Sonntag, Oktober 06, 2024

Gerhard Grün ist IT-Leiter des Herzogenburger Herstellers von Futterzusatzmitteln Erber Gruppe. Er ist in einem Interview im Rahmen der Initiative Trust in Cloud überzeugt: "Manche IT-Lösungen werden künftig nur noch als Cloud-Services angeboten".

In welcher Form beschäftigen Sie sich mit Cloud Computing?

Gerhard Grün:
Cloud beschäftigt uns schon sehr lange. Aktuell bauen wir einen neuen Campus und in diesem Zusammenhang war es wichtig zu überlegen, wohin mit unseren Daten. Im Hinblick auf Data-Center plane ich nun, einige Services bewusst außer Haus zu geben. Das betrifft auch das Thema Sicherheit, was woanders vermutlich in besserer Hand liegt – dies auch in Bezug auf den neuen, eher exponierten Unternehmens-Standort. Ein weiterer Punkt ist aufgrund unserer Globalität die Vernetzung. Bereits jetzt befinden sich die meisten Nutzer unseres ERP-Systems außerhalb von Österreich und es macht daher durchaus Sinn, kürzere Wege bei den Datenverbindungen zu nutzen.
 
Welche Anforderungen muss hier Cloud Computing für Sie erfüllen?

Es gibt unterschiedliche Anforderungen an die Daten – schnell, sicher, billig, dynamisch, aber auch starr bzw. standardisiert. Nicht alle Daten brauchen die gleiche Qualität an Verfügbarkeit. Würde ich jetzt selber ein Data-Center designen, müsste ich zuerst das gemeinsame Vielfache von allen diesen Daten suchen, inklusive Verfügbarkeiten. Das würde zu einer Verteuerung führen. Daher entstand die Idee, gezielte Services aus der Cloud mit in Betracht zu ziehen. Hier gilt es nun, die Daten mit hoher Verfügbarkeit herauszuschälen, zu exponieren und in die Cloud zu legen. Das Gleiche betrifft dann auch Daten, die zwar eine gleich wichtige Qualität für uns haben, aber keine so hohe Verfügbarkeit brauchen.
 
Haben Sie für Ihr Unternehmen bereits eine Cloud Strategie entwickelt, die den Weg in die Cloud für die nächsten Jahre beschreibt?
Unterm Strich ist die Cloud Strategie unseres Unternehmens, die beiden Extreme schnell/sicher/starr und billig/dynamisch als IaaS (Infrastructure as a Service) auszulagern und den gemischten Mittelbau selbst zu hosten. Dabei teile ich die Cloud in drei Bereiche: die Private Cloud, wo man sich seine Services selber hostet und entsprechend für die Infrastruktur aufkommen muss. Die Public Cloud, etwa mit Self Service Portalen im Baukastensystem, hat aber den Nachteil einer oftmals fixen Standardisierung. Wenn wir hier spezifische Services brauchen oder Flexibilität, so ist es dann für uns als einzelnen Mittelständler unmöglich, eine entsprechende Individualität zu bekommen oder es wird zu teuer. Als drittes gibt es für mich die Domestic Cloud, die lokale Anbieter bedienen. Hier habe ich ein anderes Security-Verständnis und die sind auch flexibel, um genau auf meine Bedürfnisse eingehen zu können.
 
Können Sie bitte die Vorteile, die Sie daraus ziehen, skizzieren?
So kann ich z.B. lokale Services oder shared Plattformen mit einem Data-Storage oder einem lokalen Server verknüpfen und dort meine Private Firewall platzieren, um Vernetzungen durchzuführen. Auch solche Veränderungen beim Domestic-Cloud-Anbieter kosten Geld, was aber gerechtfertigt ist, weil sie genau auf meine Bedürfnisse eingehen. Zudem habe ich die Möglichkeit diesen lokalen Anbieter zu besuchen, etwaige neue Anforderungen direkt zu besprechen – oder auch meine Daten hin zu bringen, diese rasch in die Domestic Cloud zu geben oder sie wieder abziehen.
 
