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Strategisches Anti-Claim-Management
Claim- und Anti-Claim-Management sind in der Bauwirtschaft »Part of the Game«. Kein größeres Bauprojekt kommt ohne Mehrkostenforderungen des Auftragnehmers aus. Aber nicht jede Forderung muss vom Auftraggeber geschluckt werden. Gemeinsam mit Alexander Strehn, ATEUS Rechtsanwälte, und Daniel Deutschmann, Heid & Partner Rechtsanwälte, zeigt der Bau & Immobilien Report, wie man sich mit präventivem und strategischem Anti-Claim-Management in den verschiedenen Projektphasen auf Forderungen vorbereiten kann.

Auch wenn aktuell viel von kooperativer Projektabwicklung und partnerschaftlichem Bauen die Rede ist und die Baustelle am liebsten zur konfliktfreien Zone erklärt werden würde – die Praxis sieht immer noch anders aus. Nach wie vor dominieren Claim- und Anti-Claim-Management die Szenerie. Auftraggeber wollen Mehrkostenforderungen nicht zahlen, Auftragnehmer sehen sich mit Streichungen in der Schlussrechnung konfrontiert. Häufige Ursachen für ausuferndes Claim- und Anti-Claim-Management sind Fehler in der Vergabephase und mangelhafte Dokumentation. Die meisten Bauherren setzen sich erst dann mit Anti-Claim-Management auseinander, wenn die Mehrkostenforderung des Auftragnehmers am Tisch liegt. »Dann kochen schnell die Emotionen hoch, wenn die Mehrkostenforderungen für den Auftraggeber nicht nachvollziehbar oder zu hoch erscheinen«, erklärt Alexander Strehn, ATEUS Rechtsanwälte. Diese emotionale Achterbahn lässt sich verhindern, wenn man sich auf Claims einstellt.
Von Anfang bis Ende
Claims gibt es bei jedem größeren Projekt. Es ist eine Illusion, dass bei klassischen Verträgen und einem Projektvolumen im hohen zwei- oder dreistelligen Millionenbereich nicht im Hintergrund von Anfang an das Claim-Management läuft. »Claims sind ja nicht grundsätzlich negativ. Wenn der Auftraggeber Änderungswünsche hat oder dem Auftragnehmer aus der Sphäre des Auftraggebers höhere Kosten entstehen, müssen diese abgegolten werden«, erklärt Daniel Deutschmann, Heid & Partner Rechtsanwälte. Aber nicht jede Mehrkostenforderung ist gerechtfertigt. »Darauf muss der Auftraggeber vorbereitet sein«, sagt Strehn. Das beginnt am besten schon früh in der Vergabephase. Dieses »strategische Anti-Claim-Management«, wie Strehn und Deutschmann ihren Ansatz nennen, betrachtet nicht den einzelnen Claim und wie man ihn behandeln kann, sondern setzt viel früher an.
»Wir betrachten das ganze Projekt, von Anfang bis Ende«, erklärt Deutschmann. Strategisches Anti-Claim-Management erstreckt sich über drei Projektphasen – die Vergabephase, die Vertragsphase und die Abwicklungsphase. Diese ganzheitliche Betrachtungsweise hilft, unangenehme Überraschungen und Claims zu vermeiden. »Der Auftraggeber muss sich schon im Vorfeld genau überlegen, was er will. Damit kann man Mehrkostenforderungen deutlich eindämmen«, sagt Strehn. So sollten etwa alle Leistungen, die im Projekt unter Umständen noch erforderlich werden, als Optionen definiert werden. »Die Bieter geben dann einen Preis für diese Optionen ab und treten in einen Preiswettbewerb«, erklärt Deutschmann (Details siehe Tabelle).
Schon in der Vergabephase muss der Auftraggeber darauf achten, dass die Datenlage stimmt, um Claims auf ihre Plausibilität hin prüfen zu können. Die meisten Probleme in der Abwicklungsphase basieren auf Fehlern in der Vergabe- und Vertragsphase. Die Leistungsbeschreibung muss das Werk detailliert beschreiben. Dafür müssen im Vorfeld entsprechende Ressourcen investiert werden. »Massenfehler im Leistungsverzeichnis sind ein häufiges Problem und Einfallstor für Claims«, erklärt Strehn. All diese Überlegungen aus der Vergabephase müssen dann in einen guten Vertrag gegossen werden. »Mit einem schlechten Vertrag kämpft man immer bergauf. Deshalb braucht man bei klassischen Modellen umfassende, harte Verträge«, so Deutschmann.
