Wie kleine und mittlere Unternehmen mit einer Open-Source-Software aus Belgien enorm Ressourcen sparen können. Drei Unternehmen, drei Einsatzbereiche.
Er tritt auf wie ein Rockstar: Tosender Applaus im riesigen Auditorium des Brüsseler Messegeländes, als Fabien Pinckaers, Gründer und Mastermind von Odoo, auf die in violettes und blaues Licht, die Markenfarben von Odoo, getauchte Bühne tritt. 35.000 Menschen aus 120 Ländern sind nach Brüssel gekommen, um die »Odoo Experience 2024« zu erleben und alle Innovationen der Software Odoo 18 kennenzulernen.
»Ich liebe Odoo, weil ich es liebe mit der Community zu arbeiten«, stellt Fabien, wie ihn alle nennen, gleich zu Beginn fest. Dann fährt er mit einer persönlichen Geschichte fort, über sein Lieblingsbuchgeschäft in Indien: ein Geschäft im Freien, ohne Elektrizität, jeder Quadratmeter mit Büchern belegt. Der Besitzer verfügt über keine Daten seines Geschäfts, weder über den Verkauf noch über den Buchbestand. Aber Fabien wäre nicht Fabien, hätte er den Buchladenbesitzer nicht überredet, mit Odoo-Software zu arbeiten. »Dann änderte sich alles«, erzählt der Belgier stolz. Jetzt hat der Laden eine eigene Website, verkauft auch online und der Besitzer kennt alle Daten über Geschäftsverlauf, Kunden und deren Vorlieben.
»Er ist bestens organisiert, besser als europäische oder amerikanische Buchläden«, beschreibt der Odoo-Gründer die Wandlung. Und der Buchhändler organisiert das alles über sein kleines iPhone. »Das alles kann Odoo 18 mit dem neuen mobile interface. Das komplette Geschäft kann übers Handy abgewickelt werden, angefangen von der Barcode-Erfassung der neu gelieferten Bücher über die sekundenschnelle Erstellung neuer Produkte, erzählt Fabien unter erneut heftigem Applaus. Über die Odoo-Software erstellt der Buchhändler dann per Handy-Click Rechnungen, überblickt den Bestand, bestellt nach, kann Angebote legen und seine Website updaten – alles nahezu real time.
Nur einmal lag plötzlich Stille im Saal. Als Fabien die Frage, was er macht, um den nur fünfprozentigen Frauenanteil unter den Entwickler*innen bei Odoo zu erhöhen, mit: »Ich will nicht downgraden«, beantwortete. Und »was passiert mit Odoo, wenn Fabien stirbt?«, fragt jemand. »Meine Tochter, sie ist auch hier«, sagt der Odoo-Gründer und Mehrheitseigentümer dann zur Überraschung aller.
Alternative gefunden
Die fortschreitende Digitalisierung und Automation sowie der Effizienzdruck macht es auch für Klein- und Mittelbetriebe zunehmend wichtig, sich um eine passende Software für ihr Unternehmen umzuschauen. Da gibt es zum einen Systeme großer, bekannter Anbieter, die allerdings oft kompliziert zu implementieren und für kleine Betriebe zu teuer sind. Zum anderen gibt es eine Reihe von Branchenlösungen.
Da gibt es aber auch noch eine dritte Möglichkeit: eine Open-Source-Software, wie jene von Odoo. Mit mehr als 30.000 Entwicklern rund um die Welt bietet das System ständig Innovationen, individuelle Anpassungen an die Bedürfnisse der Kunden und eine Menge von Einzelmodulen, die den Einstieg sehr kostengünstig machen. »Mit Odoo hat man das gesamte Unternehmen in einem System«, bringt es Stefan Wailand, Geschäftsführer der Wiener Datenpol GmbH, die Odoo in Österreich für Kunden maßgeschneidert gestaltet, auf den Punkt. Von der Warenwirtschaft bis zum Kunden, von der Website bis zum Webshop kann alles mit einem System gesteuert werden. Und das zu überschaubaren Preisen, obwohl die Inflation der vergangenen Jahren auch vor der Software nicht Halt gemacht hat.
