Thursday, June 26, 2025

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Die EU-Kommission hat ihre Richtlinien zum Thema Nachhaltigkeit verändert. Was kommt nun auf Unternehmen zu? Lohnt es sich noch, nachhaltig zu denken?

Bild: iStock

 

Die Nachhaltigkeitspolitik der EU gleicht einer Operation am offenen Herzen. Seit Jahren werden Regelungen entwickelt und über Richtlinien vorgegeben – auch wenn die finale Vorgehensweise noch nicht klar ist. Nun wurden im April gleich mehrere bereits festgelegte Nachhaltigkeitsrichtlinien über die Omnibus-Verordnung wieder verändert. Im Wesentlichen werden die Berichtspflichten im Bezug auf Unternehmensgrößen und Zeiträumen gelockert – ein Boost für mehr Wachstum in der Wirtschaft?

Report-Bloggerin und Nachhaltigkeitsspezialistin Marlene Buchinger betrachtet die geplanten gesetzlichen Erleichterungen kritisch. Für sie ist das Auseinandersetzen mit ESG-Kennzahlen längst ein Hebel für effizientes Wirtschaft geworden, »beispielsweise bei den Treibhausgasemissionen, bei Daten zum Energieverbrauch oder Fragen zu Arbeitsunfällen. Ohne entsprechende Wissensbasis sind wir planlos«, betont sie. »Die europäischen Regelungen waren, wie einst die Datenschutzgrundverordnung, starke weltweite Signale. So hat China im Vorjahr einen Entwurf des Corporate Sustainability Reporting Standards CSRS, des chinesischen Pendants zum europäischen Nachhaltigkeitsberichtsstandard ESRS vorlegt. Bemerkenswert ist, dass China das europäische Prinzip der doppelten Wesentlichkeit übernahm«, betont Buchinger.

Doppelte Wesentlichkeit bedeutet, dass neben finanziellen Auswirkungen auf das Unternehmen auch evaluiert wird, welche Auswirkungen die Aktivitäten des Unternehmens auf sein Umfeld haben. »Die Daten zu den Nachhaltigkeitsaktivitäten der Unternehmen werden so und so benötigt. Finanzinstitute interessieren sich bereits jetzt für die Branchenaktivitäten und Klima­risiken. Auch andere Länder fordern sie bereits«, so Buchinger weiter. Beispielsweise müssen Unternehmen bestimmter Branchen, wie Fahrzeug- oder Maschinenbau, die in die USA liefern, auch heute schon genaue Informationen zur Herkunft ihrer Teile geben.

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Bild: Marlene Buchinger, Buchinger|Kuduz: "Die Daten aus der Nachhaltigkeitsberichterstattung dienen als Verbesserungsgrundlage um zum Beispiel Kosten von Ressourcen zu senken, den Energieverbrauch zu optimieren oder die Logistikkosten zu senken."

Wettbewerbsvorteile
Dass sich die Hausaufgaben beim Thema Nachhaltigkeit lohnen können, zeigt eine internationale Studie. Der Informationsdienstleister CRIF hat 500.000 Unternehmen aus 144 Ländern analysiert und ist zu dem Schluss gekommen: Die ESG-Kriterien Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance) sind Faktoren für langfristigen wirtschaftlichen Erfolg. Unternehmen mit guten oder sehr guten ESG-Scores (A oder B) erwirtschaften 72 % des Gesamtumsatzes aller ESG-zertifizierten Unternehmen. Jene Unternehmen, die ESG-zertifiziert sind, haben ein nur halb so hohes wirtschaftliches Risiko im Vergleich zur Normalverteilung in den untersuchten Ländern. Zudem weisen nachhaltige Unternehmen mit einem sehr guten oder guten ESG-Score ein bis zu 35 % geringeres Insolvenzrisiko auf als Firmen mit schwacher ESG-Performance.

Nachhaltigkeit bringt Wettbewerbsvorteile mit sich, ist auch Karl Sagmeister, Geschäftsführer bei Schneider Electric, überzeugt: »Unternehmen mit entsprechendem Engagement stehen nicht nur bei Kunden höher im Kurs. Sie sind auch attraktiver für junge, hochqualifizierte Arbeitskräfte. Darüber hinaus wird die ökologische und soziale Positionierung immer relevanter für Investoren und Anleger.« Sagmeister erzählt von einem Gespräch mit einem Verpackungshersteller. Die Geschäftsführerin sieht sich in ihrer Rolle als Entscheidungsträgerin in erster Linie als Risikomanagerin. Dementsprechend sei es selbstverständlich, eine Kategorie wie klimabezogene Risiken einzubeziehen, um sich langfristig abzusichern und Lösungen für mehr Resilienz des Unternehmens zu implementieren.

»Erfahrungsgemäß haben Branchen mit naturgemäß großem Fußabdruck wie in der Industrie oder in der Mobilität bereits häufiger Maßnahmen umgesetzt, da sie schon länger unter Handlungsdruck stehen. In diesen Branchen gibt es bereits mehr Vernetzung, Richtlinien, und Standards als Unterstützung«, beobachtet Sagmeister. Im emissionsärmeren Dienstleistungssektor würden dagegen viele noch »am Anfang stehen und Orientierung suchen«.

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Bild: »Branchen mit unterschiedlichem Handlungsdruck«, sieht Karl Sagmeister, Schneider Electric.

