Wednesday, October 22, 2025

Mehrwert für Manager

Bau | Immobilien

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist der Fokus auf die Kundenbedürfnisse besonders wichtig. Um herauszufinden, wie ausgeprägt der Servicegedanke in der Bauwirtschaft ist, hat der Bau & Immobilien Report gemeinsam mit Top Service Österreich eine große Branchenumfrage durchgeführt und mehr als 50 Top-Entscheider*innen führender Unternehmen anonymisiert um ihre Selbsteinschätzung gebeten – mit spannenden Ergebnissen.

Bild: iStock

 

Steigende Energiekosten, wirtschaftliche Unsicherheit und daraus resultierender Wettbewerb kennzeichnen den Alltag des Managements in der Bauwirtschaft. Eine toxische Mischung an Herausforderungen, in denen Service und Kundenorientierung mehr als nur eine nette Begleiterscheinung zum Produkt sein sollten. »Service wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor«, ist Christian Rauscher, Geschäftsführer von Top Service Österreich (TSÖ), überzeugt. Guter Service ist mehr als das Erfüllen des Notwendigen. Ein wirklich serviceorientiertes Unternehmen stellt sich die Frage: »Wie mache ich den Kund*innen das Leben so einfach als möglich«, erklärt Rauscher, der davon abrät, das Überleben der Unternehmen einzig mit der Suche nach Effizienzmaßnahmen zu sichern.

»Natürlich muss der Kostenstaubsauger angesetzt werden und muss die Digitalisierung massiv genutzt werden, um schlanker und wirkungsvoller zu werden, aber das alleine bringt keine frischen Impulse. Es ist nur das Defensivprogramm. Es braucht den vollen Fokus auf die sich radikal wandelnden Kundenerwartungen«, ist Rauscher überzeugt. In der heimischen Bauwirtschaft gibt es dabei spürbar Luft nach oben, so die Selbsteinschätzung von Top-Entscheidungsträger*innen führender Unternehmen.

»Befriedigend« mit Chance auf mehr
Die vom Report gemeinsam mit Top Service Österreich durchgeführte Branchenbefragung zeigt, dass Ambition und Umsetzung deutlich auseinanderklaffen. Befragt nach dem strategischen Fokus der Unternehmen, liegt die »Qualitätsführerschaft« klar vorne, gefolgt von der »Beziehungsführerschaft«, also dem Fokus auf die Partnerschaft mit Kunden. Auf Platz drei folgt die »Serviceorientierung«, abgeschlagen auf dem letzten Platz die »Preisführerschaft« (siehe Tabelle). »Das tönt hervorragend, doch Strategie hat die Aufgabe, für Priorität zu sorgen, also der Versuchung zu widerstehen, überall dabei zu sein. Nur dann reichen die Ressourcen, um wirklich Schlagkraft zu erzeugen«, so Rauscher. Man könne nicht 20 Flugzeuge zeitgleich auf die Landebahn bringen, das klappe nur sequenziell.

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Das Ergebnis zeigt auch, dass viele strategische Ziele gleichzeitig verfolgt werden. Umso mehr stellt sich laut Rauscher die Frage, wie gut die Umsetzung klappt. »Genau hier zeigt sich die Schwäche«, sagt er. Denn lediglich 57,4 % der Befragten geben an, dass Kundenzentrierung als Thema und Herausforderung strategisch im Unternehmen verankert ist, und keine 30 % nutzen kundenzentrierte KPIs in der Steuerung des Unternehmens. »Wie werden Fortschritte aufgezeigt? Wie wird die organisationale Lernkurve unterstützt? Wie weiß das Unternehmen, ob die vermeintlich wichtigsten Strategien erfolgreich umgesetzt werden? Das ist Blindflug«, attestiert Rauscher.

Aktuell legen die Unternehmen deutlich mehr Wert auf die Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen als auf das Service. Von servicedominierten Branchen wie der Gastronomie oder der Hotellerie ist die Bauwirtschaft naturgemäß ein Stück weit entfernt. Nach Schulnoten würde sie klassisch »Befriedigend« bekommen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es wird erfüllt, was zu erfüllen ist. So geben 87 % der Befragten an, ihr Unternehmen arbeite »intensiv daran, für unsere Kund*innen einen Service anzubieten, bei dem sie sich rundum gut betreut fühlen«. Aber nur knapp 35 % geben an, dass »man gezielt positive Erlebnisse entlang der Customer Journey schafft und nach »WOW«-Momenten strebt«.

