Monday, December 22, 2025

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Bau | Immobilien

Geodäsie-Experte Peter Bauer ist seit fünf Monaten Abteilungsleiter beim Vienna Research Center for Visual Computing VRVis. Mit dem Bau & Immobilien Report sprach er über digitale Zwillinge, die Vorteile von Virtual Reality in der Vermessungstechnik und den langen Weg von der Forschung in die Praxis.

Bild: »Mit einer VR-Brille kann ich durch ein virtuelles Modell einer Baustelle gehen und testen, ob ein geplanter Standort für ein Messgerät geeignet ist«, erklärt Peter Bauer.

Sie haben sich auf die Verschränkung von Geodäsie und Virtual Reality spezialisiert und kombinieren Vermessung, immersive Technologien und Reality Capture miteinander. Für Nicht-IT-Profis: Was genau machen Sie?

Peter Bauer: Ich komme ursprünglich aus dem Vermessungswesen, habe in Graz studiert und dort auch im Bereich Ingenieurgeodäsie promoviert. Mein Hintergrund liegt also klar in der Datenerfassung und -aufbereitung. Besonders intensiv habe ich mich mit 3D-Messtechniken, also modernem Laserscanning und Photogrammetrie, beschäftigt. Je mehr ich mich damit befasst habe, desto natürlicher wurde der Schritt in Richtung Virtual Reality und immersive Technologien. Denn wenn man hochkomplexe 3D-Modelle erstellt, möchte man sie nicht nur betrachten, sondern auch sinnvoll nutzen. VR und AR bieten einen intuitiven Zugang zu diesen Informationssystemen – Menschen können damit Zusammenhänge oft schneller verstehen als auf einem flachen Bildschirm.

Ist dieser VR-Bezug auch das, was Ihre Forschung von ähnlichen Projekten unterscheidet?

Bauer: Ja, eindeutig. Viele Projekte beschäftigen sich mit der Visualisierung von 3D-Daten. Mir geht es aber um echte Anwendungen: Wie arbeite ich mit diesen Modellen? Wie unterstütze ich Fachleute auf der Baustelle oder im Planungsprozess? Die Kombination von Geodäsie, digitalen Zwillingen und immersiven Technologien ist unser Alleinstellungsmerkmal.

Wie weit ist das praktisch schon nutzbar? Arbeiten Sie eher in der Grundlagenforschung oder gibt es reale Einsatzszenarien?

Bauer: Wir sind mittendrin. In interdisziplinären Projekten mit Architekt*innen und Bautechniker*innen erproben wir konkrete Anwendungen. Ein Schwerpunkt meiner Forschung ist die Simulation von Vermessungsgeräten: Wo kann ein Gerät stehen? Wo gibt es Hindernisse? Wie beeinflussen Umwelteinflüsse, wie Reflexionen oder Luftturbulenzen die Genauigkeit? Mit einer VR-Brille kann ich durch ein virtuelles Modell einer Baustelle gehen und testen, ob ein geplanter Standort für ein Messgerät geeignet ist. Das lässt sich für reale Baustellen enorm nutzen.

Auf welchen Modellen basiert diese Simulation?

Bauer: Das Modell kann vieles sein – ein BIM-Modell, ein digitales Oberflächenmodell oder ein Objektmodell. Entscheidend ist die 3D-Information an sich. Langfristig liegt das Potenzial aber klar bei BIM-Modellen: Sie enthalten nicht nur Geometrie, sondern auch Informationen über Gebäude, Anlagen oder Facility-Management. Diese Daten werden für Simulationen immer relevanter.

Sie sprechen von Umwelteinflüssen und Luftturbulenzen, die die Messgenauigkeit beeinflussen. Ihre Forschung soll also weniger die Geräte selbst verbessern, sondern die Rahmenbedingungen?

Bauer: Genau. Vermessungsgeräte sind heute sehr präzise. Aber draußen auf der Baustelle treffen sie auf systematische Störeinflüsse: Hitze, Luftflimmern, Reflexionen, Hindernisse. Wenn ich diese Effekte gut kenne und simulieren kann, kann ich Messfehler vermeiden oder zumindest richtig einordnen. Es geht also darum, die hohe Genauigkeit auch unter realen Bedingungen zu sichern.

