Mittwoch, Mai 08, 2024

Laut Studien entfällt zumindest ein Drittel der Arbeitszeit auf Baustellen auf logistische Arbeiten. Die sind zwar nötig, können aber deutlich optimiert werden. Dennoch fristet die Baulogistik in Österreich ein Schattendasein. Während es heute hauptsächlich um Ver- und Entsorgungslogistik geht, heißt die Zukunft Controlling und Warehousing.

Das Thema Baulogistik hat in Österreich einen schweren Stand. Schon die Begriffsdefinition führt unter Experten zu intensiven Diskussionen. Das hat auch der erste Baulogistik Kongress in Österreich im März dieses Jahres gezeigt und selbst ausgewiesene Profis wie Dominik Müller, Geschäftsführer Zeppelin Streif Baulogistik Österreich, überrascht. »Es gab rund 30 Vorträge und jeder hatte einen anderen Ansatz. Es ist interessant, was Firmen unter Baulogistik verstehen.« Aus seiner Sicht müsse es deshalb ein vorrangiges Ziel der Branche sein, zu konkretisieren, was unter Baulogistik zu verstehen ist. Denn nicht selten schreiben Auftraggeber pauschal »Baulogistik« aus.

⇒ Weiterführende Infos: Baulogistik nach Maß

»Da holt man sich Aufträge ins Haus, ohne zu wissen, was konkret gefordert wird.« Meist wird bei Baulogistik an die Ver- und Entsorgungslogistik gedacht. Laut dem deutschen Standardwerk »Ordnung für den Ameisenhaufen – Baustellenlogistik sorgt für effiziente Bauabwicklung« zählen weiters auch die Baustellenlogistik allgemein und die Informationslogistik dazu. 

Enormes Einsparpotenzial

Auch wenn man bei der Definition und den Grenzen des Begriffs nicht immer auf einen grünen Zweig kommt, herrscht zumindest darüber Einigkeit, dass eine gute Baulogistik jede Menge Zeit und Geld sparen und die Produktivität steigern kann. Gleich mehrere Studien kommen zu dem Schluss, dass auf Baustellen nur rund ein Drittel der Arbeitszeit auf die eigentliche Bautätigkeit entfällt. Ein weiteres Drittel entfällt auf logistische Arbeiten, die zwar nötig, aber deutlich optimierbar sind. Laut Karl Frenzel, Divisionsleiter Bau bei Würth Österreich, werden sogar fast 50 Prozent der Arbeitszeit auf Transporte, Wege, Materialsuche, Auf- und Umräumarbeiten aufgewendet. »Das bedeutet, dass Fachkräfte während ihrer Arbeitszeit zur Hälfte mit Logistikprozessen beschäftigt sind, anstelle ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt zu sein«, so Frenzel.

Auch Gerald Goger, Professor am Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement der TU Wien, hat im Interview mit dem Bau & Immobilien Report (Ausgabe 6, S. 18) die Arbeitsvorbereitung und Baustelleneinrichtung als größten Hebel für eine Produktivitätssteigerung identifiziert. Ganz ähnlich sieht das Christian Kastner, Bereichsleitung Hochbau/Koordination Sonderprojekte bei Habau. Auch für ihn ist eine gute Baulogistik wesentlich von der Arbeitsvorbereitung abhängig.

Dabei gehe es um die vorausschauende Planung der einzelnen Arbeitstakte und der gesamten Baustellen­infrastruktur. »Darauf aufbauend muss die Logistik das Ressourcenmanagement, dazu zählt die Ver- und Entsorgung der Baustelle inklusive Bauwasser und Bau­strom, sowie das Datenmanagement inklusive Planlieferungen und Genehmigungen aufsetzen und auch für eine soziale Infrastruktur wie Gemeinschaftsräume und Toiletten für die Arbeitskräfte sorgen«, erklärt Kastner. 

Planung entscheidet über Erfolg

Verglichen mit Deutschland, Skandinavien oder Großbritannien steckt die Baulogistik in Österreich immer noch in den Kinderschuhen. Das liegt laut Dominik Müller nicht zuletzt an der Ausschreibungskultur. »Solange Vergaben an Generalunternehmer favorisiert werden, ist es schwer, beim Bauherren Verständnis für eine eigene Baulogistik zu wecken.« Zwar glaubt Dominik Müller, dass auch große Generalunternehmer von externen Baulogistikern profitieren können, die große Stunde schlägt für die Experten von Zeppelin Streif Baulogistik oder Building Construction Logistics BCL aber bei Einzelvergaben.

