Tuesday, December 23, 2025

Mehrwert für Manager

Bau | Immobilien

Gerade in der Weihnachtszeit stehen Baustellen in ganz Österreich still. Davon sind einige bloß mit Bauzäunen gesichert, bei anderen gibt es wiederum vom Auftraggeber eingerichtete Zutrittskontrollen und Überwachungen durch Sicherheitsdienste. Trotz Sicherheitsmaßnahmen kommt es dennoch regelmäßig zu Diebstählen. Es stellt sich daher die Frage, ob der Auftragnehmer oder der Auftraggeber für die daraus resultierenden Nachteile einzustehen hat.

Bild: iStock

Baustellen zählen aufgrund ihrer offenen Struktur, wechselnder Beteiligter und teilweise fehlender Sicherungsmaßnahmen zu den besonders diebstahls- und schadensanfälligen Einsatzorten. Gestohlen werden kann nahezu alles, was beweglich und werthaltig ist: Baustoffe (z. B. Kupfer, Dämmmaterial, Holz), Werkzeuge, Maschinen, Messgeräte sowie sonstige Baustelleneinrichtungen wie Gerüste oder Absperrungen.

Neben dem unmittelbaren wirtschaftlichen Schaden hat eine derartige Straftat unter Umständen auch erhebliche Auswirkungen auf den Bauablauf. Aufgrund der gestohlenen Materialien, Baustellen­einrichtung oder Maschinen müssen möglicherweise Arbeitsabläufe unterbrochen, Leistungen erneut oder zeitlich verschoben erbracht werden, was zu erheblichen Verzögerungen und damit auch zu einer verspäteten Fertigstellung führen kann. Sowohl das ABGB als auch die ÖNORM B 2110 sehen vor, dass der Auftraggeber ab (Teil-)Übernahme des Werkes die Gefahr für Beschädigungen, Diebstahl oder Zerstörung des Werks trägt. Dem Auftraggeber kommen sodann nur mehr Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche zu. Davon abweichend ist die Situation vor der Übernahme durch den Auftraggeber; bis zur Übernahme trägt der Auftragnehmer grundsätzlich die Gefahr.

Auch, wenn die Risikoverteilung vermeintlich klar erscheint, ergeben sich im Einzelfall regelmäßig Probleme bei der Abgrenzung und es stellt sich die Frage, wer schlussendlich die Gefahr für den Diebstahl und die sich daraus ergebenden nachteiligen Folgen trägt.

Sphärentheorie
Die Sphärentheorie ist kein ausdrücklich im ABGB normierter Begriff, sondern eine von der Rechtsprechung entwickelte Zurechnungsregel. Sie dient dazu, Störungen im Bauablauf – etwa Verzögerungen, Beschädigungen, Verlust oder eben Diebstahl sowie andere unvorhergesehene Ereignisse – einer bestimmten Risikosphäre von zuzuordnen. Mithilfe der Sphärentheorie lässt sich somit klären, ob der Auftragnehmer weiterhin leistungs- und kostenpflichtig bleibt oder ob er Anspruch auf Entgelt bzw. Bauzeitverlängerung hat.

Die Sphärentheorie gliedert die Risikobereiche in die Auftraggeber-, die Auftragnehmer- und die neutrale Sphäre. Während zur Auftraggebersphäre etwa die Ausschreibung, Planung und der Baugrund zählen, umfasst die Auftragnehmersphäre insbesondere Ausführungsfehler. Die neutrale, gleichwohl nach dem ABGB dem Auftragnehmer zugerechnete Sphäre, betrifft hingegen von beiden Seiten unbeeinflussbare Ereignisse wie Krieg, Unwetterkatastrophen oder sonstige Ereignisse höhere Gewalt. Da der Diebstahl der neutralen Sphäre zugeordnet wird ergibt sich aus der Sphärentheorie des ABGB, dass grundsätzlich der Auftragnehmer für die nachteiligen Folgen aus einem Diebstahl, einzustehen hat.

Die ÖNORM B 2110 übernimmt die Sphärentheorie nicht ausdrücklich, baut aber erkennbar darauf auf. Gemäß der ÖNORM B 2110 der Auftraggeber für alle unter Punkt 7.2.1 beschriebenen Umstände (z. B. Ausschreibungs- und Ausführungsunterlagen, verzögerte Auftragserteilung, Gewerkekoordination und beigestellte Stoffe). Dem Auftragnehmer werden wiederum alle Ereignisse zugeordnet, welche nicht explizit dem Auftraggeber zugeordnet sind. Dies bedeutet, dass der Auftragnehmer grundsätzlich das Risiko für sämtliche Störungen, die aus seiner eigenen Sphäre stammen – etwa unzureichende Sicherung von Gerät und Material oder organisatorische Versäumnisse trägt.

Die Regelung zur Gefahr- und Kostentragung findet sich unter Punkt 11.1.1 der ÖNORM B 2110. Bis zur Übernahme trägt der Auftragnehmer die Gefahr für seine Leistungen einschließlich der Gefahr von Zerstörung, Beschädigung oder Diebstahl. Dies betrifft auch beigestellte Materialien, sofern sie bereits übernommen wurden und der AN nicht alle notwendigen und zumutbaren Schutzmaßnahmen gesetzt hat.

