Freitag, März 29, 2024

Weniger als acht Stunden im Homeoffice arbeiten

Darf ich selbstbestimmt am mobilen Arbeitsplatz auch kürzer arbeiten als meine reguläre Tagesarbeitszeit? Bei vertraglich vereinbarten acht Stunden pro Tag, darf ich da auch entscheiden, an bestimmten Tagen nach vier oder sechs Stunden Schluss zu machen und mich auszuklinken? Das Homeoffice-Gesetz legt den Fokus auf "ganze" Tage; das wäre eher ein "Nein" von dieser Seite. Wie verhalten sich aber die Arbeitgeber. Erlauben und ermöglichen Arbeitgeber dennoch Flexibilität in diese Richtung?

Fast 2.000 Arbeitnehmer:innen haben an unserer Österreich-Studie zu mobilem Arbeiten "nach" der Pandemie mitgewirkt. Im Zug der Studie haben wir 12 Freiheitsgrade untersucht, die durch Arbeitgeber am mobilen Arbeitsplatz eingeräumt werden

Warum das Thema wichtig ist: Es geht insbesondere um Vereinbarkeit. Wenn private Verpflichtungen es erfordern, verfügt eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer dann über die Möglichkeit früher aufzuhören oder nicht. Dabei kann es um Kinder, Familie, Pflege von Angehörigen oder unvorhergesehene private Verpflichtungen gehen, die sich plötzlich "auftun"; das ist das Leben! Und kann das reale Leben auch auf diese Art und Weise gut mit den beruflichen Verantwortlichkeiten integriert werden. Im vorherigen Artikel hatten wir längere Arbeitsunterbrechungen näher beleuchtet (Zum vorherigen Artikel). Beide Flexibilitätsoptionen – längere Arbeitsunterbrechungen sowie kürzer arbeiten – sind sehr verwandt und dienen ähnlichen Zwecken. Dennoch haben wir sie in unserer Studie separat untersucht, um ein genaues Bild zu erhalten über die Vielfalt der sich dann personaladministrativ dann doch wesentlichen unterscheidenden Möglichkeiten, die Arbeitnehmer:innen eingeräumt werden.

Dazu haben wir die Teilnehmer:innen der Studie gebeten auf einer fünfstufigen Skala (Nie, Kaum, Gelegentlich, Häufig, Immer) anzugeben, in welcher Form die nachfolgende Aussage auf sie zutrifft: "Mein Arbeitgeber ermöglicht mir, weniger als meine vertraglich vereinbarte, tägliche Arbeitszeit mobil zu arbeiten."

Ergebnis
71% der Arbeitnehmer:innen haben keinen oder so gut wie keinen Zugang zu dieser Flexibilitätsoption. Auf der anderen Seite sind es dann nur 29% der Arbeitnehmer:innen, die tatsächlich am mobilen Arbeitsplatz auch kürzer arbeiten dürfen, als die vertraglich vereinbarte, tägliche Arbeitszeit.

Ursachen, Hintergründe und Ansatzpunkte für Veränderung
Welche Ursachen können im Betrieb dazu führen, dass ein kürzer Arbeiten nicht möglich ist, bzw. wo kann man im eigenen Betrieb ansetzen, zur Verbesserung der Situation:

- Eine betriebliche Regelung fordert "ganze" mobile Arbeitstage; eine Unterschreitung der täglich vereinbarten Arbeitszeit ist zwar im Büro möglich, aber nicht am mobilen Arbeitsplatz. Der Grund dahinter kann simpel sein: Das Homeoffice-Gesetz in Österreich verlangt in seiner ersten Fassung derzeit noch volle Arbeitstage. Nur für diese kann eine steuerliche Anerkennung der Kosten oder eine Kostenerstattung durch den Betrieb erfolgen, z.B. für die Kosten einer Datenverbindung, wie es das Gesetz vorsieht.

- Es gibt keine Regelung dazu, aber die jeweilige Vorgesetzte oder der jeweilige Vorgesetzte fordert volle Arbeitstage am mobilen Arbeitsplatz ein. Diese Möglichkeit erscheint uns im Forschungsteam jedoch als sehr theoretisch und als nicht plausibel.

