Tuesday, June 24, 2025

Mehrwert für Manager

Bau | Immobilien

In enger Zusammenarbeit mit Experten von ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte zeigt der Bau & Immobilien Report, welche Auswirkungen die Insolvenz eines Vertragspartners auf den laufenden Bauvertrag hat und wie man sich mit einer geschickten Vertragsgestaltung vor unliebsamen Folgen schützen kann.

Bild: iStock


Im österreichischen Insolvenzrecht gibt es zwei relevante gerichtliche Verfahren, die bei Vorliegen einer materiellen Insolvenz eines Unternehmens oder einer Person zur Anwendung kommen: das Konkursverfahren und das Sanierungsverfahren. Der Hauptunterschied zwischen den beiden Verfahren liegt in ihrem Ziel und ihrer Ausrichtung.

Das über Eigenantrag oder auch über Antrag eines Gläubigers einzuleitende Konkursverfahren kommt zum Tragen, wenn ein Unternehmen oder eine Person zahlungsunfähig ist und keine Aussicht auf einen wirtschaftlichen Turn­around besteht. Ziel dieses Verfahrens ist es, die vorhandenen Vermögenswerte des Schuldners bestmöglich zu verwerten und die Erlöse gleichmäßig an die Gläubiger zu verteilen. Ein durchgeführtes Konkursverfahren führt zur Auflösung des Unternehmens und zur Verwertung aller Vermögenswerte des Schuldners.

Das nur über Antrag des Schuldners einzuleitende Sanierungsverfahren hingegen verfolgt das Ziel, dem Schuldner eine wirtschaftliche Sanierung und Fortführung seines Unternehmens zu ermöglichen. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem der Schuldner zwar ebenso materiell insolvent ist, er aber noch die Aussicht auf eine Wiederherstellung seiner Zahlungsfähigkeit bzw. Beseitigung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung hat: In einem gerichtlichen Verfahren verzichten Gläubiger auf einen Teil ihrer Insolvenzforderungen; die im Sanierungsverfahren anzubietende und von der Mehrheit der Gläubiger anzunehmende Mindestquote beträgt hierbei zumindest 20 %. Das Ziel ist es, dem Schuldner zu ermöglichen, seine Geschäftstätigkeit fortzusetzen und sich über eine Entschuldung der »Altverbindlichkeiten« wirtschaftlich zu sanieren.

Der Umgang mit Forderungen
In Österreich müssen Insolvenzforderungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens angemeldet werden, damit Gläubiger am Verfahren teilnehmen und von einer etwaigen Insolvenzmasse profitieren können. Die Veröffentlichung einer Insolvenz erfolgt über die öffentlich einsehbare Ediktsdatei – eine andere Verständigung ist grundsätzlich nicht vorgesehen; ausnahmsweise werden jene Gläubiger direkt verständigt, die in einem Insolvenzantrag explizit als Gläubiger genannt sind. Das Edikt enthält die wesentlichen Informationen über die Insolvenz, wobei für den Gläubiger im ersten Schritt die Anmeldefrist für die Insolvenzforderungen (in der Regel rund ein Monat nach Insolvenzeröffnung) von Interesse ist. Nachträgliche Anmeldungen sind zwar möglich, können aber mit erheblichen Nachteilen (Kosten, Nichtberücksichtigung bei Verteilungen etc.) verbunden sein.

Aussonderungs- und Absonderungsrechte
Ein Aussonderungsrecht im Insolvenzverfahren bezeichnet das Recht eines Gläubigers, bestimmte Vermögenswerte, die im Eigentum des Gläubigers stehen und sich im Besitz des Schuldners befinden, von der Insolvenzmasse auszunehmen. Dies bedeutet, dass der Gläubiger diese Vermögenswerte nicht dem Insolvenzverfahren zur Verwertung überlassen muss, sondern sie zurückfordern (aussondern) kann. So ist der Gläubiger bei absonderungsfähigen Rechten nicht auf die niedrige Insolvenzquote verwiesen, er erhält sein Eigentum vollständig zurück.

Für Bauverträge ist das jedenfalls für den Bauunternehmer von praktischer Bedeutung, insofern dieser etwa für auf der Baustelle gelagertes, noch nicht verbautes Material einen Eigentumsvorbehalt vertraglich vereinbart hat. Bereits verbautes Material geht in das Eigentum des Grundstückseigentümers über – an diesem bleibt kein Eigentumsvorbehalt bestehen. Die im Großteil der österreichischen Bauverträge vereinbarte Werksvertragsnorm ÖNORM B 2110 sieht diesbezüglich Regelungen vor, die (leider) oftmals zu kurz greifen – der Bauunternehmer sollte eine individuelle Regelung im Bauvertrag vorsehen.

