Freitag, März 29, 2024
Unterschiedliche Geschwindigkeiten in der Digitalisierung
Roland Ledinger hat mit einem »Verständnis und Wissen für die Sache, für die Strukturen und auch für die Kulturunterschiede in der Verwaltung« seine neue Aufgabe beim BRZ angetreten. (Bild: BRZ/Vyhnalek)

Roland Ledinger ist neuer Geschäftsführer des BRZ. Er soll nun die Zusammenarbeit des IT-Dienstleisters der Republik mit den Kunden – den Ministerien – stärken. Er spricht über inhaltliche und organisatorische Schwerpunkte und warum sein Wechsel auf die Seite des Dienstleisters gar nicht so ungewohnt ist.


(+) plus: Welche Ziele haben Sie in der Geschäftsführung des BRZ für die nächsten Jahre gesetzt?

Roland Ledinger: Unser oberstes Ziel ist eine sichere und leistungsfähige Betriebsbereitschaft unserer digitalen Services und innovative Umsetzungen. Längerfristig haben wir uns, mit Christine Sumper-Billinger und mir in der Geschäftsführung, fünf Themen vorgenommen. Zum einen ist dies die IKT-Konsolidierung, die auch einen wesentlichen Teil des Regierungsprogramms bildet.

Einen weiteren Schwerpunkt sehen wir bei unseren Mitarbeiter*innen und beim Ansprechen neuer Fachkräfte. Hier geht es auch um den Erhalt von Wissen, da es in den nächsten Jahren altersbedingt viele Abgänge in unserem Haus ebenso wie bei unseren Kunden geben wird. Drittens wollen wir unsere Leistungen entlang der digitalen Transformation in der Verwaltung ausrichten, in dem wir das digitale Kompetenzzentrum des BRZ ausbauen. Oft werden wir nur als Rechenzentrumsdienstleister gesehen – wir liefern aber heute schon viele Services im Innovationsbereich.

Ein weiterer Schwerpunkt ist der Ausbau der Doppelrolle als verlängerter Arm der Ministerien in Fragen der Digitalisierung sowie als Brückenbauer zur IT-Wirtschaft. Wichtig hier ist, dass wir unsere Produkte und Services entlang von Prozessen aufsetzen. Vieles davon ist strukturell schon passiert, es braucht aber noch mehr Standards, um das BRZ als IT-Dienstleister hinsichtlich der allgemeinen Entwicklung des IT-Marktes gut aufstellen zu können.

Egal, ob es sich um die Entwicklung eines Chatbots, einen bestimmten Workflow auf einer Website oder etwa um eine elektronische Zustellung oder in SAP um eine Abrechnung handelt: durch Standards und Baukastensysteme wollen wir schnell digitale Services bei unseren Kunden aufsetzen können.

(+) plus: Welche sehen Sie als dringlichste Aufgaben heuer?

Ledinger: Auf das eine oder andere Thema wie den Mitarbeiterbereich fokussieren wir bereits heuer stark. Wir haben über 120 Stellen ausgeschrieben und planen für dieses Jahr eine Aufstockung um insgesamt 300 Mitarbeiter*innen. Das ist sehr ambitioniert. Unsere Aktivitäten sind aber stets auf Veränderungen bei unseren Kunden ausgerichtet.

Dazu müssen wir die Geschwindigkeit der Digitalisierung in unserer Organisation mit den Möglichkeiten in den Ministerien in Einklang bringen. Es passt nicht zusammen, wenn wir vielleicht agile Methoden anwenden, ein Kunde aber noch im Wasserfall-Modell denkt und arbeitet – und wiederum von uns beigezogene Dienstleister methodisch noch schneller arbeiten.

Wir wollen daher bereits heuer intensiv mit vertrauensbildenden Maßnahmen und viel Kommunikation noch stärker in die Rolle des verlängerten Armes der Ministerien wachsen. Vieles, was das BRZ leistet, wird am Markt gar nicht in diesem Ausmaß wahrgenommen – unser Innovationsmanagement als Beispiel.

(+) plus: Zum Thema IT-Konsolidierung, das in Österreich schon länger diskutiert wird: Welches Potenzial sehen Sie konkret? Wo orten Sie hier Hürden?

Ledinger: Standardprodukte und Shared-Services bieten immer eine Chance für ein Mehr an Effizienz. Obwohl Standardisierungen immer auch mit Kompromissen verbunden sind, hilft es, ähnliche Tätigkeiten mit einer identen digitalen Lösung abzubilden. Abgesehen von individuellen Ausprägungen können die Services für große Teile einer Arbeitsumgebung auch aus einer Hand erbracht werden. Unsere Kunden bekommen dadurch auch wieder Raum für fachliche Aufgaben.