Werden jedoch die Leistungen, beigestellte Materialien, Bauteile oder sonstige für das Bauwerk bestimmte Gegenstände durch ein unabwendbares Ereignis beschädigt oder zerstört und hat der Auftragnehmer alle zur Abwehr der Folgen solcher Ereignisse notwendigen und zumutbaren Maßnahmen getroffen, trägt der Auftraggeber (im Unterschied zum ABGB) die Gefahr. In diesem Fall hat der AN Anspruch auf Entgelt für die bereits erbrachten Leistungen und auf die Vergütung notwendiger Wiederherstellungen sowie auf Verlängerung der Leistungsfrist.

Im Anwendungsbereich der ÖNORM B 2110 trifft folglich den Auftragnehmer die Gefahr für den Diebstahl seiner Materialen, Werkzeuge, Geräte, Maschinen und Baustelleneinrichtung. Hat der Auftragnehmer vom Auftraggeber Materialien übernommen und sämtliche notwendigen und zumutbaren Schutzmaßnahmen gesetzt, hat er für die Folgen eines Diebstahls jedoch nicht einzustehen.

Fürsorgepflichten
Zwar hat der Auftragnehmer bis zur Übergabe seiner Leistungen an den Auftraggeber für die Folgen eines Diebstahls einzustehen, was, wenn der Diebstahl aber erst durch die mangelhafte Absicherung der Baustelle durch den Auftraggeber ermöglicht wird?

Im Anwendungsbereich des Werkvertragsrechts ist der Auftraggeber gemäß § 1169 ABGB dem Auftragnehmer gegenüber zur Fürsorge verpflichtet. Die Fürsorgepflicht erstrecken sich dabei nicht nur die Gesundheit bzw. körperliche Unversehrtheit des Auftragnehmers sowie der ihm zuzurechnenden Personen, sondern auch auf sein Eigentum. Der Auftraggeber hat demnach den Auftragnehmer vor Sachschäden zu bewahren. Er hat dabei alle Maßnahmen zu unterlassen, die die Herstellung des Werks gefährden könnten und derart an der Leistungserbringern mitzuwirken, dass dem Auftragnehmer eine ordnungsgemäße Ausführung ermöglicht wird. Unterlässt der Auftraggeber seine Mitwirkungspflicht oder setzt er Handlungen, die die Leistung des Auftragnehmers erschweren oder beeinträchtigen, hat der Auftraggeber dafür einzustehen bzw. trifft in unter Umständen sogar ein Mitverschulden.

Somit könnte aus der werkvertraglichen Fürsorgepflicht eine Verantwortung des Auftraggebers zur Ergreifung notwendiger und zumutbare Maßnahmen zur Verhinderung von Diebstählen abgeleitet werden. Ob und in welchem Umfang eine taugliche Einbruchs- bzw. Diebstahlprävention von den Fürsorge- und Mitwirkungspflichten des Auftraggebers umfasst ist, wurde von der Rechtsprechung bis heute jedoch nicht geklärt.

Prävention
Auftraggeber und Auftragnehmer sollten bereits im Vorfeld vertraglich zumutbare und geeignete Sicherungsmaßnahmen vereinbaren (z. B. durch Vorgaben zur Bewachung, Zutrittskontrolle, Lagerorganisation oder zu Verantwortlichkeiten während arbeitsfreier Zeiten).

Ebenso empfiehlt sich eine vertragliche Vereinbarung über den Abschluss geeigneter Versicherungen, einschließlich einer eindeutigen Regelung dazu, wer die Versicherungsprämien zu tragen hat. Zudem kann ein präzise strukturierter Terminplan mit klar definierten Vorleistungen (z. B. versperrbare Türen) und Feinkomplettierungsphasen – etwa für die Montage von Armaturen, Schaltern oder anderen hochwertig-kompakten Bauteilen – dazu beitragen, besonders diebstahlgefährdete Leistungen zeitlich konzentriert und damit kontrollierbarer zu organisieren.

Eine derartige Feinplanung erleichtert nicht nur die Koordination, sondern vermindert auch das Risiko, dass leicht demontierbare Komponenten über längere Zeiträume ungeschützt auf der Baustelle verbleiben – egal, ob verbaut oder im Zwischenlager. Auch die vermehrte Präsenz von Wachdiensten in der »baufreien« Zeit, vor allem über Weihnachten, könnte helfen, Diebstähle und Einbrüche effektiv zu vermeiden.


Die Autoren

ver.jpg

Markus Androsch-Lugbauer (l.) ist Rechtsanwalt bei Müller Partner Rechtsanwälte und spezialisiert auf Baurecht, Claim Management und Konfliktlösung.

Christoph Lintsche (r.) ist seit 2022 bei Müller Partner Rechtsanwälte als Rechtsanwaltsanwärter tätig und wird die Kanzlei weiterhin als Rechtsanwalt unterstützen. Seine Beratungsschwerpunkte liegen insbesondere im Bereich Bau(vertrags)recht und Claim Management, Konfliktlösung und Gerichtsverfahren, Baudigitalisierung, Gewährleistungs- und Schadenersatzrecht sowie juristische Bauprojektbegleitung und Immobilienrecht.

Kontakt: www.mplaw.at 

ThemaThema

Früh an Bord

Der Umbau des Ordensklinikum Linz ist eines der aktuell größten Krankenhausprojekte Österreichs. Umgesetzt wird das komplexe Projekt im Rahmen eines partnerschaftlichen Vergabemodells mit Early Contractor Involvement (ECI). Durch die frühzeitige Einbindung der ausführenden Unternehmen in die...

Bau & Wirtschaft

Leben & StilView all