Rücktrittsrechte bei Insolvenz eines Vertragspartners
Schlittert ein Unternehmen in die Insolvenz, herrscht bei den Vertragspartnern dieses Unternehmens oftmals Unsicherheit betreffend offene Forderungen und/oder noch nicht vollständig erfüllte Verträge. Unklarheit besteht nicht selten auch darüber, ob der insolvente Vertragspartner einen laufenden Vertrag überhaupt noch erfüllen kann, wobei nicht selten daraus der Wunsch nach Auflösung des Vertrags erwächst.

Dabei ist vorweg zu bedenken, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens laufende Bauverträge nicht automatisch beendet. Der weitere Umgang mit einem solchen Vertrag verbleibt vielmehr in den Händen der Vertragspartner, wobei die Insolvenzordnung Rahmenbedingungen für die weitere Vorgehensweise festlegt. So werden Forderungen aufgrund von Leistungen, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht wurden, zu (quotenmäßig zu bedienenden) Insolvenzforderungen; erbrachte Leistungen nach diesem Zeitpunkt begründen demgegenüber voll zu befriedigende Masseforderungen.

Dem Insolvenzverwalter kommt angesichts des laufenden Bauvertrags ein Wahlrecht zu: Dieser kann zwischen (vollständiger) Erfüllung oder Rücktritt des Vertrags wählen – der solvente Vertragspartner hat dabei keinerlei Mitspracherecht. Um diesen unliebsamen »Schwebezustand« für den nicht insolventen Vertragspartner möglichst rasch zu beenden, sieht das Gesetz bloß die Möglichkeit einer Fristsetzung vor.

Die Möglichkeiten zur einseitigen Vertragsauflösung durch den nicht insolventen Vertragspartner sind nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Vertragspartner durch die sogenannte Vertragsauflösungssperre stark eingeschränkt. Insbesondere berechtigen weder eine (auch auf unbestimmte Zeit) verspätete Leistungserbringung noch die (offensichtlich) schlechte wirtschaftliche Lage des insolventen Vertragspartners zur Vertragsauflösung. Durch die vertragliche Vereinbarung der ÖNORM B 2110 erweitert sich das Repertoire an Auflösungsmöglichkeiten durch den solventen Vertragspartner trotz der Vertragsauflösungssperre geringfügig. Sollen darüber hinaus noch Möglichkeiten geschaffen werden, sind diese individualvertraglich zu fixieren, wobei dabei das Verbot von Lösungsklauseln (§ 25b Abs. 2 IO) die Grenze bildet.

Sicherheiten und Sicher­stellungen
Zeichnet sich beim Vertragspartner eine drohende Zahlungsunfähigkeit ab, befindet sich der Vertragspartner bereits in Insolvenz und müsste man für die weitere Abwicklung des Bauvertrags in Vorleistung gehen oder möchte man einfach das Risiko eines (Zahlungs-)Ausfalls minimieren, sind rechtzeitig (idealerweise bereits mit Vertragsabschluss) und rechtssicher vereinbarte Sicherheiten bzw. Sicherstellungen entscheidend.

Sicherstellungen können entweder gesetzlicher oder individualvertraglicher Natur sein, wobei die ÖNORM B 2110 hier auch Regelungen vorsieht. Als klassische Sicherheit zur Absicherung etwaiger zukünftiger Gewährleistungsansprüche fungiert der Haft­rücklass, der in der Regel mit 2–5 % der Auftragssumme vereinbart wird. Im Insolvenzfall ist der Haftrücklass nicht vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Frist an den Insolvenzverwalter herauszugeben, da dieser an das Hervorkommen von Mängeln geknüpft ist – so hat man auch im Falle der Insolvenz des Vertragspartners die Sicherheit, dass (zumindest teilweise) etwaige Gewährleistungsansprüche befriedigt werden.

Eine vertraglich vereinbarte Erfüllungsgarantie schützt den Auftraggeber schon bei Vertragsabschluss weitestgehend vor den negativen Folgen einer Insolvenz des Auftragnehmers. Besteht Unsicherheit über die finanzielle Lage des Auftragnehmers oder ist ein besonders straffer und pönalisierter Zeitplan einzuhalten, bietet eine individualvertraglich verhandelte Erfüllungsgarantie hier Sicherheit für den Auftraggeber. Die ÖNORM sieht hierzu keine Regelungen vor.

Die seit dem Jahr 1811 gesetzlich geregelte, bis heute jedoch relativ selten beachtete »Bauhandwerkersicherung« bietet für den Bauunternehmer eine rasche und vergleichsweise unkomplizierte Möglichkeit, entweder einen Teil des noch ausstehenden Werklohns vom Auftraggeber sicherstellen zu lassen oder den Vertrag frühzeitig zu beenden. Unter Einhaltung des gesetzlich fixierten Procederes kann sich der Bauunternehmer so frühzeitig absichern und sein Ausfallsrisiko im Falle der späteren Zahlungsunfähigkeit des Auftraggebers minimieren. Ist die ÖNORM B 2110 vereinbart, kann der Auftraggeber auf eine spiegelbildliche Regelung zurückgreifen und sich wiederum gegenüber dem Bauunternehmer absichern. Aber Achtung: Die Bauhandwerkersicherung besteht nicht gegenüber Konsumenten und öffentlichen Auftraggebern.