Der Betrieb von Servern, die Stromversorgung und Kühlung oder die Absicherung von IT-Räumen sind ja eine Notwendigkeit und kein wesentlicher Mehrwert. Das bringt einen in der Digitalisierung keinen Millimeter weiter. Anders ist das bei Fachanwendungen, bei Innovationsprojekten und auch zeitgerechten Umsetzungen, die etwa von der EU vorgeschrieben werden. Durch die Digitalisierung steigt der Bedarf an IT-Ressourcen, was man auch an der Erweiterung der BRZ-Belegschaft sieht.

Wir sehen auch, dass die Digitalisierung sehr viel Expertise bedingt, die in den Ministerien durch die demografische Entwicklung nur noch teilweise verfügbar ist – in manchen IT-Abteilungen beträgt das Durchschnittsalter 55 Jahre. Der Kern der Mitarbeiter*innen schmilzt sukzessive. Bei der Ansprache von neuen Mitarbeiter*innen ist ein Ministerium oft gegenüber IT-Dienstleistern im Nachteil.

Die Konsolidierung ist daher eine der Möglichkeiten, die gewohnte Servicequalität auch in Zukunft zu halten. Und bei vielen Spezialthemen in der IT, wie etwa bei immer wieder auftauchenden Sicherheitslücken bei Herstellerprodukten, braucht es Professionisten, die schnell reagieren und die sich auf ihren Fachbereich – etwa Cybersicherheit – zu hundert Prozent konzentrieren können.

(+) plus: Was hat Sie nach Jahrzehnten Tätigkeit auf Kundenseite bewogen, in die Rolle des IT-Dienstleisters der Verwaltung zu wechseln? 

Ledinger: So einen großen Unterschied sehe ich gar nicht. Die IT-Abteilungen in den Ministerien sind ebenfalls Dienstleister für ihre Organisationen – wenn auch nicht in der Dimension eines BRZ. Ich gehe mit dem Verständnis und Wissen für die Sache, für die Strukturen und auch für die Kulturunterschiede in der Verwaltung in diese neue Aufgabe. Die verschiedenen Bedürfnisse der Kunden mit den Leistungen des BRZ zu vereinen, motiviert mich sehr. Wir haben die Herausforderung, vertrauensvolle Partnerschaften zu bilden, und da tut man sich schon leichter, wenn man das Umfeld gut kennt.

(+) plus: Wie können Digitalisierungsprojekte der Republik Österreich gezielt Menschen und Unternehmen in der Pandemie unterstützen? Welche umzusetzenden Vorhaben sehen Sie hierzu noch?

Ledinger: Wenn wir das, was bereits alles in Österreich an Verwaltungsservices für Bürger*innen und Unternehmen angeboten wird, in eine breite Nutzung bringen, ist schon sehr viel gewonnen. Wir sprechen seit Jahren über »Once only«- und »No-Stop«-Verfahren, die eine Automatisierung von Prozessen und vernetzte Verarbeitung von Daten bedeuten.

Im Unternehmensserviceportal profitieren die Unternehmer*innen schon jetzt davon. Die Verwaltung hat meist bereits viele Daten und kann so gerade die Belastung durch Verwaltungsabläufe für Unternehmer*innen verringern. Gute digitale Services für Bürger*innen und Unternehmen sind letztlich auch ein Standortvorteil.

Die aktive Nutzung der Handy-Signatur ist jetzt innerhalb eines Jahres massiv gewachsen – von rund 1,4 Millionen auf 2,9 Millionen regelmäßige Nutzer*innen. Auch beim Grünen Pass liegen wir bereits bei über fünf Millionen App-Downloads.

Stichwort »Grüner Pass«: Da sind Technologien im Einsatz, mit denen man durchaus weitere Services positionieren und so die gesamte mögliche Breite dieser Anwendung mitnutzen könnte – etwa um damit die Kommunikation im Gesundheitsbereich zu verbessern. Bedingt durch die Pandemie sind Videokonferenzen mittlerweile alltäglich geworden, also könnte man diese auch für Verwaltungsabläufe nutzen. Dazu gibt es vom BRZ einen Proof of Concept, der beim Österreichischen Verwaltungspreis einen Sonderpreis erhielt. Das Projekt ermöglicht öffentlichen und privaten Organisationen die rechtssichere Durchführung von beschlussfassenden Onlinesitzungen.


Zur Person

Roland Ledinger ist seit November 2021 Geschäftsführer für Kundenmanagement, Betrieb, Entwicklung und IT-Konsolidierung in der Bundesrechenzentrum GmbH. Der IT-Experte verfügt über mehr als 35 Jahre Erfahrung in der österreichischen Verwaltung, war lange im Bundeskanzleramt tätig, Leiter der Gruppe E-Government und Digitalisierung im Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort sowie zuletzt Digitalisierungsbeauftragter im Burgenland.

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