Tuesday, December 16, 2025

Mehrwert für Manager

Bau | Immobilien

Schwindende Ressourcen, stetig wachsende Abfallmengen und ein gestiegenes Umweltbewusstsein zwingen die Bauwirtschaft zum Umdenken. Laut Statistischem Bundesamt ist die Branche für rund 30 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich und verursacht 54,2 Prozent des gesamten Abfallaufkommens (Stand: 2023). Aufgrund dieser Herausforderungen rückt die Kreislaufwirtschaft stärker in den Fokus.

Text: Christian Schaar 

Ein zirkulärer Ansatz beim Planen, Errichten und Betreiben von Gebäuden ermöglicht nicht nur eine deutliche Reduktion von Emissionen und einen schonenderen Umgang mit Ressourcen. Er ist auch die Grundlage für gesündere, schadstoffarme und langfristig nutzbare Wohn- und Lebensräume, die den Bedürfnissen kommender Generationen gerecht werden. Entscheidend ist, dass das Kreislaufprinzip über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes hinweg konsequent angewendet wird – von den eingesetzten Baustoffen bis zum Rückbau.

Das Prinzip des zirkulären Bauens

Anstatt Baumaterialien nach einmaliger Nutzung zu entsorgen, sollen sie über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg in geschlossenen Kreisläufen gehalten werden. Ein zentraler Grundsatz beim zirkulären Bauen ist, Bestandsgebäude als Materiallager zu nutzen. Die wesentlichen Prinzipien sind:

  • Erhalt und Aufwertung des Gebäudebestands als Materialreservoir,
  • Nutzung vorhandener Materialströme und Förderung der Wertschöpfung im Bestand,
  • Design- und Baukonzepte, die die Wiederverwendung oder Verwertung von Baumaterialien ermöglichen,
  • Berücksichtigung ökologischer und gesundheitlicher Verbesserungen über alle Lebenszyklusphasen hinweg,
  • Wirtschaftswachstum, ohne immer mehr endliche Rohstoffe zu verbrauchen.

Für die effektive Wiederverwendung und Wiederverwertung kommt es auf eine ganzheitliche Planung an. Das schließt sowohl den Einsatz nachwachsender Rohstoffe wie Holz und Hanf ein als auch das Recycling konventioneller Materialien wie Beton und Metall. Aus Abbruchmaterial lässt sich so zum Beispiel R-Beton herstellen. Das reduziert CO2-Emissionen und schont Primärrohstoffe wie Kies oder Sand. Metalle wie Stahl und Aluminium können nahezu unbegrenzt wiederverwertet werden. Ihre Wiederaufarbeitung spart zudem Energie. Für das effiziente Recycling ist bereits von Beginn an auf die sortenreine Trennung der Legierungen zu achten.

Wiederverwendbare und schadstofffreie Materialien

Es sind jedoch vor allem ökologische Baustoffe, die für die konsequente Umsetzung der Kreislaufwirtschaft eine Schlüsselrolle spielen. Diese Materialien zeichnen sich dadurch aus, dass sie wiederverwendbar, recyclingfähig oder biologisch abbaubar sind. Besonders geeignet sind folgende:

