Mit seiner Initiative Internet.org will Facebook Entwicklungshilfe zur Überbrückung des globalen Digital Divide leisten - ein Danaergeschenk.
»Ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen« – nicht nur Lateinschülern, sondern auch »Asterix«-Lesern ist diese Redewendung bekannt. Das Geschenk, um das es im Vergil-Zitat geht, ist berühmt: das Trojanische Pferd, in dessen Bauch die Griechen unbemerkt in die erfolglos belagerte Stadt Troja gelangten. Wenn Marc Zuckerberg, Gründer und Chef von Facebook, nun mit seinem Projekt Internet.org den technisch weniger entwickelten Ländern sozusagen den kostenlosen und einfachen Einstieg ins Internet schenken möchte, ist Vorsicht angebracht: Auch – oder, wie man hierzulande weiß, besonders – die Geschenke von Milliardären kommen mit Bedingungen.
Das Konzept klingt auf den ersten Blick menschenfreundlich: In einer Kooperation mit sieben großen Handy-Herstellern, darunter Samsung, Ericsson und Microsoft, stattet Facebook seit einigen Monaten Menschen in Entwicklungsländern mit kostenlosem Internetzugang aus. Schon auf den zweiten Blick zeigt sich allerdings, was Facebook unter »Internetzugang« versteht: Internet.org erlaubt nur den Zugriff auf eine Handvoll ausgewählter Seiten, dient aber hauptsächlich dem Zugang zu Facebook selbst, das durch dieses »Geschenk« bis zu einer Milliarde neue Nutzer erwartet.
Ein bisschen Internet
Schon seit Ankündigung der Initiative regt sich Protest – auch vonseiten der Beschenkten: Mitte April verweigerte eine Anzahl indischer Firmen, die ursprünglich mit an Bord gewesen waren, medienwirksam die weitere Zusammenarbeit mit dieser Form des abgespeckten und von Facebook moderierten Internetzugangs. Internet.org bedeute de facto nichts anderes als die Abschaffung der Netzneutralität unter humanistischem Deckmäntelchen, kritisierten über 200.000 Unterzeichner einer indischen Petition zum Thema, die sich auch gegen die Facebooks Projekt wohlwollend gegenüberstehende indische Regierung richtete. Große Monopole wie Facebook würden durch derartige »Geschenke« ihre Marktmacht auf Kosten eines wirklich freien Internets auf Jahre hinaus einzementieren und kleineren Konkurrenten kein Überleben ermöglichen – Argumente, die weltweit im Kampf um Netzneutralität Gültigkeit besitzen.
Auch die Netzaktivisten der Electronic Frontier Foundation sowie 65 netzpolitisch aktive Organisationen aus 31 Ländern haben sich kürzlich in einem offenen Brief gegen Zuckerbergs Initiative gestellt. »Facebook ist dabei, einen ummauerten Garten zu erschaffen, in dem die Ärmsten der Welt nur auf eine vorlimitierte Zahl an wenigen, noch dazu unsicheren Diensten zugreifen können. Internet.org verletzt die Prinzipien der Netzneutralität und bedroht die freie Meinungsäußerung, Chancengleichheit, Sicherheit, Privatsphäre und Innovationskraft. Wir sind besorgt, dass das Argument, Internetzugang für die Ärmsten zu schaffen, nur ein Vorwand für die Verletzung der Netzneutralität ist.«
No free lunch
Netzneutralität hin oder her: Für viele Regierungen in den angepeilten Schwellenländern ist die Kooperation verlockend. Vielen mehr oder weniger autoritären Staatslenkern ist das gar zu freie Netz ohnedies ein Dorn im Auge – ein harmloses »Mini-Internet«, das zudem im Fall der Fälle bequem an einem einzigen Flaschenhals kontrollierbar ist, kommt manchen Regierungen gerade recht. Und ist, so die Argumentation, nicht auch der kleinste kostenlose Zugang zur globalen Vernetzung besser als gar nichts?
Geschenkt, so muss man entgegnen, gibt es allerdings in diesem Szenario natürlich überhaupt nichts – denn der angeblich kostenlose Zugang zum bisschen Internet von Facebooks Gnaden wird von seinen Nutzern nur auf andere Art und Weise bezahlt. Denn zur Erinnerung: Bei »kostenlosen« Internetdiensten ist der Benutzer nicht Kunde, sondern Ressource – und Ware. Eine Milliarde Mal.