Monday, August 04, 2025

Mehrwert für Manager

Bau | Immobilien

Eine aktuelle Forschungsarbeit an der TU Graz untersucht die Standardisierung von Planungsprozessen in der Bauindustrie mit dem Ziel, die Effizienz und Qualität der Planung durch standardisierte Verfahren zu verbessern, indem Verschwendung vermieden sowie Prozesse optimiert und kontinuierlich verbessert werden. Teil 4 der Serie Aktuelle Forschungsarbeiten zu Lean Baumanagement.

Planen ist ein agiler Prozess, der Nacharbeiten oder Mehrfachbearbeitungen in Form von Varianten erfordert, die damit Teil des Wertschöpfungsprozesses sind.


Eine effiziente Planung ist entscheidend, um anspruchsvolle Bauprojekte erfolgreich abzuwickeln und Terminverzögerungen sowie Kostensteigerungen zu vermeiden. Im Bauwesen ist die Planung aufgrund von laufenden Änderungen flexibler und schwerer vorhersehbar als in der stationären Industrie, was zu häufigen Verschiebungen und Abweichungen von festgelegten Prozessen führen kann.

Die Arbeit analysiert die Planungsprozesse eines österreichischen Planungsbüros und leitet daraus einen standardisierten Planungsprozess ab. Der Fokus liegt auf einer integralen Planung, die bereits in frühen Projektphasen den gesamten Lebenszyklus und die Kosten eines Gebäudes berücksichtigt, um später Energie- und Kosteneinsparungen zu ermöglichen. Hierbei spielt BIM eine wichtige Rolle, indem ein digitaler Zwilling des Gebäudes mit allen relevanten Informationen erstellt wird. Bei einer Planung mit BIM kommt es zu einer Vorverlagerung der Leistung im Vergleich zu einer herkömmlichen Planung. Die 3D-Modellierung nimmt mehr Zeit in Anspruch, hat dadurch aber auch den Vorteil, dass so z. B. Kollisionen schneller erkannt werden können. Dies bedeutet aber, dass Umplanungen mehr Zeit in Anspruch nehmen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Abfolgen der Prozesse eingehalten werden, um unnötige Mehrfachbearbeitungen zu vermeiden. Voraussetzung dafür ist, dass allen Beteiligten die Abhängigkeiten der Prozesse bewusst sind.

Lean und BIM
In der Bauindustrie sind ineffiziente Prozesse und niedrige Produktivität häufig. Lean-Methoden helfen dabei, Verschwendung zu minimieren und die Wertschöpfung zu maximieren. In der Planung bieten sich Lean Design und BIM als Kombination an, um den größten Nutzen aus beiden Methoden zu ziehen. Lean Management fördert einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess, der nicht nur die Prozesse, sondern auch die Endprodukte optimiert.
Die Arbeit hebt verschiedene Lean-Methoden hervor, die auch in der Planung angewendet werden können, wie:
- 5S-Methode (Ordnung und Transparenz)
- Location-Based Management System (LBMS) (Effiziente Prozessgestaltung)
- SIPOC (Prozessanalyse)
- Swimlane-Diagramm (Visualisierung von Prozessen)
- Last Planner® System (LPS) (Planung der Planung)

Das Last Planner System
Das LPS wurde für die Produktion entwickelt, um Prozesse in einen Fluss zu bringen. Die Anwendung des LPS in der Planung wird oft in Frage gestellt, da im Gegensatz zur stationären Industrie das Endprodukt nicht bekannt ist und somit die Fähigkeit, zukünftige Tätigkeiten vorauszusehen, verringert wird. Das LPS muss daher an die Bedürfnisse der Planungsprozesse angepasst werden, um im Entwurf die notwendige Agilität zu erhalten. Trotzdem ist eine Standardisierung notwendig, um die verschiedenen Gewerke im System zu vereinigen. Die Prozess­abbildung bildet die Grundlage, um die Planungsziele, die Verantwortlichen sowie die Prozesse darzustellen. Die Einplanung und Darstellung der Meilensteine ist erforderlich, um den Projektbeteiligten zu visualisieren, welche Leistungen zu einem bestimmten Zeitpunkt von einem Teammitglied als Vorleistung benötigt werden.

Ein wichtiger Grundgedanke des Last Planners® ist, dass die Personen, die an der Ausführung der Prozesse beteiligt sind, in deren Planung eingebunden werden. Voraussetzung für den Erfolg dieser Methode ist eine Vertrauensbasis im Team. Vertrauen kann nur geschaffen werden, wenn die Lean-Philosophie gelebt wird und eine offene Kommunikation und Fehlerkultur vorhanden sind. Das LPS beginnt auf einer sehr hohen Flughöhe und wird dann mit der Zeit immer detaillierter.

