Freitag, November 08, 2024

Wie werden sich Unternehmensprozesse und ganz Wirtschaftszweige verändern? Wie können Unternehmen den Wandel proaktiv mitgestalten? Der Energie Report hat in seiner Jubiläumsausgabe im Juni 2015 Experten aus der Wirtschaft zu Statements zu Industrie 4.0 eingeladen.


»Allen aktuellen Diskussionen liegt das gemeinsame Ziel zu Grunde, mehr Informationsfluss in die Fertigungsprozesse zu bekommen, um so am Ende des Tages gesamtheitliche Performance-Steigerungen zu erreichen. Egal ob Energie-Verbrauchsgrößen, Maschinendaten wie Taktgeschwindigkeiten oder Temperaturmesswerte – erst das Bereitstellen solcher Informationen an übergeordnete Datenkanäle macht gesamtheitliche Optimierungen möglich. Anforderungen aus IT und Automatisierung müssen hier miteinander vereint werden. In vielen produzierenden Betrieben gibt es jedoch immer noch zwei von einander getrennte Welten – eben jene der IT und jene der Automatisierung. Die Mitarbeiter dieser Abteilungen reden vielerorts nicht miteinander – zumindest nicht auf technischer Ebene. Diese Mauern müssen fallen. Es braucht zwischen IT und Automatisierung eine ähnliche Verschmelzung der Disziplinen, wie wir es mit der Mechatronik geschafft haben. Heute sind nachweislich jene Maschinenbauer am erfolgreichsten, die Mechanik und Elektronik gemeinsam – eben mechatronisch – entwickeln. Wenn wir es nicht schafften, die IT mit ihren wichtigen Security-Aspekten in die Automatisierung zu integrieren, wird Industrie 4.0 nicht funktionieren.«
Hermann Obermair, General Manager Sales Region Austria Bernecker + Rainer

»Die herkömmlichen Wege der Prozess- und Produktionsoptimierung durch Versuche an den realen Anlagen sind am Limit und wirtschaftlich und zeitlich sehr anspruchsvoll. Betriebe werden künftig auf ganzheitliche Automationskonzepte setzen, in denen alle Bereiche der Fabrik vernetzt sind. Diese intelligenten Konzepte simulieren wirtschaftlich und technologisch alle Daten in einer holistischen Gesamtbetrachtung, die in einem Entscheidungsunterstützungssystem abgebildet sind. Kern der Intelligenten Produktion wird ein intelligenter Arbeitsplatz sein, der die Informationen aus der Produktion übersetzt und als Bindeglied zwischen Mensch und Maschine deren Teamwork ermöglicht. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, werden Industriebetriebe künftig weniger auf Fach- und mehr auf Generalarbeiter zugreifen.«
Thomas Hohenauer, Country Manager Tieto Austria

»Die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Europa hängt stark davon ab, wie gut wir es schaffen, intelligente Vernetzung in der Produktion zu realisieren. Infineon ist in diesem Transformationsprozess Lösungsanbieter, ist aber auch selbst ein Vorzeigebeispiel für vernetzte und wissensintensive Produktion. Sensoren und Chips, wie Infineon sie herstellt, liefern eine Vielzahl von Informationen und Möglichkeiten, Abläufe in der Produktion über die gesamte Wertschöpfungskette zu analysieren und zu steuern. Diese Produktionsszenarien werden in Villach künftig im ›Pilotraum Industrie 4.0‹ getestet und in der gesamten Fertigung eingesetzt. Damit werden neue wissensbasierte Produktionsmethoden erprobt, die hochwertige Arbeitsplätze schaffen, den Fertigungsstandort langfristig absichern und die auch in anderen Industriezweigen eingesetzt werden können.«
Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende Infineon Technologies Austria AG

»Der Industriebereich ist geprägt von zunehmender Automatisierung und dem Schlagwort Industrie 4.0. Damit geht es, durch die Digitalisierung von analogen Daten, in Richtung Smart Factory. Reale und virtuelle Welten verschmelzen: Maschinen entscheiden autonom, Geräte kommunizieren untereinander, Anlagen und Werkzeuge können an wechselnde Produkt- oder Produktionswünsche angepasst werden. Die Vernetzung von Maschinen im Verkehr, in Gebäuden und Anlagen ist nicht aufzuhalten und wird uns auch in Zukunft beschäftigen. Dementsprechend sind die Führungskräfte gefordert, das Fachpersonal weiterzuentwickeln, Ängste vor Arbeitslosigkeit zu nehmen und neue Einsatzbereiche zu definieren und zu besetzen.
Aber auch die Energieeffizienz spielt eine zunehmend wichtigere Rolle. Es geht darum, den Verbrauch von Ressourcen im Produktionsprozess nachhaltig zu senken. Ressourceneffiziente Prozessoptimierungen durch Condition Monitoring und Diagnose sind dabei auch ein weiterer Schritt in Richtung Industrie 4.0.
Generell kann festgehalten werden, dass zukünftig auf jeden Fall ein stärkeres Denken in Kooperation und Netzwerken gefragt sein wird: Die Vernetzung von Produktionsprozessen, aber ebenso die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und der Politik muss noch stärker in den Fokus rücken, auch auf europäischer Ebene, um den Industriestandort Österreich mit Arbeitsplätzen, Wertschöpfung und Wohlstand zu sichern.«
Josef Kranawetter, Geschäftsführer Weidmüller Österreich

»Die industrielle Produktion wird einen massiven Wandel erfahren. Drastische Verkürzungen im Time-to-Market-Prozess, hohe Flexibilität sowie die Dokumentation über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg sind einige der künftigen Anforderungen. Mit der Verschmelzung von IT und industrieller Kommunikation werden sich Maschinen und Anlagen an schnell ändernde Herstellungsverfahren flexibel anpassen. Phoenix Contact hat mit IT-powered Automation bereits eine Voraussetzung für Industrie 4.0 geschaffen. Industrie 4.0 findet statt, die Auseinandersetzung damit ist zwingend erforderlich. Die umfassende Digitalisierung (alles, was sich digitalisieren lässt, wird digitalisiert) bietet Chancen für neue Geschäftsmodelle, die das Potenzial haben, bestehende Strukturen disruptiv anzugreifen. Top-Experten informieren aus erster Hand über den Stand der Technik und die laufende Entwicklung anlässlich der Fachkonferenz IndustryTech15 in Zell am See – siehe auch www.industry-tech.at.«
Thomas Lutzky, Geschäftsführer Phoenix Contact

»Durch den Einsatz moderner, selbstlernender und durchgehender Rechnersysteme werden neue Dimensionen im Hinblick auf Qualitäts- und Stückkostenoptimierung erschlossen. Die Vorstellung, dass sich Maschinen selbst steuern und optimieren, löst nach wie vor Gefühle wie Skepsis, Machtverlust oder gar Angst bei den Fertigungsverantwortlichen aus. Künftig werden noch weniger Personen im Fertigungsprozess selbst, aber auch im Bereich der Arbeitsvorbereitung oder Qualitätssicherung, erforderlich sein – vielmehr braucht die moderne Industrie eine neue Kategorie an Qualifikation: ›Verfahrensinformatiker‹, die ausgesprochene Spezialisten des industriellen Fertigungsprozesses und gleichzeitig ganzheitlich denkende IT-Experten sind, werden bald schon die gefragteste Berufsgruppe in diesem Sektor sein. Unsere Industriesparte Actemium hat dies bereits frühzeitig erkannt und kann aufgrund der segmentierten Organisationsform exakt diese Kompetenzen anbieten.«
Norbert Herzog, Geschäftsführer Cegelec

»Die stürmische Entwicklung und Konfluenz digitaler Technologien, insbesondere die kostengünstig mögliche Ausstattung physischer Produkte und Komponenten mit Sensoren, lokaler Intelligenz und mobiler Internetkommunikation, ermöglicht nahezu unbegrenzte Datenbeschaffung über deren Zustand in Echtzeit sowie automatisierte Kommunikation zwischen faktisch beliebigen Systemen (Internet der Dinge, M2M-Kommunikation). Durch die Verknüpfung mit Cloud, Big Data & Analytics wird neben der klassischen Automatisierung manueller Routineaufgaben auch die Automatisierung kognitiver Prozesse wie maschinelles Lernen und Entscheiden möglich.
Diese technologischen Möglichkeiten haben nicht nur das Potenzial, herkömmliche Geschäftsmodelle zu transformieren, sondern führen auch zu einer signifikanten Umgestaltung der heute bekannten Arbeitswelt. Wir sollten diese komplexen Veränderungen nicht auf uns zukommen lassen, sondern rasch damit beginnen, die digitale Zukunft proaktiv zu gestalten und zu planen.«
Walter Oberreiter, Head Business Consulting CSC Österreich

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