Eng verknüpft mit dem Thema Service ist die Unternehmenskultur. Hier zeigt sich, dass die meisten Befragten mit der im eigenen Unternehmen vorherrschenden Kultur einverstanden sind, allerdings sind Führungskräfte eingeladen, stärker als Vorbild für Service und Kundenorientierung zu fungieren. Stark hingegen: Zwei Drittel berichten, dass in ihrem Unternehmen »eine sehr vitale und positive Grundstimmung bzw. Energie« herrscht.

Fazit
»Den Grundbaustein für eine funktionierende Servicekultur hat die österreichische Bauwirtschaft auf jeden Fall gelegt. Es fehlen aber Konsequenz und Steuerung«, sagt Julia Paugger, verantwortlich für das Team bei Top Service Österreich. Diese Extrameile noch zu machen, würde sich für die Unternehmen aber auf jeden Fall lohnen, ist TSÖ-Geschäftsführer Rauscher überzeugt. »Wer dauerhaft erfolgreich sein will, muss Kundenbedürfnisse nicht nur erfüllen, sondern vorausschauend bedienen und im Idealfall übererfüllen.« Rauscher empfiehlt den Unternehmen, »von außen nach innen zu denken« und regelmäßig den Puls zu messen.

Bild: »Wir leben nicht in der Nachkriegszeit, wo es um rudimentäre Produktleistungen und Features geht, sondern in einer Add-on-Gesellschaft. Service ist dabei ein zentrales Differenzierungsmerkmal«, ist Christian Rauscher, Geschäftsführer Top Service Österreich, überzeugt.

»Die Amazonisierung – also das Steigen der Kundenerwartung aufgrund einmal gemachter Erfahrungen in einer anderen Branche – findet rapide statt und verändert täglich das Anspruchsniveau«, so Rauscher. Unternehmen müssten die Kundenbrille aufsetzen, die Druckpunkte der Kund*innen aus deren Sicht klar benennen und wirksame und differenzierende Antworten liefern.

 

Kundenorientiertes Handeln (Mittelwert: 1… trifft vollständig zu, 5… trifft gar nicht zu)

Die Service-Standardanforderungen werden von der Branche erfüllt, bei darüber hinausgehenden Leistungen gibt es aber noch viel Luft nach oben.

1,7
In unserem Unternehmen arbeiten wir intensiv daran, für unsere Kund*innen einen Service anzubieten, bei dem sie sich rundum gut betreut fühlen.

1,9
In unserem Unternehmen ist das Leistungsversprechen gegenüber unseren Kund*innen klar und prägnant definiert.

1,9
In unserem Unternehmen setzen wir uns intensiv dafür ein, dass unsere Kund*innen ihre Anliegen einfach und bequem erledigen können.

2,0
In unserem Unternehmen fördern unsere Führungskräfte gezielt kundenorientierte Verhaltensweisen von Mitarbeiter*innen.

2,0
In unserem Unternehmen werden kundenbezogene Probleme unmittelbar und offen kommuniziert.

2,1
In unserem Unternehmen lebt das Top-Management Kundenzentrierung konsequent und beispielhaft vor.

2,2
In unserem Unternehmen ist Kundenzentrierung als Thema und Herausforderung strategisch verankert.

2,6
In unserem Unternehmen antizipieren wir die individuellen Wünsche und kommenden Herausforderungen unserer Kund*innen und sprechen sie darauf gezielt an bzw. inspirieren sie individuell für den nächsten Schritt.

2,7
In unserem Unternehmen schaffen wir gezielt positive Erlebnisse entlang der Customer Journey für unsere Kund*innen und streben nach »Wow«-Momenten.

 

 

Analysedesign
Für die vorliegenden Ergebnisse hat Top Service Österreich für den Bau & Immobilien Report 56 der führenden Unternehmen der österreichischen Bauwirtschaft um ihre anonyme Selbsteinschätzung zur Servicekultur und -orientierung in ihrem Unternehmen gebeten. 40,4 % der Antwortgeber*innen stammen laut eigenen Angaben aus der ersten Führungsebene, 30,8 % aus der zweiten.

Über TSÖ
TOP SERVICE ÖSTERREICH (TSÖ) hilft dabei, Organisationen konsequent und ganzheitlich auf die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Kund*innen auszurichten. Auf Basis wissenschaftlich fundierter Kunden-, Mitarbeiter- und Management-Befragungen macht die CX-Analyse Servicequalität messbar und mittels Benchmarks auch vergleichbar. Jährlich werden die kundenorientiertesten Unternehmen ausgezeichnet/zertifiziert und medienwirksam präsentiert.
Infos: www.top-service-oesterreich.at

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