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Familiensilber in guten Händen
Immer seltener werden Betriebe innerhalb der Familie übergeben. Die Unternehmensbewertung erfolgt nach betriebswirtschaftlichen Benchmarks – Emotionen müssen ausgeblendet werden.

Über Familienbetriebe kursiert ein bekanntes Bonmot: »Die erste Generation baut das Unternehmen auf, die zweite Generation führt es weiter, die dritte Generation zerstört es.« Tatsächlich gibt es immer weniger Betriebe, die erfolgreich über vier oder mehr Generationen weitergeführt werden. Während es in früheren Zeiten außer Zweifel stand, dass ein Nachkomme – meist der älteste Sohn – das Unternehmen übernimmt, ist das heute längst nicht mehr selbstverständlich. »In der dritten Generation ist die Unternehmerfamilie oft nicht mehr allein an der Spitze des Unternehmens, sondern ein Teil davon. Und: Es kann schon eine größere Anzahl von Erben geben, was die Entscheidungsfindung im Unternehmen komplexer machen kann«, erklärt Manuela Mätzener, Geschäftsführerin des Instituts für Familien & Betriebe (ifub).
Dieses Risiko steigt mit jeder neuen Generation: Wenn ein Betrieb erfolgreich läuft und weniger aktives Management erfordert, zeigen die Kinder bereits eingeschränktes Interesse oder Engagement für das Unternehmen. Viele verfolgen andere Interessen oder berufliche Ziele – ein Einstieg in das Familienunternehmen hat nicht mehr oberste Priorität.
ifub-Gründerin Mätzener (Bild) hat bereits viele Betriebe in der Nachfolgefrage beraten und rät schon früh zur Erstellung einer »Familiencharta«, um den Nachkommen mögliche Perspektiven im Unternehmen aufzuzeigen: »Es ist wichtig, eine klare Strategie für die Nachfolge und Vermögensübertragung zu haben und rechtzeitig Regelungen zu treffen, um das Vermögen und das Unternehmen für zukünftige Generationen zu sichern.«
Auch regelmäßige Treffen oder Klausuren eignen sich, um in Mehrgenerationen-Unternehmen ein Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln. Manchen Familienmitgliedern ist ihre Verantwortung für das Erbe und die Mitarbeiter*innen nicht klar – wer mehr Einblick bekommt, kann sich vielleicht doch eine zukünftige Rolle im Unternehmen vorstellen.
Einer Erhebung von Dun & Bradstreet zufolge haben rund 15 Prozent der Unternehmen die Nachfolge noch nicht oder nicht ausreichend geregelt. Vorwiegend betroffen sind kleine Betriebe. Mit steigender Mitarbeiterzahl steige auch die Bereitschaft, rechtzeitig die organisatorischen Maßnahmen für eine längerfristige Weiterführung des Unternehmens zu treffen, meint Isabella Blüml, Managing Director von Dun & Bradstreet Austria.
Bild: Isabella Blüml, Managing Director von Dun & Bradstreet Austria: »Es ist wichtig, die betroffenen Firmen zu unterstützen, um den Verlust von Arbeitsplätzen sowie wertvollem Know-how zu vermeiden.«
Externe Lösung
Findet sich in der eigenen Familie keine Nachfolgerin oder ein Nachfolger, muss das nicht zwangsläufig das Ende des aufgebauten Unternehmens bedeuten. Nur noch rund ein Drittel der Unternehmen wird in der eigenen Familie übergeben. Diverse Plattformen und Betriebsbörsen sowie Firmenmakler und auf Übergaben spezialisierte Unternehmensberatungen vermitteln zwischen Unternehmen und Kaufinteressenten. Sie verfügen meist über ein breites Netzwerk und sprechen potenzielle Käufer auch direkt an. Eine geordnete Übergabe und höchste Vertraulichkeit sind dabei gesichert. Konkrete Unterlagen über den Betrieb werden erst offengelegt, wenn ein begründetes Kaufinteresse vorliegt. Zuvor gibt es nur Factsheets mit den wichtigsten Kerngrößen, um die Anonymität des Unternehmens zu wahren. Denn spricht sich in der Branche herum, dass ein Verkauf bevorsteht, werden Kunden und Lieferanten misstrauisch und die besten Mitarbeiter*innen suchen das Weite.
»Das Alter ist selten der Grund für eine Übergabe«, betont Rudolf Fantl, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Fantl Consulting. »Viele Unternehmen werden früher verkauft, etwa weil der Gründer den geschaffenen Wert realisieren möchte, große Investitionen anstehen oder eine neue Technologie eingeführt werden muss. Das sind Umstände, die sich Eigentümer vielleicht nicht mehr zumuten wollen.« Umso genauere Betrachtung verdient daher die Bewertung des Unternehmens. Bei Firmenchefs, die das Unternehmen selbst gegründet und aufgebaut haben, steckt viel Herzblut in der Angelegenheit. Immerhin handelt es sich um ihr Lebenswerk. Emotionale Faktoren haben jedoch beim Fixieren eines Kaufpreises nichts verloren.
