Samstag, Dezember 07, 2024

»Bauen kann schnell jemand«, sagt Stefan Graf, CEO Leyrer + Graf. Um langfristig erfolgreich zu sein, brauche es die richtige Unternehmenskultur. Wie diese Kultur bei Leyrer+Graf aussieht und welche Rolle dabei Kommunikation, Digitalisierung und Change Management spielen, erklärt er im Report-Interview.

Report: Sie betonen immer wieder, wie wichtig die Unternehmenskultur für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens ist. Wie würden Sie die Unternehmenskultur bei Leyrer + Graf beschreiben?

Stefan Graf: Es gibt drei wesentliche Elemente, um ein Unternehmen zu strukturieren: die Kultur, die Strategie und das operative Geschäft. Aus der Überzeugung heraus, dass ein Unternehmen nichts anderes ist als die Menschen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen, ist die Unternehmenskultur, die das Umfeld schafft, in dem sich diese Menschen bewegen, von diesen drei Pfeilern der Primus inter Pares. Bauen kann schnell jemand. Es geht darum, zu verstehen, wie menschliche Systeme funktionieren. Ohne Kultur ist ein Unternehmen aus meiner Sicht mittelfristig zum Scheitern verurteilt.

Report: Viele Unternehmen heften sich den hohen Stellenwert der Mitarbeiter auf ihre Fahnen. Was ist bei Leyrer+Graf anders als bei anderen Unternehmen? Anders gefragt: Wie wird die Unternehmenskultur sichtbar, nach außen, aber auch für die Mitarbeiter?

Graf: Unser fundamentaler Ansatz ist: Wir leben es! Die Kultur wird von der Unternehmensleitung gefördert, aber auch gefordert. Und diese Kultur besteht aus vielen einzelnen Elementen. Dabei ganz wichtig ist unser Leitbild, das in einem intensiven Prozess entstanden ist.

Report: In Ihrer Mitarbeiterzeitschrift gibt es die Rubrik »Frag den Graf«, in der Mitarbeiter dem Chef Fragen stellen können. Ist das u.a. Ausdruck dieser gelebten Kultur?

Graf: Das ist ein Element, genau wie die Mitarbeiterzeitung selbst. Kommunikation ist in einem Unternehmen enorm wichtig. Ich bin einmal im Jahr für diese Gesprächsreihe an allen Hauptstandorten. Das Einzige, was bei diesen Terminen vorgegeben ist, sind Zeit und Ort. Da kann jeder hinkommen und Fragen stellen.

Report: Kritische Fragen werden dem Chef gegenüber wahrscheinlich eher nicht kommen.

Graf: Das Ziel wäre, mit kritischen Fragen konfrontiert zu werden. Zu hinterfragen, warum Entscheidungen getroffen werden. Ich geh dort nicht hin, um mit Lob überschüttet zu werden, sondern um Reibungspunkte zu identifizieren.

Report: Was kann diese Unternehmenskultur zum Erfolg Ihres Unternehmens beitragen?

Graf: Die Kultur schafft Orientierung, weckt Emotionen und setzt Energie frei, um sich zu entfalten. Die Kultur gibt Sinn und sorgt für ein gemeinsames Ziel. Dadurch können sich die Mitarbeiter motivieren, energetisieren und mit Leidenschaft bei der Sache sein.

Report: Wie hat sich die Unternehmenskultur verändert, seit Sie im Jahr 2013 die Leitung des Unternehmens übernommen haben?

Graf: Ich habe die bestehende Kultur, die schon auf einem sehr hohen Level war, kontinuierlich weiterentwickelt. Ich habe da und dort andere Schwerpunkte gesetzt, aber keine Revolution entfacht.

Der erste große Schwerpunkt, den ich gesetzt habe, war Anfang 2014 ein Kultur-Workshop mit den 30 obersten Führungskräften. Da ging es darum, herauszufinden, wo wir stehen und was wir schon haben, und was ist der Traum, den wir erreichen wollen.

Report: Sind Sie dem Traum inzwischen näher gekommen?

Graf: Definitiv. Wir haben Anfang 2015 unser Leitbild erstellt und im ganzen Unternehmen ausgerollt. Aus diesem Leitbild leiten wir die Strategie ab. Und gerade eben haben wir einen Boxenstopp eingelegt, um zu überprüfen, ob wir am richtigen Weg sind. Und ich kann ruhigen Gewissens sagen, ohne Details zu nennen: Die Richtung stimmt.