Sind die dafür notwendigen Daten generell verfügbar oder braucht es zusätzliches Material?

Bauer: Viele Daten sind heute schon vorhanden, und ihre Verfügbarkeit wird weiter steigen. 3D-Modelle werden ohnehin für die Planung erstellt. Mein Ziel ist, diese Daten auch später – im Betrieb eines Bauwerks – zu nutzen. Denn je mehr Informationen ich über ein Gebäude habe, desto besser lassen sich Vermessungsprozesse, Simulationen oder andere Anwendungen integrieren.

Tauschen Sie sich vor allem mit Kollegen aus der Wissenschaft aus oder auch mit Vertretern der Praxis? Wie fallen die Rückmeldungen aus der Bauindustrie aus?

Bauer: Beides. Der wissenschaftliche Austausch ist wichtig, aber viele Fragestellungen kommen auch direkt aus der Praxis. Die Reaktionen dort sind sehr positiv – man ist beeindruckt von den Möglichkeiten. Gleichzeitig ist die Umsetzung anspruchsvoll: Sie kostet Geld und setzt ein gewisses Level an Digitalisierung voraus. Auf vielen Baustellen ist man noch nicht so weit.

Gibt es bereits reale Baustellen, auf denen Ihr System eingesetzt wird?

Bauer: Ja, es wurde auf einer Testbaustelle in Deutschland eingesetzt.

Warum gerade Deutschland? Gibt es auch Gespräche mit österreichischen Baukonzernen?

Bauer: Das ergab sich durch Projektpartnerschaften und konkrete Anforderungen, die ohne solche Technologien nicht lösbar gewesen wären. Mit österreichischen Unternehmen gibt es noch keine Gespräche – ich bin erst seit fünf Monaten am VRVis und dabei, die Themen aufzubauen und in die Branche zu tragen.

Welche Strategie verfolgen Sie, um Ihre Systeme in die Praxis zu bringen?

Bauer: Ein wichtiger Partner sind die Instrumentenhersteller. Sie profitieren am meisten, weil sie Hardware-Wissen und 3D-Modelle kombinieren können. Langfristig möchte ich Anwendungen für digitale Zwillinge weit über die Vermessung hinaus entwickeln – wir arbeiten etwa auch an Simulationen für das Bundesheer, an Infrastrukturvisualisierungen oder Trainings für Einsatzkräfte.

Wenn Sie fünf Jahre in die Zukunft blicken: Wie sollte ein idealer digitaler Zwilling aussehen?

Bauer: Jeder Fachbereich hat eigene Vorstellungen davon. Aber aus meiner Sicht wäre entscheidend, dass digitale Zwillinge nicht nur für die Planung genutzt werden, sondern während des gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks. Mein Wunsch wäre, dass diese Modelle selbstverständlich im Alltag genutzt werden und echte Schnittstellen für praktische Anwendungen entstehen. Also weg von Insellösungen, hin zu nachhaltigen Konzepten.

Und wenn wir uns ein Jahr in die Zukunft versetzen – was müsste passiert sein, damit Sie sagen: Das war ein erfolgreiches erstes Jahr?

Bauer: Wenn es gelingt, den Vermessungskontext am VRVis zu etablieren und durch konkrete Projekte zu untermauern. Und wenn wir unsere Ansätze in die Praxis tragen können und zeigen, welchen Nutzen sie bringen. Das wäre ein Erfolg.

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Bild: Visualisierung der neuen Bahnstrecke zwischen Meidling und Mödling in Wien, die sich derzeit im Bau befindet. Im Hintergrund des Wohngebäudes Alterlaa ist der Streckenverlauf sichtbar. Solche Visualisierungen tragen u. a. dazu bei, dass auch Bürger*innen Infrastrukturprojekte besser nachvollziehen und deren Auswirkungen auf ihr Umfeld verstehen können.

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