Risiko abschätzen
Eine seriöse Bewertung bezieht den Substanzwert, also die Betriebsausstattung wie z. B. Gebäude, Fuhrpark und Anlagen, sowie den Ertragswert ein, also auch wie viel sich die Eigentümer monatlich für Gehälter, Firmenwagen etc. herausnehmen. Dieses Ergebnis wird mit einem Faktor multipliziert, der Kriterien wie Standort, Marktposition, Kundenstamm, Qualifikation des Personals oder Entwicklungsfähigkeit der Produkte berücksichtigt, und somit Rückschlüsse über die künftige Profitabilität des Unternehmens ermöglicht. »Wenn der Eigentümer sagt, bisher hat er kaum etwas verdient, aber nächstes Jahr kommt der Durchbruch und diese Erwartungen sollen in den Firmenwert einfließen – da nehme ich die Vermittlung lieber gar nicht an«, erklärt Firmenmakler Helmut Artacker, Geschäftsführer der Czako Partner GmbH.
Häufig wird der Kaufpreis nicht zur Gänze erlegt, sondern beispielsweise zehn Prozent oder sogar ein Drittel erst nach einem Jahr – geknüpft an eine Erfolgskomponente, etwa der Entwicklung des Deckungsbeitrags oder einer Gewinnuntergrenze. Auch aus steuerlicher Hinsicht sollte eine Betriebsübergabe gut getaktet werden. Die Umwandlung in eine andere Rechtsform oder der Verkauf von Grundstücken bieten steuerliche Begünstigungen, die sich lohnen können.
Bei frühzeitiger Planung kann der Unternehmenswert noch gezielt gesteigert werden. Die Digitalisierung von Prozessen oder der Aufbau eines stabilen Kundenstamms machen das Unternehmen attraktiver und ermöglichen einen höheren Verkaufspreis. Wird hingegen zunächst die Produktion zurückgefahren, der Betrieb verkleinert, Personal entlassen und dann erst verkauft, geht viel Geld verloren. Jedes Unternehmen durchläuft einen Lebenszyklus: Nach Jahren des Wachstums folgt eine Reifephase – werden in dieser Zeit Produktinnovationen oder Investitionen verabsäumt, droht ein Abstieg mit Verlust der Marktposition, Umsatzrückgang und Kapitalverzehr. Steht ein Unternehmen noch am Beginn der Reifephase, lässt sich gezielt an der Wettbewerbsfähigkeit und am Geschäftsmodell arbeiten, um diesen Zeitabschnitt noch sehr erfolgreich und ertragreich auf mehrere Jahrzehnte auszudehnen – für Nachfolger*innen eine durchaus attraktive Aussicht.
Gesetz: Von Generation zu Generation
Seit 5. Juni 2024 ist das Grace-Period-Gesetz in Kraft. Es soll die Herausforderungen der Unternehmensnachfolge im Familienverband, aber auch Übergaben von KMU generell, erleichtern und eine höhere Rechtssicherheit gewährleisten. Die neue Regelung minimiert steuerliche Risiken und sorgt für eine strukturierte Übergabe. Der Antrag auf »Begleitung einer Unternehmensübertragung« kann seit 1. Jänner 2025, bei geplanter Übertragung innerhalb von zwei Jahren, beim Finanzamt gestellt werden.
1. Verlängerte Fristen
Die Unternehmensübergabe kann über mehrere Jahre hinweg flexibel gestaltet werden. Dies gibt der nachfolgenden Generation Zeit, sich schrittweise in ihre neue Rolle einzuarbeiten und gleichzeitig die Kontinuität des Unternehmens zu sichern. Durch die bis zu fünf Jahre langen Fristen wird eine flexible und gut strukturierte Betriebsübergabe ermöglicht, die den reibungslosen Fortbestand des Unternehmens sichert.
2. Steuerliche Vorteile
Verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten und Erleichterungen bei der Vermögensübertragung entlasten die Übernehmer finanziell und sorgen für einen reibungslosen Übergang. Es ist ratsam, frühzeitig ein erfahrenes Beraterteam einzubeziehen, das auf Unternehmensnachfolge und Familienrecht spezialisiert ist, bei der Planung und Umsetzung der Übergabe unterstützt und eine maßgeschneiderte Lösung entwickelt.