Report: Welche Schritte in Sachen Unternehmenskultur möchten Sie in den nächsten Jahren umsetzen?

Graf: Wir haben uns viel vorgenommen. Bis 2020 möchte ich das gesamte Leitbild verwirklichen, dabei aber auch regelmäßig innehalten, um zu prüfen, ob die Richtung noch stimmt.

Report: Die Implementierung einer neuen Kultur bedeutet immer auch Veränderung. Worauf muss man bei diesem Change Management aus Ihrer Sicht besonders achten?

Graf: Ich bin der Überzeugung, dass das Leben permanente Veränderung bedeutet. Das ist gut so, denn sonst könnten wir uns nicht weiterentwickeln. Aber natürlich schafft Veränderung auch Unsicherheit, weil die Folgen oft unabsehbar sind. Deshalb ist es mir ganz wichtig, zu kommunizieren, dass bei aller Veränderung, die ich im Unternehmen vorgenommen habe, es nie das Ziel war, Mitarbeiter abzubauen – auch nicht nach Firmen­übernahmen. Wir haben uns noch nie aus Kostengründen von einem Mitarbeiter getrennt.

Ganz im Gegenteil: Bei Übernahmen bin ich auf der Suche nach guten Unternehmen und guten Mitarbeitern, damit wir stärker werden. Das kommunizieren wir auch sehr offen und intensiv. Dennoch gibt es natürlich Ängste. Als Führungskraft muss ich den Menschen genau dort abholen und ihm neue Orientierung geben.   

Report: Jeder Unternehmensratgeber sagt, dass die Kultur Chefsache sein muss. Geht sich das neben Ihren Aufgaben im operativen Geschäft überhaupt aus?

Graf: Ja, das muss Chefsache sein und das geht sich auch aus, indem ich die richtigen Prioritäten setze. Das operative Tagesgeschäft kann ich an gute Mitarbeiter delegieren.

Report: Auch ein Megatrend wie die Digitalisierung schafft Verunsicherung. Auch hier heißt es, das muss Chefsache sein. Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Unternehmenskultur aus?

Graf: Digitalisierung muss deshalb Chefsache sein, weil das immer direkte Auswirkungen auf die Organisation hat. Und das kann man nicht delegieren.
Die Verunsicherung spürt man auch bei uns im Haus. Wir beschäftigen uns gerade intensiv mit dem Thema ERP (Enterprise Ressource Planning; Anm.d.Red.). Das ist ein Megaprojekt. Wir stecken mitten in der Implementierung. Ich habe das Projekt zu einem Zeitpunkt initiiert, als alles noch gut und reibungslos gelaufen ist. Das sorgt natürlich auch für Unverständnis. Aber ich weiß, dass wir uns damit optimal für die Zukunft aufstellen. Ich möchte der Early Bird sein. Wir reagieren nicht erst, wenn die Probleme offenkundig sind.

Wir stehen gerade am Ende der ersten Phase und mussten teilweise an und über unsere Schmerzgrenze gehen. Die Mitarbeiter haben da wirklich Unglaubliches geleistet. Viele Erfahrungen fließen jetzt in die zweite Phase ein. Auch da wird es Schmerzen geben, aber ich bin überzeugt, dass wir am Ende deutlich gestärkt aus diesem Prozess heraustreten.

Report: Was erwartet die Firma Leyrer+Graf am Ende dieses Prozesses?

Graf: Ende 2018, nach dem Abschluss der dritten Phase, werden wir ein integriertes System haben, das uns in unseren Abläufen und Prozessen so unterstützt, dass wir einen viel rascheren und stabileren Informationsfluss haben. Das glaubt mir im Moment nur noch niemand (lacht). Jedes System scheitert daran, dass Information steckenbleibt oder sich verändert. Je rascher Information unverändert von A nach B fließt, umso besser.  Denn dann haben wir eine fundierte Entscheidungsgrundlage in einer immer schneller werdenden Welt

Ein Unternehmen braucht Strukturen und Abläufe und muss gewisse Dinge normieren. Gleichzeitig braucht es Flexibilität, damit die Mitarbeiter ihrer Kreativität freien Lauf lassen können. Dieses Gleichgewicht zu halten, ist die große Kunst.

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