Insolvenz des Subunternehmers
Ein Generalunternehmer, der sich in Erfüllung eines Werkvertrages für (s)einen Bauherrn eines oder mehrerer Subunternehmer bedient, steht sprichwörtlich in der Mitte dieser aufeinander basierenden Kette an Bauverträgen. Im Verhältnis zum Bauherrn ist der Generalunternehmer oftmals an die von diesem aufgestellten Vertragsbedingungen gebunden. Als Auftraggeber gegenüber seinen eigenen Subunternehmern hat er die Möglichkeit, diese Verträge nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten. So kann er letztere der genannten Verträge weitgehend an sein eigenes Vertragsverhältnis zu seinem Auftraggeber (dem Bauherrn) knüpfen oder aber auch bewusst davon Abweichungen vorsehen.

Trotz dieser vermeintlichen Abhängigkeit voneinander ist jedoch allein der Generalunternehmer dem Bauherrn gegenüber verantwortlich. Wird über das Vermögen des Subunternehmers ein Insolvenzverfahren eröffnet, befreit dies den Generalunternehmer nicht davon, seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Bauherrn zu erfüllen – darunter fallen insbesondere Termin- und daran geknüpfte Pönalvereinbarungen sowie in weiterer Folge auch etwaige gewährleistungsrechtliche Verpflichtungen. Der Generalunternehmer trägt das volle Insolvenzrisiko des Subunternehmers.

Der Generalunternehmer wird in einem solchen Fall zu einer Art »haftungsrechtlichem Puffer«, der bei fehlendem Entgegenkommen des Bauherrn zur Kasse gebeten wird. Neben einer sorgfältigen Bonitätsprüfung der Subunternehmer vor deren Beauftragung kann sich der Generalunternehmer zumindest bedingt individualvertraglich absichern. Da weder das allgemeine bürgerliche Recht noch die ÖNORM B 2110 für solche Fälle spezielle Regelungen vorsieht, bedarf es dafür in der Regel der Unterstützung durch einen professionellen Vertragserrichter.


Praxistipps

1. »Wenn der Vertragspartner mit der Erbringung seiner Leistung in Verzug ist, gilt höchste Vorsicht. Dies könnte ein
Indiz für drohende Zahlungsunfähigkeit sein. Rasches Gegensteuern z.  B. durch Verlangen einer Sicherstellung ist sohin geboten.«
Manuel Rathmayr

2. »Werden im Bauvertrag konkret Bedingungen für eine einseitige Vertragsauflösung genannt, erweitern diese in aller Regel die gesetzlichen Auflösungsmöglichkeiten auch im Fall der Insolvenz eines Vertragspartners.«
Lukas Andrieu

3. »Nachdem im Regelfall keine Verständigung der Gläubiger durch das Insolvenzgericht erfolgt, muss – um keine Fristen zu versäumen – regelmäßig selbst Einsicht in die Ediktsdatei unter www.edikte.justiz.gv.at genommen werden.«
Gerhard Schedlbauer

4. »Durch einen vertraglich vereinbarten Eigentumsvorbehalt kann der Bauunternehmer sein Eigentum an noch nicht verbauten Materialien auf der Baustelle des insolventen Vertragspartners sichern, andernfalls bekommt er bloß die Quote.«
Lukas Andrieu

5. »Die Gläubigerschutzverbände (KSV, AKV und ÖVC) bieten die Übernahme von Forderungsanmeldungen inkl. der Vertretung im Insolvenzverfahren als Serviceleistung an.«
Gerhard Schedlbauer


Die Experten

14_17_insolvenzen3.jpg

Mag. Lukas Andrieu, LL.M., ist Partner bei ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte und u. a. spezialisiert auf Bau(schadens)recht, internationales Wirtschafts- und Vergaberecht.

Mag. Gerhard Schedlbauer ist Partner bei ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte und u. a. spezialisiert auf Insolvenz- und Sanierungsrecht, Restrukturierung und Bankrecht.

Ing. Mag. Manuel Rathmayr ist Rechtsanwaltsanwärter bei ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte und Teil des Teams Bau- und Immobilienrecht.

www.scherbaum-seebacher.at 

ThemaThema

Das Ende des Claim Managements

Der Bau & Immobilien Report hat eine hochkarätige Runde zur Diskussion über »Partnerschaftsmodelle« geladen. Der Tenor: Das Zeitalter des Claim-Managements neigt sich dem Ende zu. Für eine kooperative Projektabwicklung sind die Menschen entscheidend, ohne den passenden vertraglichen Rahmen wird es...