Friday, June 06, 2025

Mehrwert für Manager

Der Short-Term-Rental-Markt in den USA zeigt, wie Kurzzeitvermietungen den Immobilienmarkt ins Wanken bringen.

Eine Angebotsspirale in einem abkühlenden Markt wäre brandgefährlich.


Was einst als glorreiche Idee begann – das eigene Zuhause an Reisende zu vermieten und dabei etwas dazuzuverdienen – entpuppt sich zunehmend als tickende Zeitbombe für den Immobilienmarkt. Der Short-Term-Rental-Markt (STR), Paradebeispiel der Plattformökonomie und angeführt von Airbnb, ist ins Straucheln geraten. Und zieht nun, so scheint es, die gesamte Immobilienwirtschaft mit sich in die Schieflage.

Die Zahlen sprechen Bände: Laut Daten der Federal Reserve Bank of St. Louis stehen aktuell 892.561 Wohnimmobilien in den USA zum Verkauf – ein historisch hoher Wert. Noch brisanter ist eine Analyse von AirDNA, einer auf STR-Marktanalysen spezialisierten Plattform: Rund 667.000 dieser zum Verkauf stehenden Objekte waren bis vor Kurzem aktive Airbnb- und STR-Einheiten. Das bedeutet, dass rund drei Viertel des aktuellen Verkaufsvolumens auf Immobilien entfallen, die in der Kurzzeitvermietung aktiv waren. Ein deutliches Zeichen, dass sich ein Marktsegment entlädt, das sich zuvor in einem unregulierten Boom befand.

Der Mythos Airbnb
Ursprünglich wurde Airbnb als Lösung für urbane Wohnraumnutzung und Tourismus gefeiert. Doch mit dem exponentiellen Wachstum der Plattform änderte sich auch das Geschäftsmodell. Private Eigentümer wurden zu semiprofessionellen Vermietern, Investoren kauften ganze Wohnhäuser auf – nicht, um Menschen langfristig ein Zuhause zu geben, sondern, um Touristen ein paar Nächte zu beherbergen. Das führte zu einem künstlich verknappten Wohnungsmarkt, steigenden Mietpreisen und dem Verlust an leistbarem Wohnraum. Zahlreiche Städte reagierten mit Regulierungen – zu spät, wie viele Experten heute sagen.

Hotspots des STR-Booms und der Krise
Besonders dramatisch ist die Entwicklung in Städten, in denen STR-Angebote einen erheblichen Teil des gesamten Wohnungsbestands ausmachen. Hier eine Auswahl laut aktuellen AirDNA-Analysen:

- Sedona, AZ: 20 % der Wohnimmobilien sind STR-Einheiten
- Scottsdale, AZ: rund 15 % der Objekte auf Kurzzeitmietplattformen
- Miami Beach, FL: etwa 12 % des Wohnraums für Touristen reserviert
- New Orleans, LA: 10 % des Wohnungsbestands als STR registriert
- Asheville, NC: ca. 8 % Anteil an STRs
- Nashville, TN: knapp 7 %
- Austin, TX: etwa 6 %, mit stark zunehmender Tendenz
- Los Angeles, CA: rund 4 %, trotz strengerer Regulierungen
- Dallas, TX: offizieller STR-Anteil bei nur 0,42 %, aber mit deutlicher Dunkelziffer und politischem Konfliktpotenzial
- New York City, NY: stark zurückgedrängt durch neue Gesetze, vormals jedoch ein Hotspot mit tausenden Angeboten

In diesen Städten kann ein plötzlicher Rückfluss von STR-Einheiten in den regulären Markt zu massiven Preisverwerfungen führen.

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Grafik: New York war lange Zeit einer der Hotspots für Kurzzeitvermietungen. Neue Gesetze haben das Angebot aber stark ausgedünnt.

Kipppunkt Immobilienmarkt
Der STR-Markt funktioniert ähnlich wie ein Kartenhaus: Solange Nachfrage, Buchungen und hohe Tagesmieten gesichert sind, bleibt das System stabil. Fällt jedoch ein Pfeiler – sei es durch regulatorischen Druck, sinkende Nachfrage oder wirtschaftliche Unsicherheit – gerät das fragile Gebilde ins Wanken. Genau das ist aktuell zu beobachten. Die Besitzer vieler STR-Immobilien geraten zunehmend unter wirtschaftlichen Druck. Die Betriebskosten bleiben hoch, die Auslastung sinkt – viele können ihre Kredite nicht mehr bedienen. Der Ausweg: Verkauf.

Doch wenn zu viele gleichzeitig verkaufen wollen, kommt es zur Angebotsflut – und in einem Markt, der sich ohnehin abkühlt, ist das brandgefährlich. Experten befürchten regionale Preisrutsche von bis zu 15–25 % in jenen Städten, in denen der STR-Anteil besonders hoch ist. Gerade in beliebten Tourismus-Hot­spots, die bislang hohe Preisniveaus kannten, droht eine Umwertung. Gleichzeitig schreckt die Unsicherheit auch neue Käufer und Investoren ab – eine klassische Abwärtsspirale.

Der Dominoeffekt
Was den Immobilienmarkt so verletzlich macht, ist die enge Verzahnung mit Finanzierungsstrukturen: Sinken die Immobilienpreise, geraten Kredite unter Druck, Banken werden vorsichtiger, Neubauten geraten ins Stocken. Der STR-Markt wird damit zum systemischen Risiko. Nicht, weil er an sich zu groß ist, sondern weil er wie ein Auslöser wirkt – ein Funke, der ein trockenes Marktumfeld in Brand setzt.

Was nun?
Ein vollständiger Kollaps des Immobilienmarkts ist nicht ausgemacht – aber ein regionaler Einbruch ist sehr wahrscheinlich. Städte wie New York oder San Francisco zeigen, dass Regulierung und Marktanpassung möglich sind, wenn sie entschlossen und datengestützt erfolgt. Doch vielerorts fehlen klare politische Strategien.
Für Investoren bedeutet das: Augen auf bei Immobilien in STR-lastigen Regionen. Für Stadtplaner und Wohnbauverantwortliche gilt: Jetzt ist die Zeit, den Wohnungsmarkt zurückzuerobern – von einem Geschäftsmodell, das seine Grenze überschritten hat.

Der Short-Term-Rental-Markt steht exemplarisch für die Schattenseite der Plattformökonomie. Wenn Spekulation über gesellschaftliche Grundbedürfnisse gestellt wird, ist der Schaden am Ende größer als der kurzfristige Gewinn. Das Märchen vom einfachen Einkommen durch Airbnb ist vorbei – und was bleibt, ist ein Markt in Katerstimmung.

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