»Ob und wie gut die Baulogistik funktioniert, entscheidet sich schon in der Planungsphase«, ist Müller überzeugt. Mit seinen 15 Mitarbeitern untersucht Müller im Rahmen eines Planungsauftrags für den Bauherren oder Projektsteuerer, welche Bedingungen geschaffen werden müssen, damit ein Bauvorhaben zu optimalen Bedingungen realisierbar ist. Das Ergebnis ist ein Baulogistikkonzept inklusive Baulogistikhandbuch als Arbeitsgrundlage und als Richtlinie für die ausführenden Unternehmen und deren Mitarbeiter.

Bild oben: »Ob und wie gut die Baulogistik funktioniert, entscheidet sich schon in der Planungsphase«, weiß Dominik Müller, Geschäftsführer Zeppelin Streif Baulogistik Österreich.

Dieses Konzept ist Basis für die Organisation von Personenströmen, Materialflüssen sowie sämtliche Transporte auf der Baustelle. Zentrale Bestandteile einer Baulogistik bei Zeppelin Streif sind das Zutrittskontrollsystem Zeppelin InSite, mit dem sichergestellt wird, dass nur berechtigte Personen auf eine Baustelle gelangen, sowie das Online-Avisierungs-System OAS, mit dem alle vertikalen und horizontalen Transporte auf der Baustelle gesteuert werden. »Mit einer guten Baulogistik können theoretische Prozesse und Abläufe in der Praxis besser gesteuert werden und Probleme vermieden werden«, fasst Müller zusammen. Und Stolperfallen, die zu einer zeitlichen Verzögerung führen, gibt es auf jeder Baustelle. »Große Gefahren lauern in den Projektgrundlagen, die zu Änderungen oder verzögerten Entscheidungen führen.

Das hat enorme Auswirkung auf die Arbeitstakte und den Bauablauf«, erklärt Habau-Experte Chris­tian Kastner. Auch die Verkehrssituation gilt es, im Auge zu behalten. »Vor allem in Großstädten, aber auch ein Nadelöhr wie die Donaubrücke in Mauthausen muss in die Planung mit einfließen.« Auch Dominik Müller sieht in der Versorgungslogis­tik die größte Gefahrenquelle. »Da ist die Gefahr von Engpässen und Kollisionen am größten. Wenn jeder Just-in-Time liefern kann, hilft das allen Beteiligten.« Aber auch die Entsorgungslogistik darf nicht vernachlässigt werden. Denn damit können Lagerflächen minimiert und Gefahren reduziert werden.

Zukunft der Baulogistik

Wirft man einen Blick auf die Vorreiter Großbritannien und Skandinavien, heißt die Zukunft der Baulogistik »Warehousing«. »In London etwa gibt es keine größere Baustelle ohne eigenem Lagerhaus, von dem aus die Baustelle beliefert wird«, erzählt Müller. In Österreich setzt Zeppelin Streif Baulogistik eine Abwandlung dieses Modells zur Optimierung der Transportmengen der Lieferung und Ablieferung von Baumaschinen beim Projekt Austria Campus um.

»Am Austria Campus haben wir einen eigenen Maschinenpark, um die Vermietung von Baumaschinen auf kurzem Weg sicherzustellen.« Dafür wurden sogar eigene Mietsätze entwickelt. Aktuell umfasst der Mietpark acht Hubsteiger, vier Teleskopbühnen und zahlreiche Kleingeräte. »Das ist auch ökologisch sinnvoller, als jede Maschine immer extra anliefern zu lassen«, erklärt Müller. Von den Unternehmen am Austria Campus wird dieses Angebot, das es in dieser Form in Österreich noch nicht gegeben hat, gut angenommen.

Ein weiterer Trend ist die Öffnung der Baulogistik in Richtung Baustellenüberwachung. TU-Professor Gerald Goger sieht in einem Baustellen-Controlling in Echtzeit, um Fehlentwicklungen rasch zu erkennen und gegensteuern zu können, das größte Potenzial in der Bauprozessabwicklung.


Glossar: Baustellenlogistik

Laut Baucoach Paul Tupy umfasst die Baustellenlogistik vier Phasen:

1. Zur Beschaffungs- und Versor gungslogistik zählen die Koordination des gesamten Baustellenverkehrs und die Anlieferung auf die festgelegten Flächen sowie der Einkauf des Materials.
2. Die Zugangs-, Produktions- und Lagerlogistik muss alle erforderlichen Zugänge und Zufahrten gewährleisten, ebenso Zwischenlagerflächen, den internen Transport bis hin zur Einrichtung von Improvisationsflächen.
3. Zur Infrastrukturlogistik zählen Strom- und Wasserversorgung sowie die Infrastruktur.
4. Die Entsorgungslogistik organisiert den Abtransport der anfallenden Abfallstoffe.

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