Mittwoch, April 24, 2024



Bechtle wächst mit Zukäufen weiter und geht einen mitunter ungewöhnlichen Weg bei Akquisitionen: Denn für die Führungskräfte, oft die Gründer der übernommenen Unternehmen, und ihre Teams geht die Geschichte meistens besser weiter.


Das Bechtle IT-Systemhaus Österreich hat im Vorjahr den IT-Dienstleister Open Networks mit Sitz in Wien übernommen. Seit Juli 2022 ist der Dienstleister mit Schwerpunkten auf IT-Infrastrukturlösungen, Application Services, Datacenter, Security und Netzwerk (Umsatz 2021 rund 12,5 Millionen Euro) vollständig in Bechtles Wiener Geschäftsstelle integriert. Der bisherige Geschäftsführer und Unternehmensmitgründer Daniel Knözinger ist weiterhin in leitender Funktion bei Bechtle tätig.

Über die Hintergründe der Übernahme sprechen Daniel Knözinger, Bechtle-Österreich-Geschäftsführer Robert Absenger (Bild oben) und Karl-Heinz Kramer, Head of Mergers & Acquisitions bei der Bechtle AG (Bild weiter unten).

Was waren die Gründe für Bechtle in Österreich, sich für Open Networks zu entscheiden?

Robert Absenger:
Um für die Zukunft gewappnet zu sein, wollen wir uns mit Dienstleistungs-Know-how über Zukäufe von Systemhäusern stärken. Wenn wir konkret darüber nachdenken, mit einem Unternehmen in ernstere Gespräche zu gehen, wird zunächst ein grobes Screening gemacht: Passt das Unternehmen zur Bechtle-Kultur? Welches Portfolio eignet sich zur Ergänzung oder zur Stärkung unserer Marktangebote?
Für mich ist auch wesentlich, welche Menschen in der Organisation sind – ob man da auch das Gefühl hat, sich gegenseitig zu stärken. Dies alles hat bei Open Networks gut gepasst, sowohl von den Skills als auch vom Betriebsergebnis her. Das Team möchte unseren Weg mitgehen und sieht neue Chancen und Möglichkeiten als Teil von Bechtle. Als internationaler Konzern bieten wir verschiedene Karrieremöglichkeiten und vielfältigste Weiterbildungsprogramme.

Welche Chancen sehen Sie in einem Konzernverbund? Warum haben Sie sich für den Verkauf an Bechtle entschlossen, Herr Knözinger?

Daniel Knözinger: Es gibt gute Gründe, warum man sich nach dreizehn Jahren Aufbau eines Unternehmens für einen solchen Schritt entscheidet – es steckt ja viel Herzblut und Emotion drin. Ich kann Ihnen versichern, dass das Finanzielle bei meiner Entscheidung in den Hintergrund getreten ist, ich habe eine Verantwortung gegenüber meinen Mitarbeiter*innen, Kunden und Partnern. Wir standen einfach vor einem spannenden Entwicklungsschritt, für den die Integration in Bechtle überzeugende Argumente lieferte. Der Fokus auf den Standort Wien war für uns ein limitierender Faktor bei der Zielsetzung, ganz Österreich gut abdecken zu können. Der Aufbau eines entsprechenden Vertriebs hätte eine enorme Investition bedeutet. Gleichzeitig haben viele unserer Kunden Lieferantenlisten gekürzt, um mit weniger Ansprechpartnern mit breiterem Portfolio zu agieren.
Open Networks hatte sich einen guten Ruf etwa bei Netzwerk- und Security-Themen erworben, bei zusätzlichen Storage- oder Managed-Services-Anforderungen waren uns aber Grenzen gesetzt. Als Cisco Gold Partner waren wir seit 2016 Trusted Advisor bei unseren Kunden und konnten auch entsprechend gute Einkaufskonditionen beim Hersteller bieten. Ebenso ist ein stark wachsender Bereich bei Open Networks die Applikationsentwicklung, die gerade in den vergangenen Jahren wesentlich zu unserem Geschäftserfolg beigetragen hat. 

Absenger: Bechtle war in Österreich im Cisco-Bereich noch nicht auf diesem hohen Level. Der Gold-Status bedeutet einen Meilenstein für unsere Organisation. Im Applications Service, genauer bei dem Produkt F5, sehen wir wiederum eine hundertprozentige Ergänzung. Es war unser oberstes Prinzip, alle Open-Networks-Mitarbeiter*innen halten zu können. Das bedeutete für uns, nicht nur in der Phase der Übernahme, sondern auch während der laufenden Integration des Unternehmens alle Beschäftigten entsprechend zu begleiten. Wir investieren mit großer Überzeugung viel Zeit in die neuen Kolleg*innen. In kleineren Unternehmen hat man in der Regel viele Hüte gerade bei administrativen Tätigkeiten im Job auf. Eine größere Organisation wie bei Bechtle bietet hier entsprechende Vorteile und kann wesentlich zur Entlastung beitragen. 

