Tuesday, October 07, 2025

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Bau | Immobilien

Geotechnische Vielseitigkeit, modernste Technologien, innovative Baumethoden und Nachhaltigkeit prägen den aktuellen Tunnelbau. Mit Know-how und Innovationen ist Österreich nach wie vor ein wichtiger Player.

 

»Der Tunnelbau im DACH-Raum genießt international einen herausragenden Ruf, insbesondere durch die Realisierung komplexer Alpentunnelprojekte«, betont Univ.-Prof. Matthias Flora vom Arbeitsbereich Baumanagement, Baubetrieb und Tunnelbau an der Universitat Innsbruck. Eine Erklärung der Asfinag: Die Österreicher sind Experten, insbesondere aus ihrer Tradition heraus, beim Sprengvortrieb und auch beim Baggervortrieb. Auch die Strabag bestätigt das Interesse am heimischen Tunnelbau-Know-how, vor allem von Ländern wie UK, Norwegen, Kanada und der Schweiz.

Die Montanuniversität Leoben berichtet von weit größeren Maßstäben. »Ich war zuletzt in Indien, wir wollen versuchen, ein gemeinsames Masterstudium zum Tunnelbau aufzubauen«, so Univ.-Prof. Robert Galler, Leiter des Lehrstuhls fur Subsurface Engineering. »In Nepal habe ich die Grundlagen des heimischen Tunnelbaus vermittelt.« Naturlich gebe es Länder, die Tunnelbau aktuell intensiv vorantreiben. »China hat in den letzten Jahren sein Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnnetz mit zahlreichen Tunnelbauwerken ausgebaut und in vielen Metropolen den U-Bahn-Bau unter Nutzung der Tunnelbohrmaschinentechnologie vorangetrieben. Indien plant in den nächsten Jahren, 4.000 Kilometer Tunnel zu bauen.«

Diese Länder forcieren laut Galler aktuell den Untertagebau, weil sie einerseits die Trinkwasser- und Abwasserversorgung, aber andererseits auch die Verkehrs- und Energieinfrastruktur untertage zur Steigerung der Lebensqualität der Bevölkerung ausbauen wollen; in Europa wurde damit schon vor Jahrzehnten begonnen.

Phase des Wandels
Die heutigen Herausforderungen im Tunnelbau sind laut ÖBB vor allem Dauerhaftigkeit, Langlebigkeit der Materialien und Anlagen sowie deren CO2-Bilanz. »Die Arbeitsmethoden werden immer effizienter, der Maschineneinsatz ist deutlich gestiegen«, bestätigt Franz Sempelmann, A26-Projektleiter, die umgesetzte Nachhaltigkeit im Tunnelbau und verweist auf die Entwicklung bei den Arbeitsmaschinen. Vor 20 Jahren habe man noch mit einem Dreibein mit einem Scanner on top gearbeitet, heute sind alle Bohrwagen computergesteuert. »Heute können Roboter durch den Tunnel wandern, sich aufgrund der Vermessungspunkte orientieren und jeden einzelnen Arbeitsschritt aufnehmen.« Herrenknecht überzeugt mit dem Projekt Green Tunnelling. Technologische Entwicklungen reduzieren Energieverbrauch, Schmiermitteleinsatz sowie Wasserbedarf, der Wiedereinsatz professionell aufbereiteter Komponenten und Maschinen den CO2-Ausstoß.

Beeindruckende Innovationen
Der Wandel in der Herangehensweise an das Objekt Tunnel ist auch bei den Unternehmen festzustellen. Implenia verweist etwa auf selbst entwickelte Stauch­elemente aus hochverdichtetem EPS, die als Stützmittel für nachgiebige Spritzbeton­auskleidungen bei druckhaften Gebirgsverhältnissen zum Einsatz kommen. Die ÖBB berichten von automatisierter Risserkennung. Passende KI wird trainiert, Ziel ist ein KI-Modell, das Risse ab einer Breite von 0,3 mm in Ortbetonoberflächen detektiert und pixelgenau hervorhebt.

Porr setzt auf automatisierte Maschinensteuerung und Robotik. »Der Einsatz von Tunnelbohrmaschinen mit digitaler Steuerung, Lasermesssystemen und KI erlaubt eine effizientere und sichere Bauausführung, gerade in schwierigen Geologien«, informiert CEO Karl-Heinz Strauss. Dank Lean konnte z. B. im Koralmtunnel KAT3 das Tagesziel beim Einbau von RBS-Platten um ein Viertel erhöht werden. Parallel beschäftigt sich Porr mit vernetzter Sensorik und Monitoring, z. B. mit digitalen Überwachungssystemen, die in Echtzeit Setzungen, Gasaustritte, Feuchtigkeit und Strukturspannungen kontrollieren. Die Asfinag verweist auf ihren Roten Asphalt. Die durch Beschichtung mit Mineralien wie Ferrit rötliche Fläche reflektiert Licht stärker, wodurch es im Tunnel etwas heller wird, was die Energiekosten deutlich sinken lässt. Apropos Beton.

