Thursday, May 01, 2025

Mehrwert für Manager

Im Straßenbau gibt es noch viele Möglichkeiten, die Produktivität zu steigern. Die größten Potenziale sehen Auftraggeber wie Auftragnehmer in der Prozessoptimierung. Ganz oben stehen der Einsatz von Lean-Methoden und eine kooperative Projektabwicklung.

Dank dem Einsatz von Lean Management und der Echtzeit-Unterstützung durch digitale Werkzeuge wie der Logistiksteuerung Smart Site One, die flächendeckende Verdichtungskontrolle und die kontinuierliche Oberflächentemperaturmessung hat die Porr in Deutschland 20 Kilometer Asphalt in acht Tagen eingebaut und dabei 12.000 Tonnen Asphaltmischgut eingespart. (Bild: Porr)

Stellt man Auftraggebern und Auftragnehmern unabhängig voneinander dieselben Fragen, bekommt man oft sehr unterschiedliche Antworten. Zu unterschiedlich sind oft die Interessen und die Wahrnehmung dessen, was funktioniert und was nicht. Nicht so beim Thema Straßenbau, zumindest dann nicht, wenn die Gesprächspartner Porr und Asfinag heißen. Wenig überraschend herrscht darüber Einigkeit, dass die wichtigsten Innovationen der letzten 20 Jahre im Straßenbau die Kreislaufwirtschaft und die Digitalisierung waren. »Es gab große Fortschritte im Materialrecycling aller Art, insbesondere von Asphalt«, sagt Karl-Heinz Strauss, CEO der Porr, und verweist auf die Asphaltrecyclinganlage der Porr in Wien-Simmering. »Die Anlage schafft bis zu 100 Prozent Recyclinganteil. Das wäre vor 20 Jahren undenkbar gewesen.«

Auch Andreas Fromm, Geschäftsführer Asfinag Bau Management, verweist auf die stärkere Nutzung von Recycling und Re-Recycling im Straßenbau. »Mit einer verstärkten Kreislaufwirtschaft schonen wir nicht nur die Umwelt, sondern können auch nachhaltiger wirtschaften.« Dazu kommt der verstärkte Einsatz digitaler Technologien wie etwa digitale Systeme zur Planung und Steuerung der Logistik, Laserscanning-Methoden (Mobile Mapping) und daraus abgeleitet 3D-Fräsen nach Modell.

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Bild: »Der größte Produktivitätshebel liegt in der frühen Planungsphase. Eine präzise und detaillierte Planung führt zu einer effizienteren Umsetzung und vermeidet kostspielige Anpassungen während der Bauphase«, sagt Andreas Fromm, Geschäftsführer Asfinag Bau Management.

Enorme Potenziale
Spannender als die Vergangenheit ist für die meisten Nicht-Historiker aber der Blick in Gegenwart und Zukunft. Und auch da ist man sich in weiten Teilen überraschend einig. Das größte Potenzial für mehr Produktivität und Kostensenkung wird nicht nur von Porr und Asfinag in der Prozessoptimierung gesehen. »Es gibt noch immer zu viele eigenständige Silos wie Planung, Kalkulation, Bestellung, Lieferung und Einbau«, sagt Gilbert Leb, Account Executive Q-Point. Diese Vernetzung ist in anderen Branchen seit Jahrzehnten gang und gäbe, da hat die Bauindustrie noch Aufholbedarf.

»Durch die systematische Analyse und Optimierung der Prozesskette können wir Ressourcen effizienter nutzen und die Qualität verbessern«, ist Strauss überzeugt. Fromm sieht den größten Hebel in der frühen Planungsphase. »Eine präzise und detaillierte Planung führt zu einer effizienteren Umsetzung und vermeidet kostspielige Anpassungen während der Bauphase.« Enormes Potenzial sehen Auftraggeber und Auftragnehmer auch in Lean Construction und kooperativen Vertragsmodellen. »Der durchgängige Einsatz von Lean-Methoden wie Last Planner und Taktsteuerung ist zusammen mit BIM ein besonders wichtiger Hebel«, erklärt Strauss.

