Samstag, Oktober 05, 2024
Die Jagd nach dem roten T-Shirt
Bilder: iStock, Genetec

Der Technologieanbieter Genetec wurde in Kanada gegründet und hat sich auf Software für Zutrittskontrolle und Videoüberwachung – und damit verbundenen Datenanalysen – spezialisiert. Dass die Hightech-Spezialisten dabei auf den Forschungs- und Entwicklungsstandort Wien setzen, hat ein wenig auch mit seinem Geschäftsführer zu tun.

Florian Matusek verantwortet den Standort mit aktuell 50 Beschäftigten, aber auch die KI-Strategie global im Konzern mit seinen rund 2.200 Mitarbeiter*innen. Der TU-Wien-Absolvent gründete mit Freunden zuvor KiwiSecurity. Das Startup wurde vor einigen Jahren von Genetec gekauft, die Gründer blieben im Unternehmen. Damals wie heute steht die Auswertung von Videobildern mit maschineller Unterstützung im Fokus. Bereits KiwiSecurity setzte auf eine Verschränkung von Datenschutz und Überwachung. Personen wurden automatisch in den Bildern verpixelt. Nur im konkreten Anlassfall konnte das Original freigeschaltet werden.

„Erstmals wurde damit ein Kompromiss von Sicherheit und Datenschutz geschaffen, den wir uns patentieren ließen“, berichtet Florian Matusek, Director AI Strategy and Managing Director Vienna. Heute ist der Privatsphärenschutz in der Videoüberwachung ein Standard – auch bei Genetec. Im April gab es eine Neueröffnung des erweiterten Büros in Wien. Die Stadt liegt für das Unternehmen ideal, um als Drehscheibe für DACH und Mittelosteuropa zu fungieren. Der Geschäftsführer sieht auch eine Riesenchance, Techniker*innen aus der Region zu gewinnen.  Er verweist auf bereits 20 Nationalitäten am Standort.

Die meiste Entwicklungsarbeit aktuell wird in die Integration von KI-Features gesteckt. Weiteres steht das „Work Management“ von Prozessen und Abläufen im Sicherheitsbereich im Mittelpunkt. Wurde beispielsweise in einem Bahnhof eine Geldbörse von „jemandem mit einem roten T-Shirt“ gestohlen, können mit der Genetec-Software viele Videofeeds gleichzeitig gefiltert werden. Den Sicherheitsteam werden nur ausschließlich Bilder gezeigt, die der Beschreibung entsprechen. Gesichtserkennung kommt dabei nicht zum Einsatz. „Abgesehen, dass es rein technisch bei Personenmassen nicht funktionieren würde, ist es gesetzlich nicht erlaubt“, erklärt der Experte. Eine Ausnahme bilden etwa behördliche Passkontrollen am Flughafen.

Mark Heller, Regional Sales Manager für die Schweiz und Österreich bei Genetec, zählt weitere Einsatzszenarien auf: das Tracking von Paketen in der Logistik, die Verschränkung von Paketscannern oder Flugdaten mit Videoanalyse, oder auch einfach ein Besuchermanagement für Veranstalter, Warteschlangenanalysen und Personenzählungen. Letzteres wird bereits genutzt, um fair und transparent Mieten in einem Einkaufszentrum zu bemessen. Sogar der Wasserstand bei Schleusen kann mittels Computer Vision festgestellt werden – den Einsatzmöglichkeiten sind kaum Grenzen gesetzt.

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Bild: Bauen das Geschäft mit Video und KI in Österreich aus: Florian Matusek und Mark Heller.

Als fast reiner Softwarehersteller – die einzigen Kameras, die Genetec produziert, sind Spezialkameras für Kennzeichenerkennung – ist man nahezu neutral gegenüber den Anbieter von Sicherheits- und Überwachungstechnik aufgestellt. Denn auch die ethisch einwandfreie Anwendung ihrer Lösungen ist für die Spezialisten wichtig. So wurde bereits die Zusammenarbeit mit Kameraherstellern ausgeschlossen, an denen der chinesische Staat beteiligt ist. Man sei selbst kein Cybersecurity-Unternehmen, sagt Matusek, nähme aber Cybersecurity ernst. Streams zwischen Kameras und Servern werden verschlüsselt, ebenso die gespeicherten Videodaten.

Genau darum geht dem Wiener bei „wirklich guten Systemen im Sicherheitsbereich“. Sie unterstützen nicht nur die Sicherheit, sondern sind selbst mit Schutzmechanismen versehen – und trotzdem betont nutzerfreundlich in der Verwendung. Denn gerade Sicherheitspersonal fluktuiert oft stark, Unternehmen kommen mit dem Einschulen kaum nach. Die Anwender*innen erwarten heute von professionellen IT-Lösungen dieselbe Einfachheit, die sie von ihrem Smartphone kennen. „Wir glauben, dass wir mit unseren Lösungen diese Erwartung erfüllen können“, heißt es bei Genetec.

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