Welche Cloud kommt in Ihrem Unternehmen bereits zum Einsatz?
In der Cloud betreiben wir als SaaS (Software as a Service) unsere Homepage, die Recruting-Plattform, einen FileSharing Service und den SPAM Filter. Aktuell laufen die Vorbereitungen, um das ERP-System als IaaS in der Cloud zu betreiben. Anschließend werden wir weitere Services wie Mailgateway und Collaboration andenken. Cloud ist für mich Outsourcing auf geteilten Plattformen und bringt somit neue Möglichkeiten. Aktuell vertiefe ich das Thema, um diese neuen Möglichkeiten im Zusammenhang mit dem Bau des Serverraumes am neuen Erber Campus zu betrachten.
 
Wo liegt für Sie im Hinblick auf die Cloud der wesentliche Unterschied bei SaaS und IaaS?
Der Unterschied ist, dass ich bei SaaS meine Daten an einen Dienstleister in seine Infrastruktur übergebe und nur mehr über Schnittstellen Zugang habe. Wichtig ist hier, die Datennutzung und die Sicherheit zu gewährleisten. Wir ziehen uns etwa einmal pro Monat ein Backup, um die Daten auch jederzeit bei uns verfügbar zu haben. IaaS bietet mehr Möglichkeiten, auch beim Zugriff. Da bin ich bereit, auch unser ERP-System in die Cloud zu geben, eben weil ich jederzeitigen Zugriff habe – mit der Möglichkeit, diese Daten auch wieder abzuziehen.
 
Wie gehen Sie mit der Vielzahl der Bedenken um, die gegenüber Cloud Computing geäußert werden?
Unabhängig von Cloud Computing müssen wir zukünftig Daten klassifizieren. Und weil wir klassifizierte Daten haben, können wir auch das Risiko für diese beurteilen und folglich entscheiden, wem wir sie anvertrauen können. Damit die einzelnen Fachabteilungen wissen, in welcher Form Cloud Computing sinnvoll ist, braucht es keine eigene Policy, sondern eine Kultur, die die Mitarbeiter veranlasst, uns für alle IT und IT-nahen Tools und damit auch Cloud-Dienste mit einzubeziehen. Offene Worte, Vertrauen und gute Services verstärken diese Kultur.
 
Wie stellen Sie sicher, dass die Mitarbeiter das erforderliche Know-how haben, um mit Cloud Computing umgehen zu können?
Für die Mitarbeiter der Fachabteilungen soll es nicht nachvollziehbar sein, ob das Service inhouse oder extern gehosted wird. Deswegen ist es auch wichtig, dass die IT immer involviert wird, damit das beste System und mögliche, notwendige Schnittstellen zur Verfügung gestellt werden.
 
Welches Anforderungsprofil braucht Ihrer Meinung nach ein neuer IT-Mitarbeiter im Hinblick auf die künftigen fachspezifischen Anforderungen?
Es braucht Generalisten mit dem Wunsch nach Eigenverantwortung. Ich habe meine Mitarbeiter bis dato nicht auf IT-Kurse geschickt sondern auf Kurse für Persönlichkeitsentwicklung.  Meine Mitarbeiter sind halbe Projektleiter, die das Unternehmen kennen und die Technik verstehen. Die Herausforderung ist, den richtigen Bedarf zu erkennen, die richtigen Lösungen dafür zu finden und diese dann gemeinsam mit Hersteller und Fachabteilung zu implementieren und am Leben zu halten. Wie viel Technik wir dabei selbst angreifen oder eben auslagern, ist von Projekt zu Projekt verschieden.
 
Wie prüfen Sie die ausreichende Qualität eines potenziellen Cloud Services?
Neben den SLA (Service Level Agreements ist es auch wichtig, ein Access/Exit-Szenario zu haben. Die wichtigste Frage vorweg ist, wie wichtig sind die Daten für das Unternehmen und wie einfach kann ich diese Daten wieder sauber ins Unternehmen holen. Danach kommen Themen wie Security und Schnittstelle. Ist dies geklärt, können die Funktionalität oder der Preis begründen, dass wir ein Service aus der Cloud beziehen.


Zum Unternehmen
Die Erber Group ist eine weltweit führende Firmen Gruppe im Bereich der Lebens- und Futtermittelsicherheit, mit Schwerpunkten auf natürlichen Futteradditiven, Futter- und Lebensmittelanalytik sowie Pflanzenschutz mit Sitz in Niederösterreich (Herzogenburg, Tulln). Sie erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2013 einen Umsatz von über 200 Millionen Euro.

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