Die Gesamtprozessanalyse
Umgelegt auf die Planung kann die LPS folgendermaßen aussehen: Die GPA (Gesamtprozessanalyse) stellt die Basis für die Planung der Planung dar und soll ein Verständnis für den Gesamtprozess schaffen. Darauf aufbauend wird der Meilenstein- und Phasenplan (MPP) für die gesamte Projektdauer aufgesetzt und in der 4- bzw. 6-Wochenvorschau werden die Tätigkeiten auf Tagesbasis eingeplant und koordiniert, sodass ein hindernisfreies Arbeiten in der aktuellen Arbeitswoche möglich ist. Durch den regelmäßigen Austausch in den oben angeführten Phasen kann Problemen vorgebeugt werden, wodurch der Erfolg eines Projektes positiv beeinflusst wird.

Datenerhebung
Die Datenerhebung der Forschungsarbeit umfasst zwei Hauptbereiche: Zunächst werden die GPAs von acht vergangenen und laufenden Projekten analysiert und interpretiert, um in Experteninterviews die gewonnenen Erkenntnisse zu vertiefen und zu erörtern. Bei den Projekten handelt es sich um Generalplanungsprojekte in Österreich und Deutschland. Die in der Folge durchgeführte Analyse der GPAs der Projekte wird auf die drei Hauptgewerke Architektur, Tragwerksplanung und Technische Gebäudeausrüstung begrenzt. Weitere Gewerke wie BIM, Bauphysik, Brandschutz, Nachhaltigkeit usw. haben Einfluss auf die drei Hauptgewerke. Sie orientieren sich zeitlich und inhaltlich an den Hauptprozessen, sind aber nicht prozessbestimmend. Das heißt, dass diese nach Bedarf miteingebunden werden, jedoch eine untergeordnete Rolle für den Gesamtprozess spielen.

Die Analyse der Planungsprozesse hat ergeben, dass die GPAs nicht nur in ihrem Detailgrad variieren, sondern auch die Bezeichnung derselben Tätigkeiten unterschiedlich ausfällt und somit kein klarer Standard erkennbar ist. Eine einheitliche Bezeichnung stellt die Grundlage für eine Standardisierung dar. Einige Projekte wiesen unvollständige oder unklare Vorleistungen auf, während ein Projekt als gutes Beispiel für eine detaillierte GPA dient, in dem alle Vorleistungen, Prozesse und Ergebnisse konsequent erfasst wurden. Bei der Erstellung der GPA soll daher darauf geachtet werden, dass die Vorleistung einer Tätigkeit wortgleich als Ergebnis eines anderen Prozesses zu finden ist. Dadurch wird es auch unerfahrenen Planern oder dem Bauherrn erleichtert, die Prozessabfolgen nachvollziehen zu können.

Kultur und Design
Eine Lean-Kultur, die sich durch eine offene Kommunikation, Transparenz und gelebte Fehlerkultur auszeichnet, ist seit der Einführung von Lean Design in der Planung zunehmend vorhanden. Die Experten haben angegeben, dass Lean Design die Kommunikation und den Informationsaustausch zwischen den Gewerken wesentlich verbessert hat. Außerdem hat Lean die Zusammenarbeit durch das Loslösen vom »Silodenken« deutlich verbessert. Dazu beigetragen hat auch die ständige Weiterentwicklung der BIM-Arbeitsweise, ohne die ein effizienter Planungsprozess nicht möglich ist.

Das zweite Lean-Prinzip, die Prozess­optimierung, ist die Grundlage für Standardisierung. Diese kann nur dann erreicht werden, wenn Verschwendung vermieden und die Tätigkeiten durch ein Prozessverständnis in einen Fluss gebracht werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Arbeitsschritte aufeinander abgestimmt und möglichst gleichmäßig aufgeteilt werden.

Der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP), basierend auf dem PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act), der eine Bereitschaft zu Veränderung erfordert, bildet u. a. das Fundament der Lean-Philosophie. Erst wenn sich die Mitarbeiter nicht mehr mit dem Ist-Zustand zufriedengeben, sondern bereit sind, sich zu öffnen, können Verschwendungen erkannt und an Verbesserungen gearbeitet werden.

Planen ist ein agiler Prozess, der Nacharbeiten oder Mehrfachbearbeitungen in Form von Varianten erfordert, die damit Teil des Wertschöpfungsprozesses sind. Im Gegensatz dazu können Mehrfachbearbeitungen, die durch ein fehlendes Prozessverständnis verursacht werden, vermieden werden. 40 % der Verzögerungen sind auf fehlende, nicht erkannte oder fehlerhafte Vorleistungen zurückzuführen. Hier besteht viel Potenzial zur Verbesserung. Es wird angenommen, dass eine entsprechende Prozesskenntnis dazu beiträgt, die benötigten Vorleistungen zu erkennen. Standardisierung des Planungsprozesses

Neue Standards
Die Erkenntnisse der Analyse und der Experteninterviews fließen in die Erarbeitung der neuen Standard-GPA ein. Es wurde festgelegt, dass die GPA für die Leistungsphasen 3 und 5 für ein Hochbauprojekt erarbeitet werden soll. Es spielt keine Rolle, welche Art von Gebäude geplant wird, da die grundsätzlichen Planungsprozesse immer nach dem gleichen Schema ablaufen. Bestehen bei einem Gebäude Besonderheiten, die im Standardprozess nicht erfasst werden, so sind diese im Zuge der Erstellung der GPA für das Projekt mit einzuplanen.