Man hat jede Menge Erfahrung mit Odoo. Denn Datenpol ist aus dem Wiener Unternehmen Mechatronik Entwicklung und Fertigung entstanden, das eine Software für ein Warenwirtschaftssystem gesucht hat und so auf Odoo gestoßen ist. Das war vor 14 Jahren. »Das Open-Source-System bietet die Möglichkeit, die Software selbst zu individualisieren und es gab keine Lizenzkosten«, erklärt Wailand die Gründe für die Entscheidung für Odoo. Dann wurde das System auch für andere Unternehmen ausgerollt und Datenpol ins Leben gerufen. »Uns ist die Nutzersicht enorm wichtig. Wir wissen ja selbst, wie sich das anfühlt«, beschreibt Wailand den Unterschied zu anderen Dienstleistern.
Stefan Wailand, Datenpol: »Open-Source bietet die Möglichkeit, die Software selbst zu individualisieren – ohne Lizenzkosten«.
Warum Odoo?
»Simple and fast sind die Schlagwort von Odoo. Es liegt ein klarer Fokus auf den Benutzern«, sagt Wailand. Das System skaliere von einem Mitarbeiter bis zu 10.000 Beschäftigten. Durch den Open-Source-Gedanken sei das System hoch transparent. »Da wird nichts im stillen Kämmerchen gemacht«, lobt der Datenpol-Geschäftsführer die Software.
In Österreich wird Odoo meist von Unternehmen ab circa fünf Nutzer*innen verwendet. Unternehmen können Odoo auch für Teilbereiche wie etwa nur die Buchhaltung oder die Logistik verwenden. Wirklich sinnvoll ist der Einsatz nach Einschätzung von Wailand aber erst, wenn das gesamte Unternehmen in dem System abgebildet wird. In Österreich am meisten nachgefragt werden Module, die vom Angebot bis zur Rechnung alles managen. Eine manuelle Verarbeitung dieser Prozesse gehöre der Vergangenheit an. Odoo verarbeite die Eingangsrechnung mit Bild-zu-Text-Erkennung automatisiert. »Damit ist alles fertig in der Buchhaltung. Wenn mir das mit 70 Prozent der Belege gelingt, habe ich viele Effizienzgewinne«, erklärt Wailand.
Der aktuelle Trend gehe in Richtung Buchhaltung-Module, da es zu wenige Buchhalter*innen gebe. »Es gehen in den nächsten Jahren Generationen von Buchhaltern in Pension. Das ist ein riesiger Wachstumsmarkt für Odoo«, prognostiziert Wailand.
Hintergrund: Drei Unternehmen, drei Einsatzbereiche
1. Schritt zu höherer Effizienz
Die Steuerberater von Ecovis Austria arbeiten seit fast zwei Jahren mit Odoo. Warum? »Es ist ein vollumfängliches Tool für Warenwirtschaft, CRM, Buchhaltung oder Invoicing. Das wird in der KMU-Landschaft stark nachgefragt«, sagt Martin Grill, Partner Ecovis Austria. Zudem sei es leicht anzuwenden und passe daher gut in die Strategie von Ecovis. Neben dem in Österreich weit verbreiteten BMD-System für Steuerberater, das ein komplettes Reporting und die Steuererklärung umfasst, verwendet Ecovis selbst Odoo und empfiehlt es auch den Kunden. »Odoo wird dort eingesetzt, wo die Kunden selbst mit dem Tool arbeiten, also in der Warenwirtschaft, der Fakturierung, der Beschaffung«, erklärt Grill. Ecovis arbeite in der Regel im selben System wie seine Mandanten. Das erleichtere die Zusammenarbeit. Den Vorteil von Odoo beschreibt Grill so: »Es ist in der Erstinvestition günstiger, es ist vielseitiger und moderner, als andere ERP-Systeme«.
Bild: Martin Grill ist Partner bei der Steuerberatungskanzlei Ecovis Austria in Wien.
