Mittwoch, Mai 08, 2024

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report kündigt Wirtschaftsminister Harald Mahrer den tatsächlichen Starttermin für die Wohnbauoffensive für Herbst dieses Jahres an. Außerdem erklärt er, was es braucht, um den sanften Wirtschaftsaufschwung zu prolongieren, und warum ein Sanierungsziel von 3 % zu kurz gegriffen ist. 

Report: Nach vielen Jahren der Tristesse zeigen sich aktuell alle wesentlichen Indikatoren von ihrer freundlichen Seite. Die Wirtschaft wächst, die Zahl der Beschäftigten steigt, es sind weniger Insolvenzen zu beklagen. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie den Aufschwung langfristig sichern?

Harald Mahrer: Einen bedeutenden Teil haben wir für den Standort schon auf den Weg gebracht: Crowdfunding, die Entbürokratisierungsoffensive oder das Steuerreformpaket. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch viel ausschöpfbares Potenzial gibt. Neben der Entbürokratisierung müssen wir vor allem den digitalen Wandel begleiten, das ist die größte Herausforderung, die alle Branchen treffen wird. Bildung, Forschung und Innovation sowie eine leis-tungsfähige digitale Infrastruktur sind die Voraussetzungen für Österreichs Weg ins digitale Zeitalter. Anstatt in Kreisverkehre sollten wir in Glasfaserleitungen und Breitbandnetze investieren. Wenn unsere Unternehmen und Mitarbeiter hier den Zug verpassen, haben wir für den gesamten Standort ein Problem. Das geht aber auch Hand in Hand mit der Finanzierung. Wenn traditionelle kleinere Unternehmen ihr Geschäftsmodell digitalisieren, ist das ein riskantes Projekt. Da sagen die Banken: Das ist nichts für uns, geht zu Wagniskapitalgebern. Die sind aber in Europa nur auf Start-ups und Abspaltungen konzentriert, nicht auf normale KMU. Das ist ein riesiges Problem, denn da geht es um das Rückgrat unserer Wirtschaft.

Report: Die Bauwirtschaft gilt als wichtiger Konjunkturmotor und Indikator der Gesamtwirtschaft. Was kann die Politik tun, um diese wichtige Säule der österreichischen Wirtschaft zu stärken?

Mahrer: Mit der Wohnbauinvestitionsbank (WBIB) werden erstmals große EIB-Kreditvolumina, bis zu 700 Millionen Euro für konjunkturbelebende Großinvestitionen in Wohnbau in Österreich, abrufbar. Dieses Modell ermöglicht mittels Bundeshaftung besonders günstige langfristige Finanzierungen mit bis zu 30 Jahren Laufzeit bei fixen Zinskonditionen. Insgesamt rechnen wir mit rund 30.000 zusätzlichen Miet- und Eigentumswohnungen, die dadurch in den kommenden fünf Jahren gebaut werden können. Einschließlich der Finanzierung kommunaler Wohninfrastruktur sowie des Neubaus etwa von Studentenheimen rechnen Experten dadurch mit positiven konjunkturellen Auswirkungen von bis zu 5,75 Milliarden Euro an zusätzlichen Investitionsvolumina. Zudem führen die Investitionen in den Wohnbau zu einer Senkung der Staatsschulden um bis zu 1,5% des BIP.

Report: Diese Wohnbauoffensive wurde bereits im Herbst 2015 beschlossen. Passiert ist bislang wenig. Darf angesichts der Neuwahlen überhaupt noch mit einer Umsetzung gerechnet werden?

Mahrer: Die rein privatrechtlich organisierte WBIB wurde bereits 2016 gegründet und von der Finanzmarktaufsichtsbehörde im August 2016 als Sonder-Kreditinstitut konzessioniert. Das Verfahren vor der Bundeswettbewerbsbehörde wurde im April 2017 positiv abgeschlossen. Der Beirat der WBIB hat sich am 22. Mai 2017 konstituiert, und die Richtlinien der WBIB werden gerade von den Eigentümern ausgearbeitet.

Report: Welcher Zeitpunkt ist für den tatsächlichen Startschuss realistisch?

Mahrer: Derzeit läuft als Voraussetzung für die Übernahme der Bundeshaftung gegenüber der EIB noch das beihilfenrechtliche Verfahren vor der Europäischen Kommission. Nach Abschluss dieses Verfahrens soll die WBIB noch im Herbst 2017 ihre operative Geschäftstätigkeit entfalten.

Report: Wie aus der BUAK-Jahresstatistik hervorgeht, hat die BUAK heuer bis Ende April schon fast so viele Strafen aufgrund von Lohndumping beantragt wie im gesamten Vorjahr. Wie wollen Sie heimische Unternehmen im Kampf um fairen Wettbewerb unterstützen?