Gemeinsam mit den befragten Planern der pde Integrale Planung GmbH werden in Workshops die Planungsprozesse mit Hilfe von Lean-Methoden standardisiert. Die bisherige Erstellung der GPAs erfolgte immer für alle Gewerke gemeinsam. Es hat keine intensive Auseinandersetzung mit den Prozessen des eigenen Gewerks stattgefunden, sondern es wurde hauptsächlich auf die Schnittstellen mit den anderen Gewerken geachtet. Aus Sicht der Planer ist es notwendig, dass zuerst Klarheit über die eigenen Prozesse und deren Abhängigkeiten innerhalb des Teams geschaffen werden muss, bevor die Verbindungen zu den weiteren Gewerken hergestellt werden können. Aus diesem Grund wurden die Prozesse aller drei Hauptgewerke (Architektur, Tragwerksplanung und Technische Gebäudeausrüstung) getrennt voneinander analysiert und detaillierte Prozessabfolgen mit Hilfe verschiedener Methoden wie SIPOC oder Swimlane-Diagrammen, in denen die Abhängigkeiten ersichtlich sind, erstellt. Diese Detailliertheit bietet den Vorteil, dass für die Planer erkennbar ist, welche Vorleistungen ein Prozess benötigt. Sollte im Projekt eine Prozessverschiebung notwendig werden, können anhand der GPA die damit verbundenen Prozessanpassungen leicht identifiziert werden.

Die Ergebnisse der drei Prozessanalysen wurden mittels Last Planner System zu einer Standard-Gesamtprozess­analyse zusammengefügt. Es wird darauf geachtet, dass die Vorleistungen eindeutig als Ergebnisse der Vorgängerprozesse sichtbar sind und somit auch außenstehende Personen den Planungsprozess nachvollziehen können. Die GPA zeigt die Abhängigkeiten zwischen den Prozessen, was den Planungsprozess effizienter und transparenter macht. Sie hilft den Planern, die Prozesse optimal zu koordinieren und Verschwendung zu vermeiden. Die Swimlanes aus den Prozessanalysen werden verwendet, um Vorleistungen und Ergebnisse für jeden Prozess zuzuordnen und ein klares Verständnis der Prozessabfolgen zu schaffen.

 

Zwei Varianten

Collection 3D rendering of architecture, Wireframe image of residential building

Die neu erstellte Gesamtprozessanalyse (GPA) wird beispielhaft mittels Location-Based Management System in zwei Varianten für ein siebengeschoßiges Gebäude dargestellt.

1. Variante. Alle Prozesse eines Geschoßes werden ohne Unterbrechung abgeschlossen, wobei nach der Fertigstellung eines Geschosses das nächste Geschoß vier Wochen später beginnt. Diese Variante dauert insgesamt 42 Wochen. Der Vorteil dieser Variante liegt darin, dass die Planung des ersten Geschoßes bereits nach 18 Wochen abgeschlossen ist.

2. Variante. Ein Prozess wird ohne Unterbrechung in allen Geschoßen durchgeführt, was zu einer insgesamt kürzeren Planungszeit von 33 Wochen führt, aber die Fertigstellung des ersten Geschoßes dauert mit 27 Wochen länger, was ein Plus von neun Wochen im Vergleich zur ersten Variante bedeutet.

Fazit. Abhängig vom Projektzeitplan kann eine der beiden Varianten oder eine Mischvariante gewählt werden. Die Wahl hängt davon ab, welche Variante die besten Voraussetzungen für eine effiziente Projektumsetzung bietet. Die neu erstellte GPA geht in ihrer Detailliertheit weit über das bisherige Maß hinaus und erfordert von den Planern in Zukunft keine erneute Analyse der Prozessabfolgen, soll aber in weiterer Folge um die Prozesse der anderen Gewerke wie BIM, Bauphysik, Nachhaltigkeit oder Qualitätsmanagement erweitert werden.

 

Tipp
Masterarbeit »Standardisierung der Planungsprozesse von integralen Planungsteams« von Nina Schreiner, verfasst am Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft TU Graz unter der Leitung von Prof. Gottfried Mauerhofer.

Bilder: iStock

ThemaThema

Bauen außerhalb der Norm - Teil 2

In Teil 1 wurde bereits dargestellt (Link), dass aufgrund des stark europarechtlich geprägten Normenwesens sowie harmonisierten Verbraucher- und Gewährleistungsrechts eine rein nationale »Lösung« sowohl für den Bundes- bzw. Landesgesetzgeber als auch für die Normungsinstitute schwer umsetzbar...

Bau & Wirtschaft

Produkte & ProjekteView all