Als Open Source sei Odoo zudem dynamischer: Entwickler können zusätzlich spezielle Anwendungen programmieren. Ecovis entwickelte gemeinsam mit Datenpol ein Zeiterfassungstool auf Odoo-Basis. Mittels Handy-App können Mitarbeiter*innen ihre Arbeitszeit erfassen und sich ein- und ausloggen. »Das ist ein perfektes Zeiterfassungssystem«, führt Grill aus. Für viele KMU, die das noch in Papierform machen, sei das ein großer Schritt zu höherer Effizienz.
2. Perfekter Überblick über Projekte
Seit der Gründung im Jahr 1988 ist die Linzer ABF GmbH auf die Digitalisierung und Automatisierung der Industrie spezialisiert. Die Palette reicht von Produktions- bis zu Lagersteuerungssystemen. Das Unternehmen bietet Schnittstellen zu Erzeugern von Industrierobotern. »Wir programmieren dann die übergeordnete Software, die mit allen Aggregaten spricht und die Produktion vom Anfang bis zum Schluss steuert«, erklärt Prokurist Martin Buchberger. Odoo ist bei ABF seit 2019 im Einsatz. Das starke Wachstum habe ein Managementsystem, das alle Projekte planen und überwachen könne, notwendig gemacht. So werden zum Beispiel die Stunden, die ein Mitarbeiter für ein Projekt arbeitet, exakt zugeordnet, Budgetüberschreitungen rasch erkannt.
Bild: Martin Buchberger ist Prokurist bei dem Automatisierungs- und Digitalisierungsexperten ABF in Linz.
Buchberger nennt drei große Vorteile des Odoo-Systems: Erstens sei es für die Mitarbeiter*innen komfortabel zu bedienen, also keine große Zusatzbelastung. Zweitens sei es für die Projektleiter*innen gut, weil das System einen Überblick biete, wie die Projekte laufen, wie hoch die Auslastung sei. Außerdem würden die Rechnungen direkt über dieses Tool gestellt. »Da stehen dann schon die korrekten Arbeitsstunden drauf, weil alles verknüpft ist«, sagt Buchberger. Drittens sei das für das Management ein perfekter Überblick über das Unternehmen. »Mit 80 Mitarbeitern kann eine Führungskraft nicht immer erkennen, ob alle genug Arbeit haben. Mit Odoo ist dieser Überblick einfach.«
3. Waldinventur voll digitalisiert
Die Salzburger FMM (Forest Mapping Management) GmbH, die vor zwei Jahren von der Unternehmensgruppe des Fürstentums Liechtenstein übernommen wurde, startet derzeit mit dem Einsatz der Software von Odoo. »Wir sind stark gewachsen und wollen alle internen Prozesse optimieren«, erklärt Martin Wuchse, Developer bei FMM. Bisher hatte das Unternehmen ein hausinternes System, das zunächst die Walddaten, die Kunden mitbrachten, verarbeitet hat. Auf dieser Basis wurden Angebote geschrieben. Für diesen kompletten Ablauf wird nun Odoo genutzt. »Jetzt sind die Abläufe nicht nur schneller, sondern auch klarer und nachvollziehbarer«, führt Wuchse aus. Entscheidungen seien nachvollziehbar und transparenter. »Das ist für alle Beteiligten nachvollziehbarer und für das Management eine bessere Entscheidungsgrundlage«, resümiert Wuchse.
Bild: Martin Wuchse ist Entwickler bei Forest Mapping Management (FMM) in Salzburg.
Daten über den Wald sammelt FMM unter anderem, indem Piloten mit Flugzeugen und hochspezialisierten Kameras den Waldbesitz der Kunden abfliegen. Mit den Aufnahmen kann nicht nur eine exakte Karte der Waldfläche gezeichnet werden. »Wir detektieren anhand der Bilddaten und Oberflächenauswertung, wo welche Bäume stehen, wie der Zustand des Waldes ist, ob und welche Arbeiten notwendig sind. Das Ganze passiert mit Hilfe Künstlicher Intelligenz«, erklärt Wuchse. Neben Österreich, Deutschland und der Schweiz bedient FMM auch Kunden in Japan.