- Es gibt eine Regelung im Unternehmen, die es erlaubt, am mobilen Arbeitsplatz weniger Stunden zu arbeiten, aber die jeweilige Führungskraft fordert volle Arbeitstage. Aber auch diese mögliche Ursache erscheint uns aus der heutigen Forschungssicht eher unplausibel. Der hauptsächliche Auslöser könnte tatsächlich die aktuelle Fassung des Homeoffice-Gesetzes in Österreich sein.

Welche Rahmenbedingungen wurden möglicherweise in Betrieben geschaffen, in denen am mobilen Arbeitsplatz auch ohne weitere Umstände kürzer gearbeitet werden kann:

- Die Policy für mobiles Arbeiten erlaubt dies explizit. Allerdings muss der Betrieb in diesem Fall eine administrative Vorgehensweise für diesen Geschäftsfall entwickeln. Denn die erste Fassung des Homeoffice-Gesetzes verlangt – wie oben bereits angesprochen – die Dokumentation voller Homeoffice-Tage durch den Betrieb. Es müsste also im ERP-System ein entsprechender zweiter Buchungskreis für mobile Arbeitstage eingerichtet werden, an denen weniger als die volle Arbeitszeit geleistet wird. D.h., in dem Fall wird ein Nicht-Homeoffice-Tag gebucht, den man zum Beispiel einfach mit "Mobiler Arbeitstag" im Zeiterfassungssystem benennen kann; und so ein mobiler Arbeitstag darf auch kürzer sein als die reguläre vertraglich vereinbarte, tägliche Arbeitszeit. Das ist derzeit auch die verbreitete Best-Practice in Betrieben, die ihren Mitarbeiter:innen mehr Flexibilität ermöglichen wollen, als in der ersten Fassung des Homeoffice-Gesetzes festgeschrieben wurde.

- Was ebenfalls der Fall sein kann: Die Policy sieht keine Regelung zu diesem Thema vor und kürzer zu arbeiten wird toleriert. Allerdings kann ein Betrieb administrativ in Bedrängnis geraten, wenn kein entsprechender separater Buchungskreis oder keine separate Buchungsmöglichkeit für diesen Geschäftsfall geschaffen wurde – zumal ja die gesetzliche Verpflichtung besteht, Homeoffice-Tage zu dokumentieren. Und bei diesen muss es sich um volle Arbeitstage handeln.

- Was eher unwahrscheinlich ist: Der Betrieb lässt in seiner Policy kein verkürztes Arbeiten zu, aber die jeweilige Führungskraft erlaubt es in ihrem oder seinem Einflussbereich. Dieses Vorgehen ist sehr problematisch aufgrund der Verpflichtung zur Arbeitszeitaufzeichnung und der Dokumentationspflicht für Homeoffice-Tage. Und natürlich ist das "Schreiben" eines vollen Arbeitstages in der Arbeitszeitaufzeichnung ein absolutes No-Go, wenn kürzer gearbeitet wurde, um das Umgehen des betrieblichen Verbotes zu verschleiern.

Die Option, kürzer als die vertraglich vereinbarte, tägliche Zeit zu arbeiten, stellt für Arbeitnehmer:innen eine Möglichkeit dar, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu verbessern. Und sie stellt eine für ArbeitnehmerInnen wahrscheinlich wichtige Alternative zu längeren Unterbrechungen des Arbeitstages dar. Wie wichtig diese Optionen im Vergleich zu anderen Freiheitsgraden sind, muss aber durch zukünftige Forschung erst noch beantwortet werden.

Über das Forschungsprojekt
Die Studie wurde als gemeinsames Forschungsprojekt der FH des BFI Wien und der IMC FH Krems durchgeführt. Das Forschungsteam: Laura Dörfler (FH des BFI Wien), Michael Bartz (IMC FH Krems), Christopher Schwand (IMC FH Krems), David Strauß (FH des BFI Wien). Finanziert wurde einjährige Forschungsvorhaben vom Digitalisierungsfonds Arbeit 4.0 der Arbeiterkammer Wien.

Bild: iStock

Den Originalartikel vom 26. April 2022 und weitere Informationen zur Blog-Reihe anlässlich der Österreich-Studie finden Sie unter https://newworldofwork.wordpress.com/2022/04/26/weniger-als-8-stunden-im-homeoffice-arbeiten/


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