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Bild: »Der Tunnelbau steckt voller Überraschungen, das ist auch das Reizvolle«, betont Karl Heinz Strauss. »Flexibilität ist gefragt. Das kann keine Technologie, im Tunnelbau ist der Mensch unerlässlich.«

Sika überzeugt mit CO₂-reduzierten Rezepturen durch den Einsatz klinkereffizienter Bindemittel, Microsilica, recycelter Gesteinskörnungen und neuartiger Additive. Faserverstärkter Spritzbeton erhöht laut Sika die Rissbeständigkeit und kann teilweise Bewehrungsstahl ersetzen. Auf nachhaltige Baustellenlogistik weist die Strabag am Beispiel Brenner Basistunnel hin. Über 45.000 LKW-Fahrten konnten durch Bahntransporte ersetzt werden, u. a. wurde mit unterirdischen Förderbandsystemen Ausbruchsmaterial direkt zur Deponie abtransportiert. Auch für die ÖBB lautet die Prämisse: kurze Wege und Vermeidung unnötiger Transporte, u. a. auch durch den Einsatz innovativer Transportsysteme wie den ÖBB Rail Cargo Mobiler.

Tunnel-Gen+
An Alternativen zu Stahl wird bereits an der Montan-Uni Leoben geforscht. »Basaltfasern weisen eine 25 % höhere Zugfestigkeit auf, wir wollen auch Mess­technik darin einbauen«, informiert Galler. Aktuell laufen dazu zwei Forschungsprojekte. Ein wichtiges Thema sei auch der Umgang mit dem Tunnelausbruch. »Im Projekt NNATT wollen wir das Material möglichst rasch unter Tage identifizieren und analysieren, damit möglichst viel in eine Verwertungsschiene geht.« Die Zukunft des Tunnelbaus wird auch maßgeblich durch die Weiterentwicklung und Integration digitaler Technologien gestaltet. Die Schwerpunkte der Uni Innsbruck liegen im Rahmen des Lehrstuhls für Tunnel Information Modelling, TIM, auf der Integration von BIM in geologische und geotechnische Baugrundmodelle, der Entwicklung von Bauwerksmodellen, Simulation von Baustelleneinrichtungsmodellen, der Automatisierung von Prozessen und der Digitalisierung von Bauabläufen.

»Langfristig sollen alle Modelle in einem koordinierten TIM zusammengeführt werden, um Entwurfsentscheidungen zu optimieren und als Berechnungsgrundlage zu dienen«, betont Matthias Flora. Neben Nachhaltigkeit steigen im Tunnelbau auch die Anforderungen an Sicherheit. Sika verweist auf höheren Brandschutz, auch im Hinblick auf neue Mobilitätsformen wie E-Mobilität und Wasserstoff, robuste Abdichtungs- und Instandhaltungssysteme, längere Nutzungszyklen sowie innovative Bauchemie, optimierte Betonrezepturen und hochleistungsfähige Abdichtungssysteme.

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Bild: Stauchelemente wirken als Puffer, wenn Gesteinsmassen zu sehr auf Tunnelröhren drücken. Bisher aus Stahl, bietet Implenia Objekte aus hochverdichtetem EPS, entwickelt von Tunnelbau-Ingenieur Manuel Entfellner.

Zum Thema Sicherheit im Betrieb erwähnt Univ.-Prof. Robert Galler das Forschungsprojekt Chematun, das sich mit der Freisetzung schwerer Gase wie CO2 und leichter Gase wie H2 in Tunneln beschäftigt. Die wachsenden Faktoren Digitalisierung und Automatisierung spricht Herrenknecht an, die mit dem Tunnel Enlargement System bei der heurigen bauma mit dem Innovationspreis in der Kategorie Maschinentechnik ausgezeichnet wurde. TES ermöglicht es, bei laufendem Bahnbetrieb den Ausbau eines Tunnels zu erneuern und auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen bzw. den Durchmesser zu vergrößern. Darüber hinaus überzeugt Herrenknecht mit robotisierter Tübbingproduktion, smarten Transportfahrzeugen, präzisen Navigationssystemen und effizientem Abraummanagement.

Digitalisierung und einzelne Anwendungen von KI spielen auch einen entscheidenden Faktor bei der Logistik, die mittels digitaler Tools optimiert geplant und umgesetzt werden kann. »Mitarbeitende werden auf unseren Baustellen von administrativen Tätigkeiten entlastet«, betont Arthur Göbl, Leiter Tunnelbau bei Implenia in Österreich, »etwa durch digitale Erstellung der Mengenfesthaltung als Grundlage für die Bauabrechnung oder der Baudokumentation.«

 

Hintergrund

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Bild: Durchschlag Koralmtunnel

Effiziente Verkehrswege schaffen, Regionen miteinander verbinden und wirtschaftlich entwickeln. Darin liegt die wesentliche Bedeutung der Tunnelinfrastruktur, die in Österreich weit fortgeschritten ist.

- Hochrangiges Straßennetz: 170 Tunnel, 415 km Länge (Asfinag)
- Bahnnetz: 259 in Betrieb befindliche Tunnel, 235,5 km Länge (ÖBB)

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