Anti-Claim-Management in der Vergabephase: Was es zu beachten gilt
Thema: Optionen
Beschreibung: Alle Leistungen, die im Projekt unter Umständen noch erforderlich werden, sollten als Optionen definiert werden. Die Bieter geben dann einen Preis für diese Option ab (Preiswettbewerb).
Vorteile: Der AG kann die Option nach Vertragsabschluss jederzeit beauftragen (vergaberechtlich kein Problem i. Z. m. einer nachträglichen Vertragsänderung).
Thema: Preisprüfung
Beschreibung: Bei Auffälligkeiten ist eine vertiefte Angebotsprüfung durchzuführen. Die betroffenen Positionen müssen vom Bieter aufgeklärt werden (betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit). .
Vorteile: Dadurch können spekulative »Claim«-Positionen bereits in der Vergabephase »entlarvt« und das Angebot ausgeschieden werden.
Thema: Indikative Angebotsrunde
Beschreibung: Das Problem bei der vertieften Angebotsprüfung ist, dass jedes betriebswirtschaftlich nicht erklär- und nachvollziehbare Angebot auszuscheiden ist. Wird ein Verhandlungsverfahren durchgeführt, können diese Preisaufklärungen bzw. Erörterungen mit den Bietern im Rahmen einer indikativen Erstangebotsrunde durchgeführt werden. Der Bieter gibt dabei ein rechtlich nicht bindendes Preisangebot ab, welches vom AG geprüft wird. Fehler im Preisangebot führen nicht zum Ausscheiden. Nur möglich, wenn auf Basis dieses Erstangebots kein Scoring oder ein Zuschlag erfolgt.
Vorteile: »Testlauf«, um ein Ausscheiden von Bietern zu verhindern und spekulative Positionen zu korrigieren.
Thema: Kalkulationsblätter
Beschreibung: Um eine Basis für die Beurteilung von Claims zu haben, müssen die Kalkulationsblätter von jedem Bieter bereits im Vergabeverfahren abgegeben und vom AG geprüft werden. Zumindest K3, K7 und bedarfsweise K4 und K6.
Vorteile: Um eine Basis für die Beurteilung von Claims zu haben, müssen die Kalkulationsblätter von jedem Bieter bereits im Vergabeverfahren abgegeben und vom AG geprüft werden. Zumindest K3, K7 und bedarfsweise K4 und K6.
Thema: Verhandlungsrunden
Beschreibung: In einem Verhandlungsverfahren hat der AG die Möglichkeit, mit den Bietern über die Preise zu verhandeln oder die Leistungsbeschreibung sowie den Vertrag »nachzuschärfen«, wenn bestimmte Themen unklar sind.
Vorteile: Klare und konkrete Regelungen (Vertrag und Leistungsbeschreibung) erschweren das Einbringen von Claims, da es keine unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten (Streitpunkte) gibt.
Anti-Claim-Management in der Vertragsphase: Was es zu beachten gilt
Gebündelte Verträge
- Durch die gebündelte Beauftragung der Leistungen entfallen vom AG zu koordinierende Schnittstellen. Die Verantwortung verschiebt sich von der Sphäre des AG in die AN-Sphäre. So ist z. B. der Verzug eines Gewerks mit Vorleistungen für ein anderes Gewerk bei GU-Verträgen kein Thema des AG. Auch bei Haftungsansprüchen das AG gegen den AN ist es für den AG -deutlich leichter den »Schuldigen« zu finden, wenn er nur einen Vertragspartner hat, der schuld sein kann.
- Vertragsformen: Teil-GU, GU, GU+ und TU
- Der Nachteil von gebündelten Vergaben ist, dass die Leistung in der Beschaffung durch Zuschläge teurer ist, als bei einer Vergabe in Gewerken. Ob die Leistung auch zum Zeitpunkt der Schlussrechnung noch günstiger ist, hängt in vielen Fällen wohl davon ab, wie viele Probleme im Projekt aufgetreten sind.