Unternehmen sollten sich also aktiv mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen – nicht nur, um sicherzustellen, dass sie Umwelt und Mensch keinen Schaden zufügen, sondern auch, um ihre eigenen Umwelt-, Technologie- und Energiekosten zu senken, teure Folgeschäden zu vermeiden und ihre Lieferketten widerstandsfähig zu halten. »In einer globalen Realität, die zunehmend von Klimawandel und politischen Unsicherheiten geprägt ist, gewinnen knappe und teurer werdende Ressourcen und Energie zunehmend an strategischer Bedeutung«, erkennt auch Gabriela Espinosa, Expertin für die Verifizierung von Carbon Footprints und CO2-Neutralität bei TÜV SÜD Energietechnik. Investitionen würden sich der Expertin zufolge »zwar oft erst nach einer gewissen Abschreibungsdauer« rechnen, doch Resilienz sollte heute schon mitgedacht werden – »um in der Welt von morgen bestehen zu können«, empfiehlt Espinosa.

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Bild: »Ressourcen und Energie gewinnen zunehmend an strategischer Bedeutung«, sagt Gabriela Espinosa, TÜV SÜD Energietechnik.

Aus der Praxis
Häufige erste Maßnahmen in Richtung Nachhaltigkeit umfassen den Einsatz erneuerbarer Energien, die Optimierung von Produktionsprozessen und die Verbesserung der Ressourceneffizienz. Besonders bei rohstoffintensiven Prozessen, wie in der Stahl-, Aluminium- und Papierindustrie, kann der Einsatz von Sekundärrohstoffen – also aus Abfällen hergestellten Rohstoffen – erhebliche Einsparungen bei den Treibhausgasemissionen bewirken. Generell liegt der Unterschied für Unternehmen darin, ob diese Änderungen direkt implementieren können oder ob die Änderungen in der Lieferkette stattfinden müssen, was wiederum nicht in ihrem direkten Einflussbereich liegt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die meisten Emissionen aus dem Ressourcenabbau und der Produktion der Vorprodukte entstehen.

Mit der neuen Regulatorik sollen ESG-Daten in der Zukunft wie finanzielle Daten behandelt werden und entsprechend gute Qualität haben. Doch wurden die meisten von diesen Daten von der Wirtschaft bis jetzt weder gesammelt noch analysiert. Die meisten Unternehmen stehen nun vor riesigen Herausforderungen, sich ein Bild davon zu machen: Wo sie stehen und wo es mit einer Strategie hingehen soll.

 

Beispiele aus der Praxis

Die Anforderungen aus der Berichterstattung bedeuten, dass sich viele Unternehmen zum ersten Mal mit ihren Daten aus dem Bereich Umwelt und Ressourcenaufwand auseinandersetzen: Wie viel Wasser habe ich verbraucht? Wie viel CO2 wird für die Erstellung eines Produktes emittiert? Es ergeben sich dadurch kurzfristige und langfristige Auswirkungen:

Kurzfristige Verbesserungen
Ein Unternehmen hat beispielsweise ein Monitoring des Strom-, Gas- und Wasserverbrauchs eingesetzt und kann bereits nach einer Woche ein Leck entdecken und somit wertvolle Ressourcen und Kosten sparen.

Langfristige Verbesserungen
Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen bei einer genaueren Berechnung eines Business Case für den Einsatz von Solarpanelen: Kennt man den tatsächlichen Bedarf an Energie, lassen sich leichter die Investition und die Amortisierung berechnen, sodass die strategische Entscheidung für die Umsetzung von Solarpanelen fundierter und transparenter ist.

Wettbewerbsvorteile sichern: Transparente ESG-Offenlegungen stärken die Markenreputation und die Marktdifferenzierung. Die ersten ESRS-Berichte werden im Detail analysiert und kommentiert, auch in Social Media. Dadurch können Kunden und Talente gewonnen werden.

Innovation für mehr Nachhaltigkeit: KI und digitale Zwillinge helfen bei der Simulation von Klimafolgenszenarien und ermöglichen so intelligentere Geschäftsentscheidungen und helfen, Abnutzung und Verschleiß frühzeitig zu erkennen, sodass Maschinen nicht ausfallen. Es werden dadurch Energie und Ressourcen gespart.

 

Hier geht es zu Tipps von Anne Marchal, Tietoevry und Werkzeugen für die Nachhaltigkeit: https://www.report.at/tech/werkzeuge-fuer-die-nachhaltigkeit

 

Klimaspiele

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Beim »EU Climate Pact Game Jam 2025« haben im über 40 junge Talente in der Wiener Blumenfabrik innerhalb von 48 Stunden spielbare Games zum Klimaschutz entwickelt – kreativ, alltagsnah und online spielbar. »Wir hatten in der Blumenfabrik ein volles Haus, und die Stimmung war großartig«, resümiert Jan Steinhauser, Forscher am IIASA, Co-Gründer von Terragami und EU Climate Pact-Botschafter (Bild). »Mehrere Teams zwischen drei und fünf Personen haben in nur zwei Tagen spannende Prototypen entwickelt – mit Ansätzen aus der System- oder der individuellen Perspektive. Die Vielfalt der Themen zeigt, wie breit Klimaschutz gedacht werden kann. Natürlich ging es nicht darum, fertige Games zu produzieren, sondern kreative Ansätze zu entwickeln – und der Output war beeindruckend.« Nun sind die Spiele online zugänglich: Ob Strom sparen im Geisterhaus, vegane Küche im Minigame oder ein Tornado, der grüne Energie liebt – die Prototypen zeigen mit viel Witz, wie Gamification zu mehr Klimabewusstsein führen kann.

itch.io/jam/climate-pact-game-jam/entries

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