Jahrelang wurden die ländlichen Regionen mehr oder weniger ausgehöhlt. Investiert wurde vor allem in den Städten. Jetzt scheint ein Umdenken einzusetzen. Die Regierung hat ein Gemeindeförderungsprogramm beschlossen, eine Dezentralisierung der Verwaltung ist angedacht. Das Ziel: die Stärkung der Regionen – wie es die Massivbauwirtschaft schon seit Jahren fordert.
Seit Jahren setzen sich der Fachverband Steine-Keramik und die Interessensvertretung Bau!Massiv! auf höchster Ebene für eine Stärkung des ländlichen Raums ein. Nicht immer hatte man das Gefühl, dass sie mit ihren Anliegen Gehör finden. Nun zeichnen sich spät, aber doch erste Erfolg ab, denn die Bundesregierung hat eine 175 Millionen Euro schwere Gemeindeförderung beschlossen. Im Rahmen des Förderprogramms übernimmt der Bund bis zu 25 Prozent der Kosten für zusätzliche Projekte der Gemeinden. »Dadurch lösen wir Investitionen von bis zu 780 Millionen Euro innerhalb der nächsten zwei Jahre aus und schaffen damit rund 8.500 neue Arbeitsplätze«, ist Sozialminister Alois Stöger überzeugt.
Und auch Umweltminister Andrä Rupprechter plant die ländlichen Regionen zu stärken, indem er rund 3.500 Dienststellen von Bundesbehörden »aufs Land« übersiedeln will, wie er kürzlich in der ORF-Pressestunde ankündigte. Als Vorbild dafür könnte die »Heimatstrategie Bayern« dienen. In den nächsten fünf bis zehn Jahren sollen dort insgesamt über 50 Behörden und staatliche Einrichtungen in den ländlichen Raum verlagert werden. Anders ist die Situation aktuell in Österreich: Hier befinden sich momentan 64 von 68 Behörden (95 Prozent) in der Bundeshauptstadt Wien. Mit dieser Dezentralisierung der Leitungsfunktionen sollen Kompetenzen und qualifizierte Arbeitsplätze in die Bundesländer zurückgebracht werden.
Der stete Tropfen
Für Fachverbands-Obmann Manfred Asamer sind diese Entwicklungen Wasser auf den Mühlen und eine Bestätigung, dass »der stete Tropfen den Stein höhlt«. »Wir trommeln seit vielen Jahren, dass im Zuge des Baubooms in den Ballungszentren nicht auf die ländlichen Strukturen vergessen werden darf«, so Asamer. Denn die Menschen in Österreich leben gerne auf dem Land, wie eine aktuelle Marketumfrage im Auftrag von Bau!Massiv! eindeutig belegt.Während 61 Prozent der Landbevölkerung mit ihrer Wohnsituation »sehr zufrieden« sind, trifft dies im städtischen Gebiet nur auf 55 Prozent und in Wien gar nur auf 43 Prozent zu. Laut Market-Geschäftsführer Werner Beutelmeyer können sich zudem zwei Drittel der Städter vorstellen, aufs Land zu ziehen, den umgekehrten Weg zieht nur ein Viertel in Betracht. »Dafür braucht es Wohnungen und Infrastruktur«, fordert Pfeiler von der Politik ausreichende Finanzmittel für bedarfsgerechten und nachhaltigen Wohnungsneubau in den Regionen.
Aus der Region, für die Region
Dass es hinsichtlich Wohnraum und Infrastruktur in den Regionen noch Aufholbedarf gibt, zeigt auch die jüngste Konjunkturerhebung des Fachverbands Steine-Keramik. 2016 konnte die Baustoffindustrie zwar ein leichtes Umsatzwachstum von 1,11 Prozent auf 3,42 Milliarden Euro verzeichnen, allerdings wurde dieses Wachstum vor allem vom Wohnbauboom in den Ballungsräumen und einzelnen großen Infrastrukturprojekten getragen. »Die Entwicklung in den ländlichen Regionen war hingegen eher besorgniserregend. Hier blieb der Wohnungs- und Infrastrukturbau abermals hinter den Erwartungen zurück und nimmt tendenziell weiter ab«, so Pfeiler.
Allerdings ist die Branche nicht nur Profiteur von Investitionen in den Regionen, sie trägt auch selbst dazu bei, die ländlichen Strukturen zu erhalten. Massive Baustoffe sorgen für knapp 65.000 Beschäftigte und sichern die wirtschaftliche Existenz von rund 200.000 Menschen in Österreich. Und zu 55 Prozent entfaltet sich dieser Effekt im ländlichen Raum. »Weil wir mit einem Anteil von rund 1,2 Prozent am Bruttoinlandsprodukt auch ein starker regionaler Wirtschaftsmotor sind, geht es uns auch darum, das Land in seiner Struktur zu erhalten«, so Pfeiler