Die Industrieemissionsrichtlinie (IED) treibt einigen Unternehmen der Stein- und keramischen Industrie Sorgenfalten auf die Stirn. Die bisher gültigen Grenzwert-Bandbreiten sind Geschichte, es zählt nur noch der niedrigste Schwellenwert. Das schadet dem Standort und der Wettbewerbsfähigkeit. Ein Kommentar von Dr. Andreas Pfeiler, Geschäftsführer Fachverband Steine-Keramik

Die Industrieemissionsrichtlinie ist das wichtigste Instrument, das EU-weit zur Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung durch industrielle Tätigkeiten eingesetzt werden kann. Sie sieht Vorschriften zur Reduktion von Emissionen in Luft, Wasser und Boden und zur Abfallvermeidung vor, indem auf Basis der besten verfügbaren Techniken Grenzwerte für freigesetzte Schadstoffe vorgeschrieben werden, die im ordentlichen Betrieb der Anlage eingehalten werden müssen. So weit so gut. Diese Grenz­werte gelten in der gesamten Europäischen Union, werden aber national sehr unterschiedlich umgesetzt und die Bestimmungen mehr oder weniger streng vollzogen. Zusätzlich werden sie in regelmäßigen Abständen überarbeitet und an die technologischen Entwicklungen angepasst. Meist wird verschärft, wie die aktuelle bereits im Sommer 2024 in Kraft getretene IED zeigt. Das zwingt die Unternehmen dazu, ihre Anlagen anzupassen, aufzurüsten, umzubauen, teuer zu investieren oder im schlimmsten Fall zu schließen oder abzuwandern.

Keine Bandbreite mehr
Nun zum konkreten Knackpunkt der neuen IED: Die bisherige Richtlinie legte Grenzwert-Bandbreiten für verschiedene Emissionen fest. Die Unternehmen mussten sich im Genehmigungsverfahren innerhalb dieser Bandbreite bewegen. Mit Umsetzung der neuen IED muss nun aber der niedrigste Schwellenwert als Ausgangspunkt herangezogen werden. Durch Beweisführung seitens der Unternehmer, kann ausgehend von diesem niedrigsten Wert auch ein höherer Grenzwert genehmigt werden. Die Beweislast liegt jedoch beim Unternehmer. Das Prozedere ist wohl verständlich, berücksichtigt allerdings weder die Verfügbarkeit der Technologien, die jene niedrigen Grenzwerte einhalten können, noch die wirtschaftlichen Möglichkeiten innerhalb der Branche oder Unternehmerschaft. Mit anderen Worten: Die Bandbreite ist futsch, der niedrigste Schwellenwert die Ultima Ratio.

Mehrfach wurde seitens des Fachverbands bei den Diskussionen zur Umsetzung auf nationaler Ebene darauf hingewiesen, dass vor allem die klein- und mittelständischen Unternehmer Probleme haben werden, die Investitionen zur Erreichung der niedrigsten Grenzwerte zu bewerkstelligen. Doppelt bitter für jene, die sich innerhalb der möglichen Bandbreite oder gar nur knapp über dem niedrigsten Grenzwert befinden.

Kein blinder Gehorsam

Keine Frage: die Umsetzung einer europäischen Richtlinie ist verpflichtend. Beim »wie« ist allerdings jener legale Spielraum auszuschöpfen, der den Möglichkeiten der heimischen Wirtschaft gerecht wird. In blindem Gehorsam und um jeden Preis europäisches Regelwerk umzusetzen, damit den Erfordernissen genüge getan wurde, schadet auf Sicht gesehen dem Standort und der Wettbewerbsfähigkeit. Es braucht daher viel mehr Mut manche Vorgaben kritisch zu hinterfragen und im Lichte der Möglichkeiten der heimischen Wirtschaft auszulegen. Andernfalls tragen wir gemeinsam weiter dazu bei, dass sich die Abwanderung von Unternehmen in Nicht-EU-Länder verstärkt. Wer dies für eine Floskel eines Lamentos hält, dem sei ein Blick in den Draghi-Report empfohlen: ohne Standortsicherung, keine Zukunft!

Bild: iStock