Auch für die Asfinag hat sich Lean Construction bereits als äußerst effizient erwiesen. »Durch die Optimierung der Abläufe und den Fokus auf Effizienzsteigerung konnten wir sowohl Zeit als auch Kosten einsparen«, so Fromm.

Mehr Kooperation
Ebenfalls für ein großes Plus an Effizienz sorgen kooperative Vertragsmodelle wie Early Contractor Involvement (ECI). Durch die frühzeitige Einbindung der Bauunternehmen in die Planung werden potenzielle Probleme in der Durchführung bereits in der Planungsphase entdeckt. »Auf diese Weise müssen während des Bauprozesses keine aufwändigen Kurskorrekturen vorgenommen werden«, erklärt Strauss.

Auch die Asfinag kann ECI einiges abgewinnen und hat ein ECI-Light-Pilotprojekt umgesetzt. Bei den Arbeiten an der Lärmschutzwand Leobersdorf hat die Asfinag die richtigen Zuschlagskriterien und Vertragsgestaltungen genutzt, um Potenziale in der Ausführung und der Qualität zu heben. Als besonders erfolgreich erwies sich laut Fromm der Einsatz eines Allianzvertrags zur kooperativen Projektabwicklung. Auch wenn dieser Ansatz nicht mehr völlig neu ist, sei er bei der Asfinag ein bedeutender Schritt zur besseren Zusammenarbeit und fairen Risikoverteilung in Projekten gewesen. »Diese Ansätze haben sich als sehr tauglich für unsere Ziele erwiesen und bieten auch in Zukunft viel Potenzial für weitere Optimierungen«, ist Fromm überzeugt.

Blick in die Zukunft
Großes Potenzial für die Zukunft sieht die Asfinag in der weitergehenden Nutzung digitaler Möglichkeiten. »Technologien wie BIM oder digitale Zwillinge könnten uns helfen, noch effizienter und präziser zu arbeiten, indem wir eine bessere Koordination und eine transparente Kommunikation zwischen allen Beteiligten ermöglichen«, ist Andreas Fromm überzeugt. Durch die Nutzung von digitalen Systemen zur Bewertung der Zustände vor Ort, wie z. B. das In-Situ-Messen des Fahrbahnbelages vor dem Fräsen zur Definition der tatsächlichen Frästiefen, wird sowohl Effizienz als auch Effektivität steigern. Zudem ist die kontinuierliche Weiterentwicklung von Baustoffen mit einem besonderen Fokus auf Recyclingmaterialien ein wichtiger Hebel, um sowohl die Nachhaltigkeit als auch die Ressourceneffizienz im Straßenbau weiter zu verbessern. Nicht zu vernachlässigen ist laut Fromm auch die Weiterentwicklung der Baumaterialien. »Ich denke an ›hidden Champions‹ wie alternative Stoffe zum Straßenbaubitumen, Schaumbitumen, temperaturreduzierte Asphalte oder optimierte Zemente.«

 

Hintergrund: CAMBER
Vor kurzem erfolgte der Startschuss für das europäische Forschungsprojekt CAMBER (Connected and Adaptive Maintenance for Safer Urban and Secondary Roads) mit 14 Partnern aus neun Ländern unter der Leitung des European Institute of Road Assessment (EIRA). Ziel des Projekts ist es, die Sicherheit und Erhaltung von Straßen in Städten und im ländlichen Raum durch den Einsatz innovativer Technologien und kosteneffizienter Lösungen zu verbessern. Ein zentrales Anliegen von CAMBER ist es, dringend benötigte Forschung und Tests kostengünstiger Verkehrssicherheitsmaßnahmen sowie ressourcenschonender Wartungstechniken zu unterstützen.
CAMBER nutzt Daten aus Telematiksystemen, Fahrzeugsensoren, Smartphones und dem Feedback von Verkehrs­teilnehmenden. Diese fließen in Modelle zur Sicherheitsbewertung ein, die Risiken identifizieren und Wartungsmaßnahmen priorisieren. Digitale Zwillinge von Straßennetzen simulieren mögliche Szenarien, um die Effizienz der Instandhaltungsplanung zu verbessern. Das AIT Austrian Institute of Technology spielt eine zentrale Rolle im Projekt und leitet das Arbeitspaket zur Datenerhebung.