War der Faktor Unternehmenswachstum alleine auschlaggebend für den Verkauf?

Knözinger:
Die Überlegungen waren vielfältig. Zunächst gibt es gewisse Herausforderungen, die man aus eigener Kraft zu stemmen versucht – oder aber man »merged« mit jemandem, der über entsprechendes Know-how verfügt. Das bringt viele Vorteile, zum Beispiel sehe ich, dass unsere Kunden und Mitarbeiter*innen jetzt noch mehr gemeinsam umsetzen können. Aber auch die vormalige Eigentümerstruktur – wir hatten sehr unterschiedliche Altersklassen unter insgesamt sechs Gesellschaftern mit jeweils eigenen Zielen – war ein wesentliches Kriterium.

Wie ist die Philosophie im Bechtle-Konzern bei Akquisitionen? Wie integrieren Sie übernommene Unternehmen?

Karl-Heinz Kramer:
Zum einen sind Akquisitionen Teil der Geschichte von Bechtle, sie sind in der Genetik des Unternehmens. Wir stehen bei mittlerweile 106 Übernahmen – im Schnitt drei bis fünf pro Jahr – von oftmals kleineren und mittelständischen Unternehmen, aber auch größeren wie zum Beispiel vor vier Jahren der IT-Anbieter Inmac Wstore in Frankreich mit einem Umsatz von damals 420 Millionen Euro. Uns ist immer wichtig, wenn wir mit Unternehmer*innen sprechen, dass es kulturell und persönlich passt. Wir legen großen Wert darauf, auch die führenden Personen nach der Transaktion an Bord zu haben. Das gelingt ehrlicherweise nicht immer, aber sehr häufig. Wenn es aber gelingt, sind die neuen Kolleg*innen – wie von Open Networks – begeistert von ihrem neuen Zuhause. Vielfach haben sich die neuen Führungskräfte dann im Konzern weiterentwickelt und sind weit über ihre alte Rolle hinausgewachsen.



Bild: Karl-Heinz Kramer ist Head of Mergers & Acquisitions bei der Bechtle AG.

Ein Erfolgsfaktor ist sicherlich auch, dass wir kein streng zentralistisch geführter Konzern sind, sondern die Systemhäuser und Landesgesellschaften weitgehend eigenständig Entscheidungen treffen können. Wir lassen damit die Verantwortung bei jenen Einheiten, die nah am Markt und am Kunden sind. Im Grunde ist es genau das, was Unternehmer*innen suchen. Sie wollen tief in ihrem Kerngeschäft, mit den Services für ihre Kunden agieren, haben aber weniger Freude daran, sich um mit Banken-, Steuer- und anderen administrativen Themen zu kümmern. Bei Bechtle können sie dort weitermachen, wo ihre Leidenschaft liegt. Das ist eine Superkonstellation und es freut mich auch, dass viele dann auch sehr positiv über diesen Schritt sprechen.

Absenger: Wir haben gemeinsam vor einigen Jahren mit einem Unternehmen in Österreich gesprochen, das vom Portfolio her optimal für uns gewesen wäre – aber menschlich hat es nicht gepasst. Wir waren einfach nicht kompatibel.

Welchen Typus Unternehmer*in suchen Sie? Brauchen Sie auf jeden Fall Teamspieler? 

Absenger:
Nicht unbedingt. Wir brauchen Persönlichkeiten, die auch ihren eigenen Weg gehen wollen.

Kramer: Es sind unternehmerisch denkende Persönlichkeiten, die ihr Geschäft verstehen und natürlich auch Werte wie Integrität mit uns teilen. Zudem kaufen wir wir Unternehmen ausschließlich zu 100 Prozent. Das Unternehmen muss bisher wirtschaftlich erfolgreich geführt worden sein. Andere Wettbewerber suchen sich durchaus etwas angeschlagene Firmen, um sie zu restrukturieren – das ist nicht unser Weg.

Wie hat sich der Merger- und Acquisitions-Bereich in Ihrer Organisation entwickelt? 