Vorteile: Weniger Schnittstellen, höhere Preis- und Terminsicherheit für den AG, klare Verantwortung bei Haftungsthemen, weniger Claims.
Massen-, Funktions- und Vollständigkeitsgarantie
- Bei gebündelten Leistungen (insb. GU+ und TU) besteht die Möglichkeit, vertraglich vom AN bestimmte Garantien für das zu errichtende Werk zu verlangen. Hat der Planer in der Ausschreibung z. B. einen Mengenfehler, geht das in diesem Fall nicht zu Lasten des AG.
Vorteile: Bessere Absicherung des AG, höhere Preis- und Terminsicherheit, weniger Claims.
Leistungsbild/Leistungsbeschreibung
- Wesentlich ist, dass die Leistungsbeschreibung das geschuldete Werk vollumfänglich und detailliert beschreibt. Hier müssen im Vorfeld entsprechende Ressourcen investiert werden, um eine qualitativ hochwertige Leistungsbeschreibung zu erstellen. Massenfehler im Leistungsverzeichnis sind ein häufiges Problem und Einfallstor für Claims.
- Ein weiteres gutes Werkzeug für die Claim-Abwehr sind funktionale Leistungsbeschreibungen, da der AN in diesem Fall ein funktional beschriebenes Ziel schuldet. Die Schwierigkeit liegt bei dieser Art der Leistungsbeschreibung darin, die Qualitäten hinreichend konkret zu beschreiben.
Vorteile: Je detaillierter das Werk beschrieben ist, desto weniger »Graubereiche« gibt es, zu denen Claims eingebracht werden können. Das Claim-Potenzial ist dort am größten, wo Unschärfen bestehen.
Wahrscheinlichkeit von nachträglichen Leistungsänderungen
- Nachträgliche Leistungsänderungen des AG führen zu Mehr- oder Minderkosten (wobei die Mehrkosten die Regel sind), Bauzeitveränderungen und teilweise zu einer Störung der Leistungserbringung beim AN. Gibt es bei Beauftragung noch zu viele unbekannte Faktoren, ist die Claimflut vorprogrammiert. Wird der Bauablauf durch die Leistungsänderungen soweit beeinflusst, dass der AN seine Betriebsmittel umstellen/verändern muss, können auch die unveränderten Leistungsteile von Störungen betroffen sein und es folgt der nächste MKF für den AG.
Vorteile: Der Schlüssel liegt in der Projektvorbereitung des AG. Er sollte sich im Vorfeld genau überlegen, was er bauen will, den Baugrund untersuchen und mit Leistungsänderungen sparsam umgehen. Werden Leistungsänderungen wegen zu vieler unbekannter Faktoren erwartet, sind die Bereiche herauszufiltern und sollte ein passendes Vertragsanpassungs- und Vergütungsmodell gefunden werden (z. B. Abrechnung von Leistungsteilen nach Open Book mit Zuschlägen).
Hier geht es zu Teil 2 der Serie: https://www.report.at/bau/strategisches-anti-claim-management-teil-2
Veranstaltungstipp
Heid & Partner Rechtsanwälte und ATEUS Rechstanwälte laden gemeinsam zur Info-Veranstaltung »Anti-Claim-Management«. Die Veranstaltung richtet sich an Auftraggeber*innen und liefert Inputs und Empfehlungen, wie sie sich in der Praxis gegen Claims verteidigen können und durch welche präventiven Maßnahmen das Claim-Potenzial verringert werden kann. Zusätzlich werden Handlungsmöglichkeiten bei AN-Insolvenzen vorgestellt.
Vortragende:
- Bmstr. Dipl. Ing. Dr. Daniel Deutschmann, Heid & Partner Rechtsanwälte
- Mag. Anna Cronenberg, Heid & Partner Rechtsanwälte
- Ing. Dr. iur. Alexander Strehn, ATEUS Rechtsanwälte
- Dr. iur. LL. M. Dieter Stribi, ATEUS Rechtsanwälte
Wann und wo:
- 27.3.2025 in der Kanzlei ATEUS Rechtsanwälte,
Wipplingerstraße 32, 1010 Wien
- 3.4.2025 im Hotel Sailer, Adamgasse 8, 6020 Innsbruck
- Veranstaltungsdauer: 15:00–17:00 Uhr + anschließendes Get-together
Infos und Anmeldung unter www.heid-partner.at/events
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