Thursday, December 18, 2025

Mehrwert für Manager

Bau | Immobilien

Baustellen sind laut, schnell, komplex – und bergen jede Menge Risiko. Eine Forschungsarbeit an der TU Graz ist der Frage nachgegangen, wie mit Lean Management das Bewusstsein für Arbeitssicherheit auf der Baustelle erhöht werden kann.

Bild: iStock

 

In Österreich entfallen über 20 % aller Arbeitsunfälle auf das Baugewerbe. Und das trotz klarer gesetzlicher Vorgaben. Dennoch wäre es klug, Arbeitssicherheit nicht länger als bloße Vorschrift zu behandeln, sondern als integralen Bestandteil eines modernen, effizienten Bauprozesses.

Lean Management ist seit Jahren das Synonym für Effizienzsteigerung. Doch Lean ist mehr als Prozessoptimierung – es ist ein kultureller Wandel. Eine andere Art zu denken, zu führen, zu arbeiten. Lean rückt den Menschen ins Zentrum: seine Rolle im Ablauf, seine Verantwortung, seine Sicherheit. Werkzeuge wie 5S für Ordnung und Sauberkeit, eine Aufgabensteuerung mittels Kanban-System oder die kontinuierliche Verbesserung im Sinne von Kaizen können Sicherheitsdenken nicht nur unterstützen – sie machen es sichtbar, greifbar, umsetzbar.

Mit einer Masterarbeit wurde an der TU Graz der Frage nachgegangen, ob das Bewusstsein für Arbeitssicherheit auf Baustellen im kleinen und mittleren Wohnbau durch den gezielten Einsatz von Lean-Methoden nachhaltig gesteigert werden kann. Der Fokus lag auf operativem Baustellenpersonal im Burgenland. Ziel war es, mit einfachen Mitteln eine messbare Veränderung im Denken und Handeln der Mitarbeitenden zu erzielen.

Vorgehen und Umsetzung
Die praktische Umsetzung der Forschungsarbeit basierte auf folgender Konstellation: drei reale Wohnbaubaustellen in unterschiedlichen Ausführungsstadien, ein homogenes, firmeneigenes operatives Team und ein klar strukturierter Evaluationsprozess über zwei Monate hinweg. Insgesamt 24 Mitarbeitende nahmen an der Studie teil.

Der erste Schritt bestand in der Erhebung des Ist-Zustandes des Sicherheitsbewusstseins mittels Fragebogen. Dieser war zweigeteilt: ein subjektiver Teil zur Einstellung gegenüber Sicherheit und ein objektiver technischer Teil zur Kenntnis gesetzlicher Vorgaben. Die danach implementierten Lean-Elemente zielten auf organisatorische Klarheit und persönliche Verantwortung ab. Im Fokus standen:

- Visuelles Management: Kennzeichnung gefährlicher Bereiche, Piktogramme, Poster mit Sicherheitsbotschaften.
- 5S-Methode: Systematische Ordnung und Sauberkeit am Arbeitsplatz als Basis für ergonomisches und sicheres Arbeiten.
- 5W-Analyse und Ishikawa-Diagramme: Analyse von Beinaheunfällen und strukturelles Aufdecken von Ursachen.
- A3-Report: Dokumentation und Standardisierung von Sicherheitslösungen.
- Kanban: Tages- und Wochenplanung mit Fokus auf sicherheitsrelevante Arbeitsvorgänge.
- Kaizen-Elemente: Safety Walks, regelmäßige Feedbackschleifen und Micro-Trainings mit Quiz-Charakter.

Klare Erkenntnisse
Zwei Monate später erfolgte die zweite Befragung. Das Ergebnis war klar:

- Das technische Wissen über Vorschriften und gesetzliche Anforderungen stieg signifikant.
- Die persönliche Einstellung zur Sicherheit wandelte sich von passivem Akzeptieren hin zu aktiver Verantwortungsübernahme.
- Das Feedback der Teilnehmenden zeigte ein höheres Maß an Identifikation mit dem Thema – nicht nur wegen der Inhalte, sondern auch der Art der Vermittlung.

Ein zentraler Erfolgsfaktor hierbei war das eingespielte, interne Personal. Die gemeinsame Sprache, das Vertrauen und die kulturelle Nähe erleichterten die Umsetzung erheblich.

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Kritische Reflexion
Die zentrale Erkenntnis bleibt: Lean und Arbeitssicherheit gehören untrennbar zusammen – sowohl konzeptionell als auch im Baustellenalltag. Der Gedanke des »internen Kunden« ist kein abstrakter Managementbegriff. Er bringt auf den Punkt, worum es beim Zusammenspiel von Lean und Arbeitnehmerschutz wirklich geht: Sichere und gesunde Mitarbeitende sind die Grundlage dafür, dass der Wertstrom auf der Baustelle stabil, effizient und nachhaltig fließen kann. Gleichzeitig wurde klar: Die Lean­-Tools sind nicht die Lösung – sie sind der Einstieg. Sie schaffen Struktur, machen Verantwortung sichtbar und fördern den Dialog. Doch besonders auf Baustellen mit wechselndem Fremdpersonal, unterschiedlichen Sprachen und vielfältigen Sicherheitskulturen reichen diese Werkzeuge allein nicht aus. Hier braucht es neue Formen der Kommunikation – klar, visuell, einfach und digital unterstützt.

Und auch ohne technische Innovationen und digitale Werkzeuge wie mobile Apps zur Gefahrenmeldung, sensorgestützte Überwachung, digitale Checklisten oder Dashboards mit Echtzeit-Kennzahlen wird eine moderne Sicherheitskultur nicht dauerhaft funktionieren. Diese Technologien ermöglichen es, abstrakte Vorgaben in konkrete Praxis zu übersetzen. Sie schaffen Transparenz und fördern Eigenverantwortung. Sie sind Katalysatoren für eine neue Qualität von Prävention.
Lean hat gezeigt: Sicherheit entsteht weder durch Vorschriften noch durch Technik allein, sondern durch das gezielte Zusammenwirken dreier Säulen. Haltung verankert das Warum, Systematik schafft das Wie und Technologie erweitert das Was. Nur wenn alle drei Elemente zusammenspielen, wird Sicherheit Teil der gelebten Kultur.


Tipp

Masterarbeit »Erhöhung des Arbeitssicherheitsbewusstseins des internen operativen Baustellenpersonals durch die Implementierung von ausgewählten Lean-Werkzeugen und Methoden bei Bauprojekten im kleinen und mittleren Wohnbau im Burgenland«, Lydia Hauer, Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft TU Graz, betreut von Prof. Gottfried Mauerhofer.

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