Kramer:
Die Philosophie des nachhaltigen akquisitorischen Wachstums war von Anfang an da. So ist auch ein Großteil unserer gut 90 Systemhäuser in der DACH-Region, den Niederlanden sowie Großbritannien über Akquisitionen hinzugekommen. Wenn Sie heute in die Häuser reingehen, werden diese oft noch von den alten Eigentümern wie eigene Unternehmen geführt. Das spürt man dann auch. Die Häuser sind zwar im Bechtle-Gefüge, haben aber ihre jeweilige Ausrichtung mit bestimmten Schwerpunkten.

In welchem Umfang wird Ihre Abteilung in Europa in 2023 aktiv sein? Welches Budget haben Sie für weitere Übernahmen?

Kramer:
Dazu kann ich Ihnen keine Zahlen nennen. Akquisitionen ist schlicht auch nicht planbar. Bechtle hat aktuell zwei Segmente: den Bereich IT-Systemhaus und Managed Services, den in Österreich seit Jahren Robert Absenger vertritt, und das Segment E-Commerce, mit dem wir in insgesamt 14 Ländern europaweit aktiv sind. Der Systemhaus-Bereich fokussierte lange Zeit auf die Region DACH, entwickelt sich aber zunehmend darüber hinaus. Anfang 2022 wurde mit der Übernahmen eines großen Systemhauses mit IT-Infrastrukturgeschäft und rund 100 Millionen Euro Umsatz in den Niederlanden ein erster Schritt gemacht. Die jüngste Akquisition stellt unser erstes Systemhaus in Großbritannien dar.

Wie sieht es dazu am österreichischen Markt aus?

Absenger:
Wir haben in den letzten Jahren in Österreich mehrere Unternehmen mit Systemhaus-Geschäft zugekauft und integriert. Bei den Übernahmen von drei weiteren Software-Spezialisten sind wir anders vorgegangen: Sie werden als hundertprozentige Töchter mit ihrem bisherigen Logo weitergeführt. Auch hier agieren die vorhergehenden Eigentümer als aktive Geschäftsführer.
Wir haben aktuell sieben Standorte in Österreich, wobei noch Platz für zusätzliche Systemhausaktivitäten, etwa in Salzburg oder Oberösterreich wäre. Das wäre ein weiterer großer Schritt für uns. Viele österreichische Kunden haben regionale Strukturen und wünschen sich eine einheitliche IT-Betreuung in jedem Bundesland.

Erwarten Sie prinzipiell eine Fortsetzung der Konsolidierung des IT-Marktes insbesondere in Österreich? Und wenn ja, warum?

Absenger:
Die IT hat in den Jahren der Pandemie so etwas wie eine Sonderkonjunktur gehabt. Ich halte aber nun eine Abschwächung im kommenden Jahr für möglich. Ein Nullwachstum in Österreich – zum Glück erwartet hierzulande niemand eine Rezession – kann eine gewisse Zurückhaltung bei Investitionen bewirken. Zudem nehme ich an, dass durch die zwar nachlassende, aber immer noch vorhandenen Probleme der Lieferketten auch Vorfinanzierungs- und Cashflow-Themen bei Marktbegleitern entstehen könnten. 
Diese Parameter werden die Systemhausbranche sicherlich in den nächsten ein bis zwei Jahren prägen. Generell sehe ich für den Markt einen starken Trend hin zum Ausbau des Dienstleistungsgeschäfts, dass das Produktgeschäft ergänzt und die Kundenbeziehung weiterentwickelt.

Kramer: Die Marktkonsolidierung wird weitergehen, nicht zuletzt weil dadurch die Möglichkeit eines größeren Angebots für unsere Kunden und auch eine größere Attraktivität als Arbeitgeber erreicht wird. Kleine Unternehmen werden in den kommenden Jahren noch größere Schwierigkeiten am Markt haben, Mitarbeiter*innen zu gewinnen. Da ist eine größere Plattform in der Regel hilfreicher. 

Knözinger: Bei den Vorgesprächen mit Bechtle hat mich am meisten der gute Track Record von Bechtle in Österreich überzeugt. Nachweislich sind viele Gründer aus Akquisitionen immer noch an Bord. Ich habe in Gesprächen mit ehemaligen Unternehmern in der Organisation festgestellt, dass man es bei Bechtle auch als leitender Angestellter gut aushalten kann (lacht).
Das war meine größte Sorge: Bin ich nach dreizehn Jahren Unternehmertum überhaupt noch als Angestellter vermittelbar? Die Bedenken wurden schnell ausgeräumt: Den Mehrwert bei Bechtle bilden Persönlichkeiten, die kontinuierlich unternehmerisch denken und die Freude an der Verantwortung nicht verlieren.

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