Mahrer: Die steigende Zahl der Anzeigen ist unter anderem auf die schrittweise Aufstockung der BUAK-Sozialbekämpfungsgruppe zurückzuführen. Bis Ende Mai hat die BUAK insgesamt 81 Anzeigen wegen des Verdachts auf Unterentlohnung gestellt, 2016 waren es 121. Von den 81 angezeigten Unternehmen haben 80 den Sitz im Ausland, lediglich ein Unternehmen in Österreich. Insgesamt geht es um 418 unterentlohnte Arbeitnehmer. Das beantragte Strafmaß beträgt insgesamt 1,629 Millionen Euro, davon 5.000 Euro für das österreichische Unternehmen. Diese Zahlen zeigen, dass wir intensiv gegen unfaire Praktiken vorgehen.

Report: Unter anderem zur Erreichung der Klimaziele hat sich die Regierung das Ziel einer 3%igen Sanierungsrate von Gebäuden gesetzt. Davon ist man aktuell weit entfernt. Dennoch wurden Fördermaßnahmen gekürzt. Welche Schritte muss eine zukünftige Regierung setzen, um das 3-Prozent-Ziel zu erreichen?

Mahrer: Im Gebäudebereich sind die Treibhausgasemissionen seit 1990 bereits um 40 Prozent gesunken. Das ist ein großer Erfolg, zu dem auch unsere Förderaktion »Thermische Sanierung« wesentlich beigetragen hat. Mit rund 120.000 genehmigten Förderanträgen haben wir einen Sanierungsboom in Gang gesetzt und das Bewusstsein für Energieeffizienz in Gebäuden geschärft. Der Bund muss hier auch Vorbild sein. Deshalb ist im Energieeffizienzgesetz eine Sanierungsrate von drei  Prozent pro Jahr für öffentliche Gebäude vorgegeben. Aktuell wird auch die EU-Gebäudeeffizienz-Richtlinie in Brüssel verhandelt, von der wir uns weitere Impulse für Sanierungen erhoffen. In Zukunft sollte  jedenfalls ein verstärkter Fokus auf umfassende Sanierungen gelegt werden. Neben der Gebäudehülle müssen erneuerbare Heizungssysteme, neue Möglichkeiten durch den Einsatz von erneuerbarem Gas, aber auch neue Technologien wie Speicherlösungen oder die Integration von E-Mobilität mitgedacht werden. Ein Sanierungsziel alleine ist zu kurz gegriffen.

Report: Die energieintensive Industrie fürchtet durch die geplante Ökostromnovelle eine Kostenexplosion. Teilen Sie diese Befürchtung, und wäre aus Ihrer Sicht eine Kostendeckelung für energieintensive Unternehmen denkbar?

Mahrer: 2017 sinken die Kosten für Ökostrom erstmals, nämlich um ca. 200 Millionen Euro, das sind immerhin 16 Prozent. Für einen durchschnittlichen Haushalt ist die Kostenersparnis noch größer: von ca. 120 Euro Ökostromkosten im Jahr auf ca. 100 Euro. Man darf auch nicht vergessen, dass mit der Novelle Investitionen in saubere Energie im Sinne des Pariser Klimaschutzabkommens ausgelöst werden sollen, die den klima- und energiepolitisch wichtigen Ausbau der Erneuerbaren forcieren und damit Wertschöpfung und Arbeitsplätze sichern. Eine Deckelung der Ökostromkosten für energieintensive Unternehmen ist auch EU-rechtlich problematisch. Der EuGH hat bereits in der Ökostromnovelle 2008 eine solche Regelung als nicht mit dem EU-Binnenmarkt vereinbar gesehen. Spezielle Regelungen für energieintensive Unternehmen, wie etwa im deutschen  EEG, werden aber im Rahmen einer großen Ökostromreform umfassend zu diskutieren sein.

Report: Die hohen Lohnnebenkosten und eine vermeintlich überbordende Bürokratie belasten viele Unternehmen. Was wollen Sie zur Entlastung tun?

Mahrer: Wir haben bereits damit begonnen, die Lohnnebenkosten zu senken. Beginnend mit 2014 im Bereich Unfallversicherung, Insolvenzentgeltfonds und im Familienlastenausleichsfonds. Damit entsteht auch der erforderliche Druck in Richtung effizientere Strukturen. Ich sehe insbesondere weiteres Potenzial im Bereich der Arbeitslosenversicherung. Deutschland kommt hier mit einem halb so hohen Beitragssatz wie wir aus. Auch in der Unfallversicherung, im Insolvenzentgeltfonds und im FLAF besteht sicher ein gewisser Spielraum – wichtig ist, in einem ersten Schritt das Finanzierungssystem transparent zu machen und diverse Querfinanzierungen innerhalb des Sozialsys-tems aufzuzeigen und einzuschränken.

Report: Wenn Sie auch in der nächsten Regierung Wirtschaftsminister sind, welche drei Maßnahmen würden Sie setzen, um denStandort Österreich zu stärken?

Mahrer: Als kleine exportorientierte Volkswirtschaft müssen wir in die Gruppe der Innovation Leader vorstoßen. Da helfen uns nicht Einzelmaßnahmen, sondern nur eine konzertierte Innovationsstrategie. Im Zentrum dieser Strategie steht der Fokus auf Bildung und Qualifizierung, Wissenschaft und Forschung sowie bestmögliche digitale Infrastruktur.

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