3. Begleitung
Völlig neu ist die Möglichkeit, die Unternehmensübergabe durch das Finanzamt begleiten zu lassen. Diese Begleitung umfasst eine Außenprüfung der letzten drei Jahre und gewährleistet eine umfassende Klärung abgabenrechtlicher Fragen, wodurch unerwartete steuerliche Belastungen vermieden werden. Während der Begleitung besteht eine erhöhte Offenlegungspflicht für die beteiligten Parteien und ein kontinuierlicher Kontakt mit dem Finanzamt.
4. Klare Dokumentation
Eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge hängt maßgeblich von der Planung und Dokumentation ab. Das Grace-Period-Gesetz betont die Bedeutung dieser Vorbereitung. Um rechtliche Risiken zu minimieren und eine nahtlose Übergabe sicherzustellen, müssen Unternehmen jeden Schritt der Nachfolge detailliert festhalten. Diese sorgfältige Planung bildet das Fundament für eine stabile und rechtssichere Zukunft des Unternehmens.
5. Kompetenz
Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Sicherstellung der Kompetenz der Nachfolger. Hierzu sieht das Grace-Period-Gesetz obligatorische Schulungen vor, die gezielt darauf ausgerichtet sind, die zukünftige Unternehmensleitung bestmöglich auf die neue Rolle vorzubereiten. Diese Schulungen vermitteln sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Fähigkeiten, die für eine erfolgreiche Führung von Unternehmen unerlässlich sind.
Wissen bewahren
Bild: Sabrina Huber übernahm 2021 das Familienunternehmen Huber Transporte GmbH von ihrem Vater Peter. Strukturiertes Wissensmanagement spielte dabei eine wichtige Rolle.
Eine Firmenübergabe markiert eine entscheidende Phase im Lebenszyklus eines Unternehmens und entscheidet über die Zukunft des gesamten Betriebs. Oft steckt entscheidendes Wissen in den Köpfen Einzelner oder ist über verschiedene Ablagesysteme verstreut. Ohne einen strukturierten Übergabeprozess drohen Wissenslücken, Unsicherheiten und ineffiziente Abläufe – Risiken, die den langfristigen Erfolg eines Unternehmens gefährden. Damit Know-how nicht verloren geht, sollte es schon vor der geplanten Übergabe in Wissensdokumenten systematisch erfasst werden. Abläufe werden auf diese Weise dokumentiert, Entscheidungswege nachvollziehbar und der Wissenstransfer aktiv gestaltet.
Sabrina Huber, geschäftsführende Gesellschafterin der Huber Transporte GmbH, vertraute bei der Übernahme des Betriebs von ihrem Vater auf das Wissensmanagement-Tool WIVIO von WBI: »Es hat mir sehr geholfen, dass wir sein Wissen einpflegen konnten. Das Vorgelebte und seine Erfahrungen bleiben dadurch besser im Unternehmen erhalten.«
Insgesamt wurden 616 Dokumente angelegt, darunter Transportabläufe für größere Kunden, Auswertungen zum Treibstoffverbrauch, Zertifizierungsunterlagen und diverse Anleitungen. Der Wissensschatz ist gut gesichert und in der zentralen Datenbank für alle Zugriffsberechtigten stets verfügbar. Gerade in der Transportbranche, in der viele Prozesse hochgradig dynamisch sind und gesetzliche Anforderungen eine große Rolle spielen, ermöglicht eine strukturierte Wissensbasis, up-to-date zu bleiben und agil zu reagieren.
Checkliste zur Unternehmensnachfolge
1. Vorbereitung
- Art der Übergabe klären: Nachfolge in der Familie, Verkauf oder Übernahme durch Mitarbeiter*innen
- Unternehmensanalyse: aktuelle Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken evaluieren
- Unternehmensbewertung: tatsächlichen Wert des Betriebs bestimmen lassen
2. Nachfolger suchen
- Profil definieren: Qualifikationen, Fähigkeiten und Visionen abgleichen
- Gespräche führen: potenzielle Käufer*innen auswählen und Erwartungen klären
3. Rechtliche und steuerliche Aspekte
- Übergabemodell festlegen: Schenkung, Verkauf, Pacht etc.
- Steuerliche Optimierung: Beratung zu Erbschafts-, Schenkungs- und Einkommensteuer
- Verträge aufsetzen: notarielle Beglaubigung und rechtliche Absicherung
4. Finanzierung
- Finanzierungsbedarf: Übergabekosten und Investitionsbedarf kalkulieren
- Förderungen: Unterstützungsmöglichkeiten (WKO, aws) prüfen
5. Übergabeprozess
- Einarbeitung der Nachfolger*in: Wissen und Kontakte schrittweise übergeben
- Kommunikation: Kund*innen, Partner*innen und Mitarbeiter*innen informieren
- Dokumentation: Verantwortlichkeiten und Aufgaben schriftlich festlegen
6. Abschluss
- Kontrolle: Übergabeformalitäten überprüfen
- Begleitung: Unterstützung der Nachfolger*in während der ersten Phase
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