  • Holz nimmt als nachwachsender Rohstoff während seines Wachstums Kohlenstoffdioxid auf und wirkt somit als natürlicher CO2-Speicher. Nach der Nutzung kann es in neuen Bauprojekten eingesetzt, zu neuen Möbeln verarbeitet oder als Sekundärrohstoff verwendet werden.
  • Hanf wächst schnell, benötigt wenig Wasser und kaum Pflanzenschutzmittel. Bereits auf dem Feld bindet Hanf große Mengen Kohlendioxid, teils sogar mehr, als bei seiner Weiterverarbeitung freigesetzt werden. Hanfbeton, der aus Hanfschäben und Kalkmörtel besteht, eignet sich sogar für den Massivbau. Die offene Struktur des Materials ermöglicht eine effektive Wärmedämmung, Feuchtigkeitsregulierung und einen guten Schallschutz. Nach seiner Nutzung ist Hanfbeton kompostierbar und teils recycelbar.
  • Lehm ist ein vielfältiger, lokal verfügbarer Baustoff, der ohne Brennvorgang verarbeitet werden kann. Dadurch ist seine Herstellung weniger energieintensiv als die von Ziegeln oder Zementprodukten. Lehm reguliert zudem die Raumfeuchte, bindet Schadstoffe und verbessert das Raumklima. Nach dem Rückbau lässt er sich unkompliziert wiederverwenden, da er wasserlöslich ist, formbar bleibt und keine chemischen Zusätze erfordert.
  • Bambus benötigt im Vergleich zu Bäumen kaum Pflanzenschutzmittel und Dünger, was seinen ökologischen Fußabdruck verkleinert. Durch seine hohe Zug- und Druckfestigkeit findet er Anwendung in tragenden Konstruktionen, Bodenbelägen sowie Fassaden- und Innenverkleidungen.
  • Kork, gewonnen aus der Rinde der Korkeiche, überzeugt durch hervorragende Dämm- und Schallschutzeigenschaften, hohe Elastizität und Langlebigkeit. Der Ernteprozess schont den Baum, der weiter CO2 speichert. Kork lässt sich mehrfach recyceln und verliert selbst nach mehrfacher Aufbereitung kaum an Qualität. Er ist biologisch abbaubar und kommt ohne chemische Zusatzstoffe aus.

Zirkulär denken von der Planung bis zum Rückbau

Eine nachhaltige Bauweise entsteht nicht zufällig. Sie ist das Ergebnis konsequenter Anwendung der Kreislaufwirtschaftsprinzipien von der ersten Skizze bis zum Rückbau. Bereits in der Planungsphase ermöglicht eine umfassende Lebenszyklusanalyse eine ganzheitliche Bewertung ökologischer, ökonomischer und funktionaler Aspekte. Flexible Grundrisse, barrierefreie Elemente und mögliche Umnutzungen werden früh bedacht.

In der Bauphase stehen emissionsarme, zertifizierte Materialien mit hoher Rückbau- und Recyclingfähigkeit im Vordergrund. Umweltproduktdeklarationen und die Berücksichtigung regionaler Wertschöpfungsketten verbessern die ökologische Bilanz. Modulare Bauteile erleichtern später die sortenreine Trennung und Wiederverwertung.

Während der Nutzungsphase liegt der Fokus auf einem ressourcenschonenden Betrieb der Gebäude. Ein intelligentes Energiesystem, regenerative Energiequellen und die vorausschauende Wartung senken Betriebskosten und erhalten den Wert der Immobilie.

In der Rückbauphase können durch präzise Materialerfassung wertvolle Rohstoffe wiedergewonnen werden. Rückbaugerechte Konstruktionen und digital geführte Materialpässe dokumentieren die sortenreine Demontage.

Zirkuläres Bauen ebnet den Weg für eine Bauwirtschaft, die umweltfreundlicher und wirtschaftlich zukunftsfähig ist. Es bedeutet, das Bauen neu zu denken und Materialquellen in Städten zu erschließen. Bauherren, die das Kreislaufprinzip für sich nutzen möchten, finden bei der Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) praktische Hilfsmittel, wie Checklisten, Bewertungsmodelle und standardisierte Dokumentationsinstrumente.

 

 

Über den Autor

Christian Schaar ist Geschäftsführer der S2 GmbH (s2-architektur.com). Seine baubiologischen Kenntnisse erlangte er durch den täglichen Umgang mit Problemen der Baubiologie in verschiedenen Unternehmen des ökologischen Holzbaus. Als Geschäftsführer eines Planungsbüros mit Schwerpunkt ökologischer Holzbau wird er bei Neubauprojekten und Sanierungen regelmäßig mit baubiologischen Fragestellungen konfrontiert und als Experte auf diesem Gebiet konsultiert.

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