden, um die langfristige Versorgung der heimischen Unternehmen mit qualifiziertem Personal sicherzustellen?

Stöger: Wir müssen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich weiterhin gut ausbilden. Dazu haben wir bereits eine Qualifizierungsoffensive gestartet, mit der wir 30.000 zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen. Die Hälfte dieser Plätze ist für Jugendliche und junge Erwachsene im Rahmen der Ausbildungspflicht bis 18 und der Ausbildungsgarantie bis 25 reserviert.  Mit der Qualifizierungsoffensive geben wir aber auch Menschen, die bereits mitten im Arbeitsleben stehen, die Chance, sich weiterzubilden. Dafür haben wir das Fachkräftestipendium wieder eingeführt und fördern darüber hinaus auch die arbeitsplatznahe Qualifizierung, mit der Arbeitssuchende individuell auf offene Stellen in Betrieben vorbereitet werden. Mit all diesen Maßnahmen helfen wir sowohl den Beschäftigten als auch den Unternehmen.

Report: Die Verhandlungen über einen Mindestlohn haben die Sozialpartner erfolgreich beendet, bei den Arbeitszeiten gab es keine Einigung. Gerade einer stark witterungsabhängigen Branche wie der Baubranche würde eine Flexibilisierung der Arbeitszeit sehr entgegenkommen. Wie kann man die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestmöglich unter einen Hut bekommen? 

Stöger: Das Arbeitszeitrecht in Österreich ist viel flexibler als sein Ruf. In praktisch allen Branchen haben die Sozialpartner eine gemeinsame Lösung gefunden, damit die Aufgaben in den Betrieben fristgerecht erledigt werden können. Solche Regelungen sind jederzeit möglich, wenn sie sich für beide Seiten – für Unternehmen und Beschäftigte – lohnen.

Report: Wenn Sie auch in einer nächs­ten Regierung Sozialminister sind, welche Maßnahme hätte für Sie oberste Priorität, um den leichten Aufschwung am Arbeitsmarkt zu verstärken und die Arbeitslosigkeit weiter zu senken?

Stöger: Das hängt von der weiteren Entwicklung unseres Arbeitsmarktes ab. Wir haben bereits zahlreiche Maßnahmen gesetzt, um die Arbeitslosigkeit weiter einzudämmen und die Konjunkturentwicklung zu unterstützen. Das reicht vom Beschäftigungsbonus, für den wir rund zwei Milliarden Euro investieren, bis zum Inves­titionspaket für Gemeinden in der Höhe von 175 Millionen Euro. Die Effekte werden erst in ein paar Monaten voll sichtbar sein.

Derzeit zeigt sich, dass der Aufschwung am Arbeitsmarkt noch nicht bei allen ankommt. Insbesondere ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stehen vor besonderen Herausforderungen. Daher hat für mich die Aktion 20.000 höchste Priorität. Mit dieser Initiative schaffen wir zusätzliche Jobs für die Generation 50+ in Gemeinden, gemeindenahen Bereichen und gemeinnützigen Organisationen. Damit geben wir Menschen, die seit über einem Jahr auf Arbeitssuche sind, eine neue Perspektive und schaffen gleichzeitig einen gesellschaftlichen Mehrwert. Derzeit ist diese Maßnahme bis 2019 befristet, als Sozialminister in der nächsten Regierung würde ich alles daran setzen, dass die Aktion 20.000 verlängert wird.

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