Samstag, April 27, 2024
Das Dilemma mit dem Flächenverbrauch
Die Suche nach einem Schuldigen ist nicht zielführend, meintDr. Andreas Pfeiler. (Credit: FV Steine-Keramik/Lukas Lorenz)

Die Diskussion um Flächenverbrauch wird nicht zuletzt durch die aktuellen Unwetterereignisse äußerst emotional geführt. Mit teilweise falschen oder irreführenden Argumenten und Begriffen. Was es braucht, ist mehr Sachlichkeit… und endlich eine über alle Gemeinde- und Landesgrenzen koordinierte Raumplanung. Ein Kommentar von Dr. Andreas Pfeiler, Geschäftsführer des Fachverbands Steine-Keramik.

Die sommerliche Hitze eignet sich seit jeher zum Stopfen des jährlichen Sommerlochs der medialen Berichterstattung. Dieses völlig unvorhergesehene Ereignis paart sich allerdings zunehmend mit Extremwetterereignissen. Berichte über Waldbrände aufgrund zu trockener Vegetation, Hagelschauer und Hochwässer, die Ernten und mehr vernichten sowie Windhosen, die Kirchtürme zerstören, scheinen auf der Tagesordnung zu stehen. Während die einen um ihr Hab und Gut kämpfen, fordern andere einen sofortigen Stopp des Neubaus, verunglimpfen Baustoffe, von denen man nicht abbeißen kann und haben mit der Baubranche den Schuldigen gefunden.

Verbrauch ist nicht gleich Versiegelung 

Nun aber der Reihe nach, denn die Begriffe werden oft vermischt und sorgen für eine ungeordnete Debatte. Die Flächenversiegelung bezeichnet die Umwandlung von natürlichen Bodenflächen in versiegelte, bebaute Flächen (Straßen, Gebäude, Parkplätze u.a.). Bei versiegelten Flächen wird die Durchlässigkeit des Bodens gestört, Oberflächenwässer müssen abgeleitet werden. Der Flächenverbrauch oder die Flächeninanspruchnahme hingegen ist grundsätzlich jene Menge an Grund und Boden, die für einen bestimmten Zweck »gebraucht oder verbraucht« wird. Dies geht allerdings oft mit Flächenversiegelung unterschiedlichen Ausmaßes einher. Nicht jede verbrauchte Fläche ist daher auch eine versiegelte Fläche.

Worum geht es also nun genau? Um den Verlust von Agrarfläche? Um die Versiegelung durch Straßen und Gebäude? Oder geht es um Extremwetterereignisse, die unfassbare Schäden verursachen und für die man einen Schuldigen sucht? Im Dickicht dieser Gemengelage diktiert die Emotion die Diskussion und führt uns am Ziel vorbei.

Gebäude und Straßenanlagen tragen mit je 4% den kleinsten Anteil am Flächenverbrauch. (Foto: iStock)

Fairer Interessensausgleich

Es ist unbestritten und steht außer Zweifel, dass die Versiegelung und der Verbrauch von Boden auf ein Minimum zu reduzieren ist. Nicht vergessen darf man allerdings die wachsende Bevölkerung, die ihrerseits ebenso Anspruch auf Wohnraum und Infrastruktur erhebt. Es wäre daher nur allzu fair, das Problem bei der Wurzel zu packen. Mit einer verantwortungsvollen und über alle Gemeinde- und Landesgrenzen koordinierten Raumplanung muss das im Jahr 2023 doch möglich sein!

Wer aber ständig die Baubranche verantwortlich macht, der bellt sprichwörtlich den falschen Baum an. Die Baubranche befriedigt die Nachfrage einer wachsenden Bevölkerung und deren Bedarf in einer freien Marktwirtschaft. Und dieser Bedarf ist bei einem genauen Blick ins »Faktsheet Bodenverbrauch« (Ökosoziales Forum, 2014) auch gar nicht so maßgebend. Gebäude und Straßenanlagen tragen mit je 4% den kleinsten Anteil am Flächenverbrauch.

Es ist also höchst an der Zeit entsprechende Konzepte über alle Grenzen hinweg zu erstellen und alle Teilnehmer in die Pflicht zu nehmen. Vom Projektentwickler bis zu jenen, die Agrarflächen zur Verfügung stellen - hier